Interview

‚Sicherheit heißt nicht, dass es nicht weh tut‘

von

Lisa Maria Potthoff, Mathis Landwehr und Stuntkoordinator Wanja Götz über Disziplin, Vertrauen und die Magie echter Action bei «Sarah Kohr – Im Schatten».

Wenn Lisa Maria Potthoff als kompromisslose Ermittlerin Sarah Kohr zuschlägt, steckt dahinter keine Filmillusion, sondern wochenlanges Training, eiserne Disziplin und großes Vertrauen im Team. Gemeinsam mit Stuntprofi Wanja Götz und Kampfkunst-Experte Mathis Landwehr spricht die Schauspielerin über die intensive Vorbereitung, über blaue Flecken, über mentale Stärke – und darüber, warum echte Action nur dann funktioniert, wenn sie aus Freundschaft entsteht.

Frau Potthoff, die Kämpfe in «Sarah Kohr» gehören längst zum Markenzeichen der Reihe. Wie bereiten Sie sich physisch und mental auf diese intensiven Szenen vor?
Lisa Maria Potthoff: Ich versuche eigentlich konsequent im Training zu sein. Das ist mittlerweile aber auch wichtig für mein Wohlbefinden und nicht nur für Sarah. Ein paar Wochen vor Drehbeginn werden dann von Wanja die Choreografien der Kämpfe entwickelt und wir beginnen mit den Stuntperformern oder Schauspielkollegen zu proben.

Herr Götz, Sie sind seit Jahren als Stuntkoordinator tätig. Was macht die Arbeit an einem «Sarah Kohr»-Film im Vergleich zu anderen Produktionen besonders anspruchsvoll?
Wanja Götz: Wir versuchen die Action nach internationalen Standards anzugehen: Mein Actioncam-Operator und ich erstellen Previews der Kämpfe, das heißt wir filmen die Kämpfe mit Stuntleuten vor und proben dann so lange, bis die Szene drehbereit ist. Am Drehtag selbst übernehme ich die Actionregie. Das ist international und im Kino durchaus üblich, im deutschen Fernsehen aber außergewöhnlich.

Herr Landwehr, Sie haben selbst eine lange Kampfkunst-Vergangenheit. Wie fließt dieses Wissen in Ihre Arbeit am Set ein – und worauf achten Sie besonders, wenn Sie Kampfszenen mit Lisa Maria Potthoff entwickeln?
Mathis Landwehr: Eigentlich sind alle Eigenschaften, an denen man in der Kampfkunst arbeitet von Vorteil am Set. Angefangen bei Aufmerksamkeit, mentaler und physischer Stärke bis hin zu respektvollem Umgang mit den Kollegen.

Wenn ich gemeinsam mit Lisa an Kampfszenen arbeite, ist es vor allem wichtig, dass man später im Film sieht, was sie wirklich kann, weil sie seit vielen Jahren Kampkünstlerin ist. Man muss bei ihr nicht mit Kamera und Schnitt etwas kaschieren, sondern kann komplexe Choreografien in weiten Einstellungen zeigen. Das ist sehr, sehr selten.

Viele Zuschauer sehen nur den Adrenalinkick der Action, aber nicht die minutiöse Planung dahinter. Wie viel Zeit steckt tatsächlich in einer einzigen Kampfszene?
Mathis Landwehr: Die Vorbereitung der Kampfszenen von „Im Schatten“ dauerten tatsächlich einige Monate, in denen wir natürlich nicht Vollzeit, aber neben anderen, laufenden Projekten trainierten. Das ist für ein deutsches Fernsehformat absolut einzigartig und auch nur durch unser 100-prozentiges Commitment möglich gewesen.

Lisa Maria Potthoff: Wanja kennt mich und meine Fähigkeiten seit sieben Jahren. Mit Mathis darf ich seit ungefähr drei Jahren trainieren. Das heißt, die beiden wissen, was ich kann, was nicht, oder woran wir feilen können. Dazu sind mehrere Proben angesetzt.

