Die Kritiker

«Friesland – Prima Klima»

von

Ein herrenloses Boot kracht mit einem Segelbötchen zusammen und bringt die Polizisten Özlügül und Cassens eher zufällig auf die Fährte des spurlos verschwundenen Geschäftsführers eines Forschungsinstituts, das damit wirbt, klimaschädliches CO2 unter dem Meeresgrund speichern zu wollen.

Stab

DARSTELLER: Sophie Dal, Maxim Mehmet, Theresa Underberg, Holger Stockhaus, Felix Vörtler, Yunus Cumartpay, Tina Pfurr, Julia Brendler, Birger Schade, Tyron Ricketts, Pablo Sprungala, Jürg Plüss, Annika Martens
REGIE: Patricia Frey
BUCH: Georg Ludy
KAMERA: Thomas Schinz
MUSIK: Tobias Wagner, Steven Schwalbe
PRODUCERIN: Melissa Graj
TON: Oliver Held, Heiko Birkenstock
SZENENBILD: Julian Augustin
Um es vorweg zu nehmen: «Friesland: Prima Klima» ist ein 90-minütiger Spaß, der seine Hauptfiguren herrlich aufspielen lässt, ohne seine Geschichte aus den Augen verliert. Eine Geschichte, die mit einem Pressetermin beginnt. Esther Fehrmansen, Gründerin eines Meeresforschungsinstitutes, will im Hafen von Leer der versammelten Presse ihr Projekt vorstellen. Es sei ihrem Hause gelungen, erklärt sie den Anwesenden, CO2 so zu bündeln, dass man es unterirdisch verwahren kann. Welch ein Schritt für mehr Klimaschutz. Um der Presse ein wenig Show zu liefern, soll der Geschäftsführer ihres Unternehmens mit einem Boot in den Hafen einlaufen, um die Pressevertreter für eine Fahrt auf die Nordsee aufzunehmen, wo Esther ihnen das Projekt vor Ort präsentieren will. Es kommt jedoch anders. Das Boot fährt zwar in den Hafen ein, aber es stoppt nicht. Stattdessen verursacht es einen Unfall und der Geschäftsführer ist nicht an Bord. Süher Özlügül und ihr Kollege Henk Cassens werden zum Hafen gerufen, um den Unfall aufzunehmen. Süher kommt der Unfall mehr als nur seltsam vor. Natürlich kann es sich um ein tragisches Unglück handeln, bei dem der Kapitän über Bord gegangen ist. Doch so einiges wirkt einfach – nicht stimmig. Und so stellt sich heraus, dass der besagte Geschäftsführer tatsächlich Opfer eines Verbrechens geworden ist. Aber anders, als Süher anfangs vermutet: Der Mann ist vom Boot entführt worden und seine Entführer fordern fünf Millionen Euro Lösegeld. Eine Summe, die das Institut ruinieren würde. Allerdings hat deren Geschäftsführerin Esther Fehrmansen irgendwie keine Lust zu zahlen, denn ihr Geschäftsführer hat den Job nur bekommen, weil er ihr vor vielen Jahren einmal das Leben gerettet hat. Sie übertrug ihm die Aufgabe aus Dankbarkeit. Da er sich auf seinem Posten allerdings als ziemliche Niete entpuppt hat, ist seine Entführung jetzt halt nicht so schlimm...

Zwar fokussiert sich das Drehbuch von «Friesland: Prima Klima» sehr auf seine beiden Hauptfiguren und damit auf Sophie Dal und Maxim Mehmet, die einmal mehr ein kongeniales Ermittlerpaar abgeben (das sie, als einfache Streifenpolizisten, ja eigentlich gar nicht sein dürften): Jenseits davon aber bietet dieser Film auch den anderen Darstellerinnen und Darstellern Möglichkeiten, Akzente zu setzen. Julia Brendler etwa ist in der Rolle der Esther Fehrmansen großartig. Mal ist sie in einer Art und Weise kaltschnäuzig, dass ein Eisblock neben ihr wie ein Heizstrahler glüht, dann aber ist sie auch wieder verletzlich: das Institut, erfahren wir, ist für Esther Fehrmansen eben nicht nur eine Geldquelle - es ist ihr Lebenswerk, das gerade ins Wanken gerät. Und das fängt Julia Brendler in ihrem Spiel immer wieder ein.

In früheren Episoden ist die Figur des Kriminalhauptkommissars Jan Brockhorst oft ein Schwachpunkt der Geschichte. Der eingebildete Ermittler ist für gewöhnlich eher ein nervender Hemmschuh auf dem Weg zur Lösung denn ein tatsächlich ermittelnder Part. Dass diese Schwäche nicht Darsteller Felix Vörtler anzulasten ist, beweist diese Episode, in der Brockhorst einmal mehr nervt, sich aber gleichzeitig immer wieder hinterfragt. Es sind seine Treffen mit Esther Fehrmansen, die ihn irritieren. Offenbar sieht er in ihr Charakterzüge, die den seinen nicht ganz unähnlich sind. Was ihn nachdenklich werden lässt. Wie aber geht jemand mit Nachdenklichkeit um, der sonst davon überzeugt ist, das heißeste Schnittchen auf dem Ermittlerteller zu sein? Felix Vörtler interpretiert diese Frage mit einer (gewollt) plumpen Tiefsinnigkeit, die tatsächlich jeden seiner Auftritte wie ein kleines Juwel blitzen lässt. Es macht einfach Spaß.

Spielt die Figur des Bestatters Wolfgang Habedank (Holger Stockhaus) für gewöhnlich eine wichtige Rolle im Personenkarussell der Serie, sind Stockhaus' Auftritte diesmal sehr reduziert. Sie wirken auf den ersten Blick gar so, als habe man ihn einbinden müssen, da Stockhaus nun einmal ein Hauptarsteller der Serie ist → ohne für ihn allerdings eine Aufgabe zu haben. Der kleine Spoiler sei erlaubt: Man darf sich von diesem Gefühl nicht in die Irre leiten lassen. So wie auch Yunus Cumartpay zunächst eher wie ein humoristischer Sidekick wirkt. Yunus Cumartpay ist Yunus, Sühers jüngerer Bruder, der diesmal wegen einer Krabbengeschichte mit einem Restaurantbetreiber aneinandergerät, die seine Schwester irgendwie kitten soll. Auch in seinem Fall gilt: Ganz so nebensächlich, wie die Geschichte wirkt, ist sie nicht.

Wie überhaupt die Geschichte nach und nach eine überraschende Komplexität entwickelt. Spätestens in dem Moment, in dem ein Mord geschieht. Einerseits wirkt dieser Mord, als hätte schon wieder ein Redakteur beim ZDF auf das elfte Gebot bestanden: „Im Abendkrimi muss gemordet werden.“ Doch so einfach ist dies in diesem Fall nicht. Für diesen Mord gibt es tatsächlich ein Motiv, das sich jedoch erst zum Ende hin tatsächlich ergründen lässt. So werden auch Kriminalfilmfreunde an diesen Film Vergnügen finden, die auf klassische Whodunnits stehen. So ergibt sich das große Bild tatschlich erst mit dem Showdown, ohne, dass eine Auflösung aus dem Hut gezaubert werden muss.

Fazit: Humorvoll. Spannend. Durchdacht. Das nennt man dann wohl beste Abendunterhaltung!

Am Mittwoch, 30. März 2022, 20.15 Uhr im ZDF

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