Interview

«Habibi Baba Boom»-Macher: ‚Wir wollten zeigen, was uns verbindet‘

von

Die Schöpfer Omar El-Saeidi und Sascha Vredenburg sowie Produzentin Carmen Stozek erzählen, wie aus einer Freundschaft eine Geschichte über Identität, Religion und Zusammenhalt entstand – und warum gerade Comedy die beste Brücke zwischen Kulturen sein kann.

«Habibi Baba Boom» verbindet Culture-Clash, Comedy und emotionale Familiengeschichten. Wie ist die Grundidee zu dieser Serie entstanden, und was war der Moment, an dem klar war: Das müssen wir erzählen?
Wir, Omar und Sascha, kennen uns seit über 15 Jahren – und was damals beruflich begann entwickelte sich zu einer engen Freundschaft, in der wir irgendwann gesagt haben: Wir müssen etwas Eigenes machen! Gestartet sind wir zunächst mit Ideen für ein Sketch-Comedy-Format, das aber schnell die Sehnsucht auslöste, eine narrative, emotionale Ebene zu finden. Als wir dann durch eine Freundin auf das Nachwuchstalent Tokesa Konxheli aufmerksam wurden, die an derselben Schule Abitur machte, wie Sascha, war der Grundstein für unsere Vater-Tochter Geschichte gelegt.

Carmen Stozek, unsere Produzentin, überzeugte diese besondere Familiengeschichte, die einen Generationenkonflikt über zwei Generationen erzählt – einen Konflikt, den wir in jeder Art von Familie wiederfinden können. Vor allem aber in Omars, dem seine Geschwister schon immer gesagt haben: Wenn du mal Schauspieler wirst, dann mach eine Serie über unsere Familie! Da gibt es nichts Seltsameres, Lustigeres und Berührenderes.

Im gemeinsamen Austausch wurde uns schnell klar, dass wir – egal welchen kulturellen oder religiösen Hintergrund jede*r von uns mitbringt – wir mehr Gemeinsamkeiten finden als Unterschiede. Damit sahen wir die Chance, dass unsere Serie durch ihre Einblicke in unterschiedliche, islamische Lebensrealitäten einen wertvollen wie unterhaltsamen Beitrag leisten. Einen Beitrag, der Ängste abbaut und Menschen verbindet.

Die Serie zeigt eine vielfältige Gesellschaft – mit all ihren Widersprüchen, Missverständnissen und Begegnungen. Wie schwierig war es, Humor und Sensibilität in Balance zu halten, ohne in Klischees abzurutschen?
Comedy braucht immer ein gutes Drama als Fundament – das war uns von Anfang an wichtig und daran haben wir lange gearbeitet. Omars autobiografische Geschichten sowie die Erlebnisse und Erfahrungen unserer Fachberater*innen und des gesamten Autorenteams waren entscheidend, um das richtige Gleichgewicht zwischen Comedy und Drama, aber auch zwischen Klischees und deren Durchbrechung zu finden. Bei einer Serie ist die Entwicklungszeit ein entscheidender Faktor – weil es wichtig ist, entstandene Ideen und Drehbücher immer wieder konstruktiv im Team zu besprechen und zu optimieren, bis alles sitzt.

Omar El-Saeidi und Sascha Vredenburg haben die Serie gemeinsam geschrieben. Wie sah die Zusammenarbeit im Writers’ Room konkret aus, und wie sehr spiegeln sich Ihre persönlichen Erfahrungen im Ton und in den Figuren wider?
Als Dreierteam haben wir die Richtung der ersten Staffel vorgegeben und die einzelnen Erzählstränge gemeinsam mit den Autor*innen gebrainstormt. Unterstützt wurden wir dabei von Dramaturg Oliver Schütte – Feedback gab es von unserer deutschen und britischen Redaktion bei Disney+. Im Writers- Room haben wir uns auch intensiv mit der Aufstellung des Ensembles und jedem einzelnen Charakter auseinandergesetzt – vor allem auch mit deren individueller Sprache und Tonalität. Omar und Sascha haben die Drehbücher zu den Episoden 1–4 gemeinsam geschrieben und die weiteren Folgen, die Patrick Brunken, Kirsten Loose, Linda Brieda und Christian Neu übernahmen, als Headautoren final gepolisht.


Mit Omar El-Saeidi als Hauptfigur Sami steht ein Charakter im Mittelpunkt, der zwischen zwei Welten lebt. Wie wurde die Figur entwickelt, damit sie gleichermaßen authentisch, komisch und berührend bleibt?
Sami ist, und das klingt vielleicht komisch, einfach ein total netter und durchschnittlicher Typ. Ein Mensch, der den Frieden liebt, Konflikte um jeden Preis vermeidet und stets versucht, es allen recht zu machen. Er lebt in dieser bequemen Grauzone: Er könnte vieles verändern, müsste genauer hinsehen und klare Haltung zeigen, aber er tut es nicht, weil es eben einfacher ist, Dinge zu ignorieren. Und genau das wird irgendwann sein Problem. Trotzdem ist er als klassischer Lovable Loser unglaublich liebenswert. Jemand, mit dem man gut befreundet sein könnte.