Wanja Götz: Je länger eine Sequenz innerhalb eines Kampfes ist, ohne unterschnitten zu werden, desto akribischer muss diese geprobt werden. Einen großen Kampf drehen wir dann oft einen kompletten Drehtag lang.

Frau Potthoff, Sie haben in Ihrem Buch auch über die Lebensphilosophie Ihres Kampfkunst-Lehrers geschrieben. Inwiefern helfen Ihnen diese Prinzipien – etwa Achtsamkeit, Fokus oder Respekt – auch beim Schauspiel?
Lisa Maria Potthoff: Diese Prinzipien oder Werte begleiten mich alle durch mein Leben, nicht nur in meinem Beruf. Demut gegenüber dem Tun und Respekt vor meinem Gegenüber, Disziplin und Dankbarkeit. Diese Werte geben mir einen Leitfaden als Mensch, Kampfkünstlerin, aber auch als Schauspielerin und Mutter. Das Lernen in allen Bereichen meines Lebens ist ein steter Prozess.

Stunts leben vom Vertrauen zwischen allen Beteiligten. Wie baut man dieses Vertrauen auf, und was passiert, wenn am Set einmal etwas schiefgeht?
Mathis Landwehr : Bei Action- und Fightszenen kann immer etwas schiefgehen, das ist tatsächlich Berufsrisiko. Man kann das Risiko aber stark reduzieren, in dem man mit dem Partner genug trainiert, um ein Distanz- und Rhythmusgefühl füreinander zu bekommen. Außerdem hängt das Risiko natürlich stark von der Stuntkoordination ab. Wanja Götz ist in der Szene bekannt dafür, harte, aber sichere Action zu liefern.

Lisa Maria Potthoff: (lacht) Ja, das stimmt. Wanja sorgt für große Sicherheit am Set. Trotzdem heißt das nicht, dass man nicht oft die Zähne zusammenbeißen muss. Wer Action machen möchte, darf nicht zimperlich sein. Sicherheit heißt nicht, dass es nicht oft verdammt weh tut oder man grün und blau nach Hause kommt. Wenn ich Sorge habe, aus Versehen einem Kollegen vielleicht einen Schlag zu doll aufzusetzen, zwinkert Wanja mir zu und sagt: „Entschuldigen kannst du dich hinterher. Jetzt mach deinen Kopf frei.“

Wanja Götz: Wie Mathis schon gesagt hat, ist es extrem wichtig, dass die Schauspieler oder Performer in einem Kampf gut miteinander funktionieren und tanzen. Damit minimiert man schon das Verletzungsrisiko. Passieren kann aber trotzdem immer was. Wie bei unserem Film „Koma“, wo sich Lisa trotz guter Vorbereitung schwerer verletzt hat. Das ist dann für alle der worst case.

In «Im Schatten» sind die Kämpfe besonders physisch und realistisch. Wie gelingt es, trotz Sicherheit und Choreografie diese rohe Energie beizubehalten?
Mathis Landwehr: Das ist der entscheidende Punkt, der Filmkampf von echtem Kampf unterscheidet und an dem viele Kampfsportler scheitern, wenn sie vor der Kamera und nicht im Ring stehen. Die Schläge und Tritte müssen so verkauft werden, als wolle man sein Gegenüber damit vernichten, aber unter der Oberfläche lässt es sich eher mit einem Tanz vergleichen, bei dem sich beide aufeinander verlassen können. Es ist eine eigene Kunstform.

Lisa Maria Potthoff: Ja, das sehe ich exakt genauso. Es ist dann aber eigentlich auch nicht viel anders als im Schauspiel: Du kennst deinen Text, du weißt, was deine Figur ersehnt, wo sie in der Szene hinmöchte. Aber mit dem „Bitte“ oder bei den Kämpfen nach dem „3-2-1-go“ von Wanja wirft man sich mit Haut und Haaren in den Moment. Alle Absprachen und Vorgaben sind der Teppich, von dem aus man losfliegt. Dann entsteht Magie.

