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Warum Fake-News haften bleiben

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Politiker können mit recht plumpen Methoden die Menschen für ihre Thesen begeistern. In den Staaten musste Kerry um seinen Ruf kämpfen, in Deutschland ist eine Vertreterin der Alternative für Deutschland sehr umtriebig.

Als Donald Trump im November 2016 als amerikanischer Präsident gewählt wurde, war nicht abzusehen, welche Ausmaße der Feldzug des früheren Fernsehstars gegen die amerikanischen Medien annehmen würde. Eine Dekade eher gab das «The Apprentice»-Gesicht dem NBC-News-Moderator Chris Matthews eine deutliche Ansage auf den Weg: Die Republikaner bauten George W. Bush als Helden auf, obwohl er beim Vietnamkrieg in der Texas Air National Guard diente, während John Kerry für seine Tapferkeit ausgezeichnet wurde. Bei den Mitgliedern von Veterans for Truth handelt es sich nach eigenen Angaben um Vietnamkriegsveteranen, die mit Kerry in seiner Swift-Boat-Einheit gedient hatten und ihn für das Amt des US-Präsidenten für ungeeignet hielten. Dass die angeblich unabhängige Gruppe in Wirklichkeit auf eine Initiative des Wahlkampfteams seines Gegners George W. Bush zurückgeht, wurde von vielen Beobachtern vermutet. Aus diesem Grund ist der Begriff "Swiftboating" als Synonym für eine Art verdeckter politischer Schmutzkampagne in den amerikanischen Sprachgebrauch eingegangen: Fake-News waren schon vor 20 Jahren ein Thema.

Dick Cheney, damaliger Vizepräsident, unterstellte dass John Kerry viel zu schwach als amerikanischer Präsident sei. Mit ihm als obersten Lenker der USA könnte das eine Einladung vieler Staaten sein, in Amerika einzufallen. „Das ist eine schreckliche Aussage“, sagte Trump in das Mikrofon. „Es sei denn, er kommt damit durch“. Das Vortäuschen oder gar Lügen in den Medien ist seit Jahrzehnten völlig normal. Es ist die Aufgabe der Journalisten, diese Aussagen mit Fakten zu widerlegen.

Während die amerikanischen Fernsehsender und Tageszeitungen mit den Aussagen von Trump zu kämpfen hatten, war in der Bundesrepublik Deutschland die Alternative für Deutschland (AfD) ein solcher Kandidat, um falsche Wahrheiten zu verbreiten. Zunächst wurde die Partei vor rund zehn Jahren als Gegenvorschlag zu den etablierten Parteien gegründet. Die Parteispitze um Bernd Lucke war von einem Umschulden von Italien und Griechenland nicht begeistert, seiner Meinung nach hätte man die gemeinsame Währung beenden sollen. Doch mit dem Krieg in Syrien und dem riesigen Flüchtlingsstrom etablierte sich in der Partei seit dem Essener Parteitag im Jahr 2015 ein rechtes Lager.

Die Partei versuchte nicht nur Feindbilder mit ihrer Rhetorik zu erzeugen, sondern auch Klassenunterschiede zu etablieren. Flüchtlinge seien beispielsweise die „Sozialschmarotzer“ (Volker Bartz), der Islam sei eine Bedrohung, Deutschland stünde eine Islamisierung im Haus. Die Alternative für Deutschland setze sich für ein klassisch konservativ-rechtes Weltbild ein. Dass man davon profitieren möchte, zeigt der Lebensstil von Alice Weidel, die mit einer aus Sri Lanka stammenden Frau liiert ist und mit ihr zwei Söhne in einem linksalternativen Milieu in der Schweiz aufzieht.

Doch Bilder von dem Paar sind in der Presse kaum zugegen. Stattdessen befeuert Weidel weiter den Typus des alten Familienbildes, immerhin wollte die Partei ihr Wahlergebnis vergrößern. Ein ähnliches Bild ist auch bei der Christlich Sozialen Union (CSU) beim Politischen Aschermittwoch zu sehen. Ministerpräsident Markus Söder sprach vor über 4.000 Mitgliedern über die „schlechteste Regierung aller Zeiten“ in Berlin und über Fleischalternativen „Wir essen keine Maden, sondern Schweinsbraten“. Im Freistaat geht man mit solchen Parolen auf Stimmenfang. Wie der Sozialpsychologe Jonathan Haid („The Righteous Mind. Why Good People Are Divided by Politics and Region“) schreibt, ist es einfacher Gründe zu konstruieren, die die Personen selbst auch nachvollziehen können, um andere davon zu überzeugen. Heid sagte der Zeitschrift „Reason“: „Je leidenschaftlicher wir einer Sache gegenüber empfinden, desto wahrscheinlicher ist es, dass unser Denken verzerrt und unzuverlässiger ist“. Außerdem wissen die Akteure vor der Kamera, dass emotionale Reaktionen auf Problemstellungen ausgeschlachtet werden können. Daher muss das Ziel eben nicht sein, solche Aussagen entweder auszublenden oder unkommentiert stehen zu lassen. Ein Negativbeispiel sind oft die tagesaktuellen Nachrichten der Fernsehsender mit ihren Berichterstattungen zu Parteitagen oder Berichten aus dem Bundestag. In knapp 15 Minuten gibt es zu wenig Raum, um die vielen Punkte faktisch einzuordnen. Die Politiker wissen nämlich auch: Während «Tagesschau» und andere Formate auf rund 15 Millionen Zuschauer pro Tag kommen, werden die ausführlichen Berichte deutlich weniger gesehen. Informative Formate wie die gesellschafts-politischen Magazine im Ersten erreichen fast nie mehr als vier Millionen Zuschauer, die überregionalen Tageszeitungen kratzen zusammen nicht einmal an der Millionen-Marke.

