Interview

Daniel Popat: ‚Wir sind eine improvisierte Mumblecore-Serie‘

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Der «Dahoam is Dahoam»-Schauspieler hat seine eigene achtteilige Serie geschrieben, die von der ARD gekauft wurde. Im Quotenmeter-Gespräch erzählt Popat die Entstehungsgeschichte.

Sie sind in München geboren, wie oft wurden Sie dennoch schon gefragt, woher Sie kommen?
Copy paste beim Sprechen wäre ja auch mal genial 😉 Meine Mutter stammt aus Indien, mein Vater aus Afghanistan. 1990 erblickte ich in München das Licht der Welt und bin als 13-Jähriger mit der Familie nach Berlin gezogen.

Oftmals kritisieren Schauspieler, dass sie nur Klischee-Rollen angeboten bekämen. Sie haben sich jetzt ganz freiwillig für «All In» gemeldet?
Gemeldet habe ich mich nirgends, wenn überhaupt habe ich mich 2017 an der Filmakademie Baden-Württemberg beworben. «All In» ist 2019 im Rahmen meines Regiestudiums entstanden. Ich habe mich quasi selbst besetzt. "Klischee-Rollen" hatte ich allerdings auch... für Arbeit grundsätzlich bin ich aber immer dankbar.

Sie und Ihr Kollege Marco Hülser haben das Buch und die Regie an der neuen Serie übernommen, die ab 20. März in der ARD Mediathek zu Verfügung steht. Wie sah der Entstehungsprozess hinter «All in» aus?
"Buch" ist vielleicht ein bisschen viel gesagt. Wir sind eine improvisierte Mumblecore-Serie und diese Machart definierte letztlich den Entstehungsprozess. An der Filmakademie dreht man eigentlich bis zum dritten Studienjahr Kurzfilme, wir hatten aber bereits im zweiten Studienjahr Lust mal ein anderes Format zu wagen und so kam es zur Idee einer Webserie. So ganz konnten wir unsere Dozenten nicht mit unserem Vorhaben überzeugen und haben das Projekt notgedrungen als Kurzfilm verkaufen müssen, um irgendwie den Auflagen gerecht zu werden. Mit dem Claim "Dick und Doof im Jahre 2019" haben wir versucht andere Studierende an der Filmakademie für unser chaotisches Vorhaben zu begeistern. Mit Markus, Kameramann, stieß ein Wahnsinniger ins Team, ansonsten war der Pitch ziemlich vergebens. Marco und ich sind dann für die ersten vier Folgen der Serie selbst in gefühlt alle Posten hinter der Kamera geschlüpft. Ich zum Beispiel war: Producer, Setfahrer, Regisseur, Schauspieler, Streitender, Editor, Streitschlichter, Caterer, Requisiteur etc. pp. Das ganz gewöhnliche Leben eines Filmstudenten halt.

Als die ersten vier Folgen gut ankamen, konnten wir damit auch unsere betrogenen Dozenten vertrösten. Die UFA (einige UFA Produzenten dozieren in Ludwigsburg) hat uns dann motiviert und dankenswerterweise dabei unterstützt vier weitere Folgen zu realisieren. Ab dem Moment wuchs das Team um zwei weitere gute Partner. Lukas, Producer und Chris, Editor. Mit einer ersten Staffel von acht Folgen gingen wir schließlich hausieren. Die ARD hat letztlich zugeschlagen.

«All In» ist eine Produktion der Filmakademie Baden-Württemberg, die dann die ARD Degeto erworben hat. Haben Sie das Format angeboten – oder hat die ARD Degeto Sie aktiv angesprochen?
Der Vollständigkeit halber müsste man erwähnen, dass bevor wir offiziell mit der ersten fertigen Staffel aktiv raus gingen, hatten wir an der Filmakademie ein Seminar mit Christoph Pellander, Redakteur bei der Degeto. Und wie das halt so ist, putzt man als Nachwuchs Klinken und so sendete ich Christoph nach dem Unterricht einen Link zu «All In» zu. Das war der Erstkontakt. Aber so richtig aufmerksam auf uns wurde man erst mit Hilfe der UFA.

Sie haben vor knapp zehn Jahren zum Ensemble der Telenovela «Rote Rosen» gehört. Warum haben Sie die Serie verlassen?
In Telenovelas endet die Story innerhalb einer Staffel, damit wird auch größtenteils der Darstellerstab ausgewechselt. Keine Ahnung. Vielleicht kam hinzu, dass meine Rolle "Rajan" womöglich bei den Zuschauern nicht so ankam. Anders hingegen ist es aktuell in der BR-Daily «Dahoam is Dahoam», in der ich seit letztem Jahr den indischen Pfarrer Burman spiele. Öfters mal lese ich, dass der Pfarrer wohl ziemlich gut ankommt. Balsam fürs Schauspieleregoherz. Ja, zwei indische Hauptrollen für den ein und denselben Schauspieler, beide Male in den Öffentlich-Rechtlichen, wie war das