Als wir die Recherche gestartet haben, sind wir direkt über den verniedlichenden Namen „Nannerl“ gestoßen. Dazu die Tatsache, dass sie mit 14 aufgrund ihres Geschlechts von der Bühne gestoßen wurde, nachdem sie eigentlich das erste Mozart-Wunderkind war. Denn tatsächlich hat Vater Leopold erst nachdem sie „abgewählt“ war, alle Energie in Amadeus gesteckt, um ihn zum Superstar zu machen.
Maria Anna ist dann den Großteil ihres Lebens an Amadeus‘ Seite gewesen und wir haben das einfach einen Schritt weitergedacht. Was, wenn sie nicht nur an seiner Seite gewesen wäre? Wenn sie eingesprungen wäre, als Amadeus, wie es jeder gute Rockstar tut, grandios abstürzt. Schließlich ging es um die Marke Mozart, um ihren Bruder und letztendlich um Maria Anna selbst und ihr Talent.
Die Serie versteht sich als moderne Neuinterpretation des Mozart-Mythos. Wie haben Sie diesen Balanceakt gestaltet – zwischen historischer Authentizität und zeitgenössischer Bild- und Musiksprache?
Amadeus ist mit nur 35 Jahren gestorben. Wir erzählen mit ihm Maria Anna und auch Antonio Salieri, die alle unter 30 waren. Die Themen, die unsere Protagonisten verhandeln sind heutige Themen: Wie kommt man in einer Familie zurecht, die dabei ist, zu zerbrechen? Wie findet man sich? Wie kommt man mit beruflichen Herausforderungen zurecht? Und wie ist das nun wirklich mit der Liebe? Und eine weitere Frage hat uns umgetrieben: Welche Musik würde Mozart heute machen, wenn er heute ein Superstar wäre. Da sind wir sehr schnell in der Geschichte und im Musikkonzept auf sehr spannende Antworten gekommen, die wie wir glauben, dem Mythos Mozart und den Anforderungen einer modernen Serie gerecht werden.
Wir wollten auf keinen Fall ein Remake von «Amadeus» oder ein staubiges Biopic machen. Vor 250 Jahren haben die handelnden Menschen ihre Geschichte in ihren Briefen gemanagt. Wir managen unsere Geschichte, damit sie für ein modernes Publikum relevant ist. Man kann keine Mozart-Serie machen, ohne seine Musik, man kann aber auch Musik verwenden, die heute so modern ist, wie Mozart es vor 250 Jahren war.
Die Geschwisterbeziehung zwischen Maria Anna und Wolfgang Amadeus ist voller Zuneigung, aber auch Rivalität. Was war Ihnen bei der emotionalen und dramaturgischen Umsetzung dieser Dynamik besonders wichtig?
Zunächst war mir und meiner Ko-Autorin Swantje Oppermann wichtig, Maria Anna nicht als „nur die Schwester von“ darzustellen. Und unsere Heldin verbietet sich „Nannerl“ genannt zu werden. Sie ist eine moderne Figur, die Amadeus kreativ und visionär vollkommen ebenbürtig ist. Und in unserer Serie ist sie noch ein ganzes Stück mutiger als ihr Bruder. Wir glauben, dass sich unsere Zuschauer sofort in sie verlieben werden und mit ihr mitfiebern, ob sie alle Herausforderungen meistern wird, die wir ihr in den Weg gelegt haben. Der Konflikt zwischen den Geschwistern beeinflusst auch den Blick von Amadeus auf seine Schwester, ebenso wie Maria Annas Blick auf sich selbst. Wie so ein familiärer und kreativer Konflikt ausgeht, hat uns sehr interessiert. Deswegen steht Maria Annas emotionale und kreative Reise im Fokus unserer Serie.
«Mozart/Mozart» ist ein ARD-Premiumprojekt, das sich bewusst vom klassischen Kostümdrama absetzt. Welche stilistischen oder erzählerischen Entscheidungen tragen dazu bei, dass sich die Serie frisch, mutig und modern anfühlt?
Da hat vor allem unsere Regisseurin Clara Zoë My-Linh von Arnim ganz tolle Arbeit geleistet, indem sie mit unserem Team eine ganz neue Welt geschaffen hat, in der anachronistische Elemente wie zum Beispiel die künstlich langen Fingernägel der französischen Kaiserin einen Platz finden.
Auf erzählerische Ebene trägt sicherlich auch die Liebesgeschichte nach dem „Enemy-to-Lovers“ Prinzip dazu bei, dass sich das junge Publikum hier genauso abgeholt fühlt, wie die klassischen Musikfans.
Mit Havana Joy und Eren M. Güvercin haben Sie zwei junge Talente in den Hauptrollen besetzt. Was hat Sie an dieser Besetzung überzeugt, und wie haben die beiden Ihre Vision der Figuren geprägt?
Bei Havana waren wir uns im Team alle sofort einig, dass sie unsere Maria Anna werden muss. Sie bringt alles mit, was wir uns für die Rolle vorgestellt hatten. Die nahbare Verletzlichkeit, aber auch die Stärke und Anmut einer großen Schwester, die jahrelang im Schatten ihres Bruders steht.
Eren M. Güvercin hat uns tatsächlich einen Perspektivwechsel auf den Mythos der Rockstar-Figur „Amadeus“ ermöglicht. Er bringt alle Qualitäten des Wunderkinds mit und bedient das Ego, das der Figur aufgrund ihrer Historie bedarf, ohne dabei auf klassische toxischen Männlichkeitsideale einzuzahlen. Für uns ein großer Gewinn, um einen modernen Amadeus darzustellen.