Im „Atlantic“ schilderte amerikanischer Schriftsteller und Pädagoge Ben Yagoda, dass die Menschen ein Vertrautheitsvorurteil annehmen. Eine Tendenz zum Glauben an Dinge, die oft gehört werden, kann zu mehr Vertrautheit und Glaubwürdigkeit führen. Der Mensch vertraut auf große, fette Schriften („Bild“-Zeitung zum Beispiel) und Aussagen, die leicht zu verstehen sind („Arbeitslose kosten Arbeitnehmern Geld“), das wird in der Wissenschaft als „Fluency Bias“ bezeichnet. Gerade bei der Debatte um Hartz-IV und Bürgergeld wurden Langzeitarbeitslose als Probleme dargestellt. So wurden sie zu Sachständen degradiert, zum anderen wurden ihre Bezüge sanktioniert. Diese Positionen hatten lange Zeit eine deutliche Mehrheit, da oft das Wort „Sozialschmarotzer“ fiel. Ohne den Mindestlohn mussten Arbeitssuchende teilweise prekäre Stellen annehmen. Yagoda sagt, dass hier auch der Framing-Effekt greift.: Die Art und Weise, wie Inhalte präsentiert werden, beeinflusst das Verhalten. Mit dem Beharrungsfehler, also der Neigung trotz widersprüchlicher Belege festzuhalten, wurde das Feindbild manifestiert.

Der Rechtsprofessor Dan Kahan von der Yale University fasst passend zusammen: „Glauben heißt Dazugehören“: Die „identitätsschützende Kognition“. Zurück also zur AfD, die in der Bundesrepublik das Feindbild mit den Flüchtlingen schürte. In den neuen Bundesländern ist die Arbeitslosenquote hoch, teilweise sind mehrere Branchen stark eingebrochen. Sowohl der Braunkohleabbau als auch der Schiffsbau erlebten einen massiven Stellenabbau. Mit rund zwei Millionen neuen Mitbürgern kann man in dünn besiedelten Kreisen, in denen immer mehr Menschen ihren Job verlieren, für diese rechte Partei Stimmen organisieren: Schließlich sitzen viele der Wähler im selben Boot oder haben Freunde oder Bekannte, die einen Stellenverlust erlebt haben.

Die sozialen Medien haben das Bild der Echokammern deutlich verstärkt. Mit Hilfe von Algorithmen bewegen sich die Nutzer oft in Bestätigungszirkeln. Obwohl sie oftmals auch reflektieren, dass sie in einer Gruppe mit ihresgleichen unterwegs sind, greifen nur wenige Menschen zu einem Mittel, um diesem Kreislauf zu entkommen: Man fühlt sich schließlich bei Gleichgesinnten wohl. Auch in Deutschland werden die Medien inzwischen in klare Ecken eingeordnet: Öffentlich-rechtlicher Rundfunk sei nach der Meinung von vielen Menschen eher „links-grün“, während der Axel-Springer-Verlag als „konservativ“ eingestuft werde. Das breite Spektrum mit zahlreichen linken wie rechts-konservativen Themen wird ausgelassen. Schließlich ist die Verkürzung Methode und wird von Diensten wie Twitter mit ihrer Zeichenbegrenzung auch noch gefördert.

Im Grunde genommen arbeiten alle Parteien und Akteure auf das gleiche Ziel hin: Wohlstand, Freiheit und finanzielles Auskommen. Um dieses zu erreichen, sind allerdings unterschiedliche Mittel recht. US-Präsident Donald Trump mag zwar Lügen immer wieder wiederholt haben, dennoch stand das Wohl seines Landes im Vordergrund. Ein Grenzzaun zu Mexiko mag zwar durchaus egoistisch wirken, in den vergangenen 25 Jahren ist die Population der Vereinigten Staaten von Amerika um 30 Millionen gewachsen. Gleichzeitig haben sich viele Demonstranten in Deutschland nicht damit auseinandergesetzt, dass die Europäische Union ebenfalls Grenzzäune und sich mit Hilfe des Mittelmeers vor Flüchtlingen abschirmt. Durch die Besatzungsmächte nach dem Zweiten Weltkrieg, die kulturell einen großen Einfluss auf die Deutschen hatten (Jeans, Fernsehen, etc.) ist Amerikaner viel näher als eine Enklave in Marokko oder Zäune in Ungarn, Serbien und Slowenien.

Unterm Strich kann man den Medien zum Teil den Vorwurf machen, dass sie ihre Berichterstattung so abkürzen, dass entsprechende Meinungen gebildet werden. Der Zuschauer oder Leser darf aber auch nicht davon ablenken, dass ein Thema mehr Platz zur Einordnung benötigt. In dieser vielschichtigen Welt, in der jeder Mensch an so viele Informationen wie noch nie gelangt, ist es umso erstaunlicher, dass dies nicht genutzt wird. Es ist daher schon bezeichnend, dass Nachrichten im Fernsehen seltener konsumiert werden und Tageszeitungen (auch digital) seltener abonniert werden. TikTok, Twitter und Co. lassen sind schnell und überall konsumierbar. Fraglich ist, ob die «Tagesschau» dort auch stattfinden sollte.

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