Interview

Lilly Bogenberger: ‚Eine Depression ist behandelbar‘

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Am Mittwoch läuft der Spielfilm «Flügel aus Beton», der sich um Depressionen dreht, im Ersten. Quotenmeter sprach mit der Autorin über die psychische Krankheit.

Am 23. März 2022 debütiert Ihr erster 90-Minüter namens «Flügel aus Beton», der am 30. März im Ersten ausgestrahlt wird. Worauf kann Sie sich der Zuschauer freuen?
Mein erster alleiniger 90-Minüter 😉 «Flügel aus Beton» ist ein Drama/Thriller über eine junge Referendarin, die merkt, dass hinter dem Suizid einer Schülerin mehr steckt als zunächst gedacht. Auf der Suche nach den wahren Hintergründen stößt sie auf eine gefährliche Online-Challenge, die sie ihren eigenen Abgründen immer näher bringt.

Früher wurde das Thema Selbsttötung oftmals unter den Teppich gekehrt. Ist es daher sinnvoll, sich mit Depressionen und den Gedanken von Selbstmord kritisch auseinander zu setzen?
Ja, ist es. Betroffene fühlen sich oft isoliert und alleine. Fernsehen kann viel dazu beitragen, solche Dinge zu normalisieren und ihnen das Tabu zu nehmen – den Betroffenen zu vermitteln: Du bist nicht der/die Einzige mit diesen Problemen, die Thematik gehört ernst genommen und es gibt Hilfe dafür.

Sie haben selbst mit Depressionen gekämpft und haben das Thema öffentlich gemacht. Autoren wie Ferdinand von Schirach und Ronja von Rönne haben selbst darunter gelitten. Ist es für Sie wichtig, das Thema in der Öffentlichkeit anzusprechen?
Ich habe einen Film darüber geschrieben, wie wichtig es ist, über solche Themen zu reden. Ich fände es heuchlerisch von mir, es dann nicht selbst zu tun. Insofern, ja, es ist mir sehr wichtig. Wenn wir Depressionen normalisieren, dann wird es leichter werden, für Betroffene zu sehen: Oh ja, das habe ich. Das ist nicht mein persönliches Versagen, dass es mir so geht, dass ich alles nicht mehr schaffe, das ist eine Krankheit, die ganz viele Menschen haben, und ich lasse die jetzt behandeln.

Was können Sie eigentlich unseren Lesern raten, die selbst an Depressionen erkrankt sind?
Mit anderen darüber reden. Nicht alleine leiden, nicht stoisch die Zähne zusammenbeißen um die anderen nicht zu „belasten“. Und, ganz wichtig: sich professionelle Hilfe holen. Eine Depression ist behandelbar. Man kann sie heilen. Wenn man mittendrin steckt, kann man sich oft gar nicht mehr vorstellen, wie schön das Leben eigentlich sein kann. Aber es ist richtig, richtig schön, und es lohnt sich, dafür zu kämpfen.

Sie haben bereits in frühen Jahren bei diversen Münchener Produktionsfirmen gejobbt. Wie hat Ihr Einstieg geklappt?
Ach, „Einstieg“ klingt so geplant und vernünftig 😀. Ich habe mit 17 die Schule geschmissen und Praktika gemacht – bin also ganz klischeehaft in die „große“ Stadt gezogen und zum Film gegangen. Und dann habe ich, obwohl ich kein Abitur habe, den Master in „Serial Storytelling“ an der ifs Köln studiert. Ich habe mich beworben, weil der Studiengang so perfekt für mich klang, dass ich mich nicht nicht bewerben konnte. Die ifs hat mich tatsächlich genommen und dann durfte ich dort studieren. Also, eigentlich war es wegen meiner fehlenden Qualifikationen offiziell eine „Weiterbildung“. Der einzige Unterschied: Die Abschlusszeugnisse der anderen sind goldumrahmt, meines nicht.

Als Sie studierten, schrieben Sie bereits Bücher für die RTL-Serie «Der Lehrer». Da waren Ihre Kommilitonen sicherlich neidisch?
Ein paar vielleicht. Aber das habe ich nicht wirklich mitbekommen. Ich habe ja von 10 bis 17 Uhr studiert und von 18 bis 23 Uhr geschrieben. Teilweise hatte ich die Telefonate mit der Produktion am Sonntagvormittag. Wirklich viel Zeit blieb da nicht, um darauf zu achten, wer wie neidisch auf mich war.

«Flügel aus Beton» ist in der ARD Mediathek verfügbar.

Welches Mitspracherecht hatten Sie als Autorin bei «Flügel aus Beton»?
Bei «Flügel aus Beton» hatte ich ein großartiges Team, die meinen Input als Autorin sehr ernst genommen haben. Ich hatte bei allen großen Entscheidungen Mitspracherecht: die Auswahl der Regie, das Casting, die Änderungen kurz vorm Dreh. Das war wunderbar.

Waren Sie bei der Produktion der Odeon-Fiction-Serie am Set?
Nein! Ich wäre gerne da gewesen, aber wegen Covid war das sehr kompliziert.

Das deutsche Privatfernsehen produziert derzeit fast nur Reality-Fernsehen und Factual- Formate. Würden Sie sich freuen, wenn Sie auch dort ein Projekt unterbringen könnten?
Auf jeden Fall. Ich kann halt nur die Geschichten schreiben, die ich schreiben kann. Aber ich kenne sehr liebe und kompetente Leute bei den Privaten, mit denen ich gerne mal arbeiten würde (und es teilweise auch schon habe).

Mit «Flügel aus Beton» haben Sie bereits einen schweren Stoff bearbeitet, was folgt bei Ihnen als Nächstes?
Der nächste Stoff dreht sich um Vergewaltigung – ein ZDF-90er für den Montagabend in Co- Autorenschaft mit David Weichelt, der nicht nur mein Co-Autor, sondern auch mein Verlobter ist. Der ist auch schon abgedreht (also der Film, nicht der Mann). Ich mag schwere Stoffe, und habe noch ein paar davon in der Pipeline. Aber ein paar humorvolle Geschichten sind auch dabei! Trotzdem sind auch in den lustigen Stoffen immer düstere Themen drin. Bei mir ist es so: wenn ich melancholische und verletzliche Themen schreibe, dann hab‘ ich da ein Ventil und bin am Rest des Tages quietschfidel und gut gelaunt. Würde ich nur heile-Welt-Stoffe schreiben, wäre ich ein Trauerkloß.

Herzlichen Dank für das Gespräch!

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