Auch hinter der Kamera steckt viel Female Power – mit Regisseurin Clara Zoë My-Linh von Arnim und Filmkomponistin Jessica de Rooij. Wie wichtig war Ihnen diese weibliche Handschrift bei einem Projekt, das explizit eine Frau aus dem Schatten holt?
Für uns war von Anfang an klar, dass wir die Inszenierung dieser Geschichte in die Hände einer Frau geben möchten. Clara Zoe My-Linh von Arnim hatten wir schon während der Entwicklung angesprochen. Sie war praktisch Fan der ersten Stunde. Mich hat sie sofort überzeugt, weil sie sich in Maria Annas Reise wiedergefunden hat: die Geschichte einer jungen Frau, die sich in der Entertainmentbranche durchsetzen muss.
Irgendwann wurde mir klar, dass wir unserer Komponistin und Musik Supervisorin letztendlich bitten, Musik zu komponieren, die mindestens so gut wie Mozart ist, wenn nicht gar ein wenig besser. Zusammen mit Clara haben wir dann eine beeindruckende erzählerische sowie musikalische Metaebene erschaffen, die zeigt, wie Maria Anna es gelingt, die Zuhörenden ihn ihrem Innersten zu berühren.
Die Serie wurde in Litauen und Lettland gedreht. Welche Gründe gab es für diese Drehorte – und wie haben sie geholfen, die opulente, fast märchenhafte Welt der Mozarts zu erschaffen?
Wir drehen seit mehr als zehn Jahren mit unseren unglaublich professionellen Kollegen und Kolleginnen im Baltikum und haben sonst noch keinen Ort gefunden, an dem es ein Team mit einer dermaßen großen Kenntnis, Leidenschaft und Präzision für historische Settings gibt.
Unsere Drehorte – hauptsächlich in der Region in und um Riga und Vilnius - bieten alles, wenn nicht sogar mehr als das, was wir an den historischen Orten in Deutschland und Österreich erzielen könnten. Unkomplizierte, verlässliche Fördermodelle sind natürlich etwas, was jeder deutsche Produzent braucht, um auf diesem Niveau produzieren zu können.
In der Serie begegnen wir historischen Figuren wie Marie Antoinette und Antonio Salieri. Wie viel historische Realität steckt im Stoff – und wo beginnt bewusst die künstlerische Freiheit?
Die Recherche über diese Figuren diente als Ausgangspunkt unserer Erzählung. Es ist immer eine Prise „historische Wahrheit“ dabei. Beispielsweise sind sich Mozart und Marie Antoinette als Kinder begegnet. Salieri war 28, also im gleichen Alter wie Amadeus und Maria Anna. Damit sind wir viel näher an der historischen „Wahrheit“ als der wunderbare Film „Amadeus“ von Milos Forman, wo Salieri ein alter Bösewicht ist. Wir stellen das dann gerne mal auf den Kopf und daraus wurde eine spannende Konstellation zwischen diesen Figuren.
Der Fokus lag immer auf der emotionalen Wahrheit und weniger auf historischer Genauigkeit. «Mozart Mozart» ist eine Dramaserie, keine Dokumentation, und der Blick auf diese Figuren ist immer aus dem Heute und aus Fragen gespeist, die uns als Autorinnen und Autoren interessieren. Wir wollen unterhalten und die Gefühle können gerne genauso so spektakulär sein, wie unser Szenenbild.
Musik spielt naturgemäß eine zentrale Rolle. Wie sind Sie an den Soundtrack herangegangen, der klassische Elemente mit modernen Beats verbindet?
Wir haben uns gefragt, wie die Musik sich heute anhören müsste, damit sie denselben Effekt auf die Menschen hat, wie Mozart damals auf sein Publikum hatte.
Wir wollen Menschen ansprechen, die klassische Musik lieben, aber auch solche, die das nicht tun. Musik hat eine unleugbare Macht, Menschen zusammen zu bringen. Das ist letztendlich auch ein Teil unserer Erzählung. Wir hoffen, dass die Liebe zur Musik möglichst viele Menschen vor einem Bildschirm, groß oder klein, versammelt.
Wir haben Mozarts Themen dekonstruiert und neu orchestriert – mit Loops, Synthesizern und gebrochenen Harmonien gearbeitet. Die Frage nach dem richtigen Verhältnis zwischen Klassik und modernen Elementen stand für uns dabei immer im Mittelpunkt.
«Mozart/Mozart» erzählt von Selbstbestimmung, Kreativität und dem Mut, seinen eigenen Ton zu finden. Wollen Sie damit die Zuschauer motivieren, Ihren eigenen Weg zu gehen?
Gut erkannt. Genau das ist eine Grundaussage unserer Serie. Ich habe zwei Töchter, denen ich immer vermitteln wollte, dass sie Glück und Erfolg finden werden, wenn sie sich nicht unterkriegen lassen, auf ihre Talente vertrauen, und bei aller harten Arbeit nicht vergessen, viel Spaß am Leben zu haben. Wenn «Mozart Mozart» diese Idee einem größeren Publikum nahebringt, werte ich das als den bedeutendsten Erfolg, den eine Serie haben kann.
Vielen Dank für Ihre Zeit!
«Mozart/Mozart» ist seit 12. Dezember 2025 in der ARD Mediathek abrufbar. Die Folgen laufen am 16. und 17. Dezember jeweils um 20.15 Uhr bei Das Erste.






Quotencheck: «Wer stiehlt mir die Show?»

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