Hingeschaut

«Dr. Feld hilft» - und schlachtet nicht aus

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Das neue Help-Format auf ZDFneo macht seinem Namen alle Ehre - auch wenn die Einführung etwas anderes erwarten lässt.

Die Zahl der Dokusoaps im deutschen Fernsehen ist inzwischen kaum mehr zu überblicken, da mittlerweile zu viele Sender dieses kostengünstige und oft sehr quotenträchtige Genre für sich entdeckt haben. Eine sehr beliebte Stilrichtung ist dabei die so genannte "Help-Doku", bei der meist ein Experte Menschen besucht, die auf irgendeine Art und Weise auf Hilfe angewiesen sind - und zumindest suggeriert, ihnen helfen zu wollen. Doch wie uns zahlreiche Privatsender bei inhaltlich fragwürdigen Formaten wie «Die Super-Nanny» oder «Das Messie-Team» gelehrt haben, steht in vielen Fällen doch eher die Ausschlachtung privater Schicksale im Vordergrund. Da ist es gleichermaßen beruhigend wie angenehm, dass der öffentlich-rechtliche Spartensender ZDFneo mit «Dr. Feld hilft» nicht in eine ähnliche Kerbe schlägt, sondern augenscheinlich tatsächlich um eine seriöse Hilfestellung seiner "Problemfälle" bemüht ist.

Dabei unterscheidet sich das am Donnerstag um 20:15 Uhr in Doppelfolgen gezeigte Format konzeptionell nicht signifikant von anderen Vertretern dieses Genres, denn im "Fall der Woche"-Prinzip kümmert sich Allgemeinmediziner Dr. Michael Feld in jeder der bislang ausgestrahlten vier Episoden um einen Patienten. In der ersten Folge ist dies ein chronischer Schnarcher, der seine Frau mit dem nächtlichen Lärm in die Schlaflosigkeit führt, womit auch psychische Probleme einhergehen. Ein Großteil der Sendezeit besteht erwartungsgemäß aus Gesprächen zwischen dem Hausbesuche abstattenden Arzt und Patienten und verschiedenen Versuchen, diesem Problem Herr zu werden. Ein wirklich neuartiges, innovatives Konzept sieht also tatsächlich anders aus. Doch die Umsetzung weiß in diesem Fall zu überzeugen.

Und dies überrascht nach Sichtung der ersten Minuten durchaus, denn zu Beginn versuchen sich die Macher mit altbekannten stilistischen Kniffen zunächst daran, den Zuschauer an das Format zu binden. Das Stichwort hierbei ist die Überdramatisierung, was sich sowohl an der viel zu reißerischen Musik als auch an den üblichen Drama-Floskeln der Marke "XY ist verzweifelt und weiß keinen Ausweg mehr. Seine letzte Chance ist unsere Reinkarnation des Heilands." von Seiten des Off-Sprechers sehr deutlich offenbart. Die recht unangenehme, boulevardeske und so gar nicht ans öffentlich-rechtliche Fernsehen erinnernde Inszenierung dominiert auch die ersten Minuten, in denen die Protagonisten der Folge sowie ihre Probleme vorgestellt werden.

Doch glücklicherweise gibt es einen ziemlich deutlichen stilistischen Bruch, sobald Dr. Feld seine Arbeit aufnimmt und den Weg zur Familie in Angriff nimmt. Das Publikum ist hier nach Wunsch der Redaktion hoffentlich bereits so gefesselt von der dramatischen Exposition, dass die Spannungskurve in den restlichen 40 Minuten sukzessive gesenkt werden kann. Und so darf es sich in der Folge ein ausführliches Gespräch zwischen dem Mediziner und dem Ehepaar Deike anschauen, das vor allem davon geprägt ist, dass Ersterer die Ursachen des chronischen Schnarchens von Mann Detlef herausfinden möchte. Hierbei wirkt Feld auf den Betrachter sehr professionell und interessiert an den Problemen seiner Patienten, was auch daran liegen dürfte, dass die Produzenten der Ursachenforschung außergewöhnlich viel Sendezeit einräumen.

Neben der augenscheinlichen Kompetenz der Hauptfigur hat auch die Hinzuziehung weiterer Experten eine positive Wirkung auf den Zuschauer, da hierdurch nicht suggeriert wird, dass eine Person alleine alle Lebensprobleme ihrer Patienten bewältigen kann, nicht einmal die Reinkarnation des Heilands. In der Auftaktepisode soll der Jurist Heiko Borchert die finanzielle Situation des Ehepaares beurteilen, in der zweiten Folge helfen weitere Ärzte einer Frau aus ihrer körperlichen Schieflage. Deutlich von vielen Genrevertretern hebt sich die Sendung in einer Szene ab, in der Dauerschnarcher Detlef plötzlich zu weinen beginnt. Die erwartete redaktionelle Verwertung in Form von Zeitlupen und Großaufnahmen sowie geheucheltem Mitgefühl von Seiten des Off-Sprechers bleiben hier aus, was ein angenehmes Gefühl der Authentizität hinterlässt.

Das Ende beider Folgen hingegen weiß kaum positiv zu überraschen, da es quasi exakt so abläuft wie man es als eifriger Help-Show-Schauer gewohnt ist: Dr. Feld stattet seinen Patienten noch einen letzten Besuch ab, bei dem er erzählt bekommt, dass sich beinahe alle Probleme deutlich reduziert haben, wenn nicht gar komplett verschwunden sind. Doch irgendwie hat man in diesem Fall das Gefühl, dass nicht allzu viel kameratauglich geschönt wurde und die Problemfälle zumindest überwiegend tatsächlich gelöst werden konnten. Und sollte dies alles nicht der Fall sein, so ist es «Dr. Feld hilft» immerhin gelungen, sein Publikum so gut hinters Licht zu führen, dass es nicht in dem Glauben die Sendung verlässt, die Situation wurde während des Drehs eher verschlimmbessert.

Insgesamt ist dieser Versuch von ZDFneo, eine seriöse Doku-Soap zumindest auf einem digitalen Sender zu etablieren, inhaltlich gelungen. Nach einem zu reißerischen Beginn fängt sich das Format schnell und schafft es, dass der Betrachter mit Experten und Protagonisten sympathisiert. Zwar unterscheidet sich die Sendung nicht so signifikant von bekannten Help-Shows, dass sie einen Einschaltbefehl rechtfertigen würde, doch kann man sie sich anschauen, ohne Hirn und Gewissen zuvor auszuschalten. Hinsichtlich des Ablauf der Folgen gilt jedoch: Kennt man eine, kennt man alle. Wer Interesse daran hat, einem telegenen und sympathischen Allgemeinmediziner bei seinen Versuchen zuzusehen, Patienten aus persönlichen Notlagen herauszuhelfen, der sollte sich «Dr. Feld hilft» in jedem Fall ansehen. Wer daran nicht oder nur bedingt interessiert ist, kann am Donnerstag um 20:15 Uhr auch ebenso gut den Fernseher ausgeschaltet lassen.

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