Auch die Vater-Tochter-Beziehung spielt eine zentrale Rolle. Was war Ihnen wichtig, um dieses Verhältnis zwischen Tradition, Freiheit und gegenseitigem Verständnis glaubwürdig zu erzählen?
Isa ist als das genaue Gegenteil von ihrem Vater angelegt: kämpferisch, rebellisch, aber vor allem unglaublich ehrlich. Sie spricht (in der Regel) unbequeme Wahrheiten gnadenlos aus und steht für die Werte ein, an die sie glaubt. Sami, der aus einer konservativen, islamisch geprägten Familie stammt, hat Isa aber nie nach diesen Regeln erzogen. Und jetzt, wo er sich unfreiwillig wieder mit seiner Herkunft auseinandersetzen muss, ist Isa völlig irritiert, weil sie diese Welt überhaupt nicht kennt. Diese kritische, aber auch neugierige Auseinandersetzung war uns wichtig, damit wir Figuren erzählen können, die anderen mit Offenheit begegnen und bereit sind, aus ihrer Komfortzone herauszutreten – um sich ein eigenes Bild zu machen.

Die Serie arbeitet mit einem sehr diversen Ensemble. Nach welchen Kriterien haben Sie das Casting zusammengestellt, und wie wichtig war dabei echte kulturelle und sprachliche Vielfalt am Set?

Das Casting verdanken wir der tollen und intensiven Zusammenarbeit mit unseren Casterinnen Sabine Weimann, Karimah El-Giamal und Johanna Hellwig. Gemeinsam wollten wir so authentisch und spielerisch so gut wie möglich besetzen. Einerseits haben wir darauf geachtet, dass der Background der Schauspieler*innen – gerade sprachlich – zur jeweiligen Serienfigur passt, andererseits haben wir die finale Kombination durch eine Vielzahl von Chemie-Castings gefunden. So entstand unser wunderbares Ensemble, die eine große Spielfreude am Set verband.

«Habibi Baba Boom» wurde von Anfang an von islamischen Fachberatern begleitet. Wie sah dieser Austausch in der Praxis aus – und welche Szenen haben besonders von dieser Zusammenarbeit profitiert?
Die Zusammenarbeit mit unseren kulturellen Fachberater*innen Sümeyye Algan und Prof. Dr. Cefli Ademi war sehr eng und begleitete uns über den gesamten inhaltlichen Entwicklungsprozess: von den Drehbüchern über die Beratung unserer Regisseur*innen und Schauspieler*innen am Set bis hin zur Schnittphase mit dem Sichten der Roh- und Feinschnitte.

Gerade Szenen in der Moschee, mit Gebetszeremonien, Zitaten und zum Opferfest, aber auch Szenen mit sprachlichen Versprechern und Missverständnissen haben wir intensiv miteinander besprochen. Im Fokus stand vor allem der gelebte Islam – also der Islam im Alltag der unterschiedlichen Protagonisten.


Visuell unterscheidet sich die Serie deutlich von klassischen Familien- oder Comedy-Formaten. Wie wollten Sie mit Kamera, Musik und Erzähltempo einen eigenen Stil schaffen, der zur modernen Tonalität von Disney+ passt?
Wir wollten für unsere Serie einen poetischen Realismus finden, der zu jeder Zeit zwar authentisch ist aber auch vor Bigger-Than-Life-Momenten nicht zurückschreckt. Hier haben DoP Katharina Diessner, Szenenbildner Cedric Kraus sowie das Kostüm- und Maskenteam Tolles geleistet, viel recherchiert, getestet und mit uns gemeinsam einen Look erarbeitet, der die Wärme der Serie widerspiegelt und ein Gefühl von Zuhause transportiert.

Der Score wiederum profitiert von einem starken Duo, das mit Steffen Brinkmann und Hayat Selim zwei Komponist*innen vereint, die mit ihren unterschiedlichen kulturellen Erfahrungen einen perfekten musikalischen Spagat geschaffen haben, der sowohl Samis deutschen Alltag als auch seine ägyptischen Wurzeln zum Klingen bringt.

Hinter der Leichtigkeit steckt viel Substanz – Themen wie Identität, Integration oder Selbsttäuschung. Was hoffen Sie, dass die Zuschauerinnen und Zuschauer nach dem Streamen mitnehmen?
Es gibt viel zwischen den Zeilen in der Serie zu entdecken, und nicht nur bei Sami und seiner Familie. Allein was über die Figur Jette diskutiert wurde – eine Frau, die ihre Familie verlässt: ob bei Geschichten, in denen Männer ihre Familien verlassen, jemals so viel diskutiert wurde? Zudem vermittelt die Serie ein differenziertes und positives Bild vom Islam, der in den Medien zwar ständig präsent ist, aber über den viele Menschen erstaunlich wenig wissen. Genauso wenig wie über muslimische Communities. Wir hoffen, dass die Zuschauer*innen auch etwas lernen können – mit Humor und ohne erhobenen Zeigefinger.

Die erste Staffel steht nun bei Disney+ zum Abruf. Wenn Sie nach vorne blicken – gibt es schon Ideen oder Wünsche, wie es mit «Habibi Baba Boom» weitergehen könnte?
Wir wünschen uns, dass «Habibi Baba Boom» von so viele Menschen wie möglich gesehen wird – gerne auch über den deutschsprachigen Raum hinaus. Erste Synchronisationen liegen vor. Denn diese Serie unterhält nicht nur, sondern sie baut Brücken: in Familien, unter Freunden, unter Menschen. Natürlich lebt Comedy auch von erzählerischen Spitzen, erzählt von Wirklichkeiten, die auch weh tun. Das junge Publikum nimmt den Humor und die Serie sehr gut an und wir hoffen jetzt, durch wachsende Aufmerksamkeit ein breiteres Publikum zu erreichen. Ideen, wie es mit Sami und seiner Familie in Bielefeld weitergehen kann – davon gibt es genug!

Danke für das Gespräch!

Disney+ streamt « «Habibi Baba Boom» seit 1. Oktober 2025..

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