Herr Götz, Sie spielen diesmal sogar selbst mit. Wie war es, als Stuntprofi vor der Kamera zu stehen – und dabei gleichzeitig die Sicherheit der anderen im Blick zu behalten?
Wanja Götz:Es ist nicht das erste Mal, dass ich bei «Sarah Kohr» oder anderen Produktionen eine Rolle übernehme. Wobei sich diesmal meine Rolle auf einen Tag beschränkt hat. An diesem Tag haben wir all die Einstellungen gedreht, in denen ein Team mit Waffen in ein Umspannwerk eindringt. Dabei haben wir Aufnahmen generiert, die dynamisch wirken, aber nicht wirklich Stunt-Action beinhalten. Daher bin ich nicht in die Verlegenheit gekommen, mich zerreißen zu müssen. Aber wenn es zu solchen Engpässen kommt, buche ich meistens einen anderen Stunt-Coordinator.

Frau Potthoff, «Sarah Kohr» ist die einzige große Actionreihe im ZDF. Wie wichtig ist Ihnen, dass körperliche Stärke bei Ihrer Figur immer auch mit innerer Verletzlichkeit verbunden bleibt?
Lisa Maria Potthoff: Ich denke, Sarah ist in ihrem Leben schon durch viele dunkle Zeiten gegangen und hat dadurch gelernt, eine Überlebenskünstlerin zu werden. Sie hängt aber nicht bedingungslos am Leben, war schon oft in Lebensgefahr. Dadurch ist sie recht unerschrocken und eine wirkliche Gefahr für jeden Gegner.

Was haben Sie durch die Arbeit an den Stunts über Vertrauen, Disziplin und Teamgeist gelernt – und gibt es eine Szene, die Sie nie vergessen werden?
Mathis Landwehr: Dass genau diese drei Punkte die Grundpfeiler für eine gute Zusammenarbeit sind und elementar wichtig, wenn man gemeinsam an Kampf und Actionszenen arbeitet – und genau das war mit Wanja Götz und Lisa Potthoff der Fall. Wir haben perfekt zusammen funktioniert. Für mich war "Sarah Kohr - Im Schatten“ nach über 25 Jahren in der Actionbranche eine der besten Erfahrungen, die ich je machen durfte.

Eine Szene, die ich wohl nie vergessen werde, war das Ende des Films, als Lisa und ich auf dem Boden um ein Messer ringen. Es war fast am Ende des Drehtags, es war heiß und wir waren alle schon ziemlich durch. Als dann Lisa eine Blendgranate unter meine Weste schieben sollte, Wanja daran fast verzweifelte und ich wie in der Sauna zu schwitzen begann, nahm die Absurdität der Szenerie mit jeder Minute zu.

Lisa Maria Potthoff: Oh ja, das war ein sehr besonderer Tag. Mathis und Wanja hatten die meisten Sequenzen der Kampfchoreos mit mir nur in Slow-Motion geübt. Anders als sonst, wo wir auch versuchen, in Proben schon das Drehtempo mit unseren Bewegungen zu erreichen. Beide Jungs meinten immer nur: „Ja, ja. Das machen wir vor Ort, das kriegst du dann schon hin.“ Sie vertrauten darauf, dass ich funktionieren werde. Ich war mir dessen kein bisschen sicher. Am Tag des von Mathis erwähnten Kampfes kam das „321go“ von Wanja und ich habe meinen Körper dabei beobachtet, wie er all die Bewegungen zusammen mit Mathis in einem perfekten Flow gemacht hat. Ich war eher Zuschauerin meines eigenen Tuns als Macherin. Das war für mich magisch und ein großer Erkenntnismoment als Performerin.

Generell war die Drehzeit voll von Freude am Tun. Mit Freunden zu arbeiten, die man für ihr Können auch noch bewundert - es gibt nichts Schöneres.

Vielen Dank für Ihre Zeit!

Die Folge „Im Schatten“ von «Sarah Kohr» ist am 3. November 2025 um 20.15 Uhr im ZDF zu sehen. Die Folge ist seit 25. Oktober in der ZDFmediathek abrufbar.

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