Hingeschaut

«The Greatest Night in Pop»: Weniger ist mehr!

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Netflix hat in einer Dokumentation die Entstehungsgeschichte des Multi-Performer-Songs „We Are the World“ nachgezeichnet. Herausgekommen ist ein beeindruckendes Stück Musikgeschichte, an dem kein Gramm Fett zu viel ist.

Zum Jahrestag der Aufnahme-Session des Multi-Performer-Songs „We Are the World“ hat Netflix eine 96-minütige Dokumentation veröffentlicht, in der zahlreiche beteiligte Künstler ihre Erinnerungen teilten. Allen voran steht Lionel Richie, der mit Michael Jackson gemeinsam die Idee von Harry Belafonte umsetzte und den Song verfasste. Belafonte selbst war 1963 in Washington D.C. dabei gewesen, um gemeinsam mit Martin Luther King und unzähligen weiteren Bürgerrechtlern für das Civil Rights Movement zu demonstrieren. Der Entertainer bekam 1984 die Idee für das Gemeinschaftsprojekt, als Bob Geldorf gemeinsam mit zahlreichen britischen und irischen Künstlern wie David Bowie, Sting, George Michael, Paul McCartney, Phil Collins und „U2“-Sänger Bono den Weihnachtshit „Do The Know It’s Christmas“ aufnahm.

Gedacht, getan. Und so beginnt die Doku mitten im Gewirr aus den bekanntesten amerikanischen Stimmen der damaligen Zeit. Ray Charles trifft auf Paul Simon, Bruce Springsteen auf Stevie Wonder, Michael Jackson auf Cyndi Lauper, Kenny Loggins auf Bob Dylan, Billy Joel auf Tina Turner. Das Who's who der Musikbranche hat sich am Abend der Verleihung der American Music Awards in einem Tonstudio am Beverly Boulevard in Los Angeles versammelt, um letztlich Geld für hungernde Menschen in Afrika, und Äthiopien im Besonderen zu sammeln. Dementsprechend hängt auch ein Schild mit der Aufschrift „Gebe dein Ego an der Garderobe ab“ an der Tür.

Neben der Tatsache, dass all die zahlreichen Künstler an den Mikrophonen standen, war das Besondere an „We Are the World“, dass die Musiker nur eine Nacht für die Aufnahme zur Verfügung standen. Es half natürlich, dass einige Musiker ohnehin wegen der Preisverleihung in der Stadt waren. Andere wie Bruce Springsteen, der seine Tour wenige Stunden zuvor beendete hatte, wurde extra aus dem verschneiten Buffalo eingeflogen. So erzählt der erste Teil der Doku die Entstehungsgeschichte und die Planung hinter «The Greatest Night in Pop» - oder besser: Produzent und Songschreiber Lionel Richie lässt die Geschichte Revue passieren.

Der ehemalige Frontmann der „Commodores“ nimmt auf einem Stuhl Platz und erzählt, wie es sich damals zugetragen haben soll. Wie er sich mit Michael Jackson Zeit nahm, um den Song zu schreiben, an dem eigentlich auch Stevie Wonder mitschreiben sollte. Das berühmte Duo war wichtig für die Botschaft hinter dem Song, denn es sollten Afro-Amerikaner hinter dem Projekt stehen, um dem Ganzen Authentizität zu verleihen. Wie groß die Bedeutung von „We Are the World“ werden würde, ahnten sie wohl bereits beim Schreiben, auch wenn vor allem Michael Jackson so manche Ernsthaftigkeit vermissen ließ. Es lief jedenfalls bereits bei diesem Prozess eine Kamera. Jackson ließ sich dennoch immer wieder ablenken und spielte wahlweise mit einer Riesenschlange oder seinem berühmten Schimpansen Bubbles, den er Richie unter die Nase hielt. Untermalt wird das Erzählte von eindrucksvollen Originalaufnahmen.

Hier kommt ein kleiner Kniff zum Tragen, der beim Anschauen der Doku nur anfangs etwas störend wirkt: Der Film wurde im 4:3-Bildformat produziert. Was auf heutigen Großbildschirmen darin mündet, dass an den Seiten schwarze Balken erscheinen, dient aber dem Zweck, dass nicht ständig zwischen den Formaten gewechselt wird, wenn Original-Aufnahme auf heutiges Interview-Bild trifft. Der Wechsel wäre sicherlich weitaus störender geworden.

Grundsätzlich muss man Netflix ein großes Lob aussprechen. Die Macher schafften es allerhand Starpower vor die Kamera zu locken, dennoch produzierte man weniger als 100 Minuten. Wo andere Sachverhalte auf vier, sechs oder gar acht Folgen entzerrt und gestreckt werden, regiert hier das Motto: Weniger ist mehr. Sicherlich hätte man dem Songwriting-Prozess eine Folge widmen können, genauso wie der Vorbereitung im Studio, in die enorme Kreativität floss, um eine möglichst gute Stimmung zu erzeugen. Auch die Wahl, welche Sänger auf welchen Sänger in den Strophen folgen würde, war alles andere als zufällig angeordnet. Unter anderem diente Starproduzent Quincy Jones als fulminanter Chormeister dieses hochtalentierten, aber zuweilen ungeduldigen Haufens. Stattdessen kamen neben den Stars auch die Produzenten des Liedes zu Wort und berichten kurz und bündig von den Schwierigkeiten hinter den Kulissen.



Dennoch hat man zu keiner Zeit das Gefühl, es fehle etwas. Zu gerne lauscht man den Ausführungen von Lionel Richie, der das Aufeinandertreffen von Bob Dylan, der sich bei der Aufnahme sichtlich unwohl fühlte und nie als großer Sänger galt, mit dem stimmgewaltigen Stevie Wonder interessant und stets unterhaltsam einordnet. Nicht einmal Prince kann man im Nachhinein böse sein, dass er auf seine Mitarbeit verzichtete. Herausgekommen ist ohnehin ein Meisterwerk der Popmusik.

Und man erkennt am Ende, wie gut der Song tatsächlich ist. Denn während des 96-minütigen Films wird kaum ein anderes Lied gespielt als „We Are the World“, dessen finale Version am Ende des Films noch einmal vorgetragen wird und man als Zuseher und -hörer dabei förmlich nach jeder Songzeile giert. «The Greatest Night of Pop» ist ein beeindruckendes Stück Musikgeschichte.

«The Greatest Night of Pop» ist bei Netflix verfügbar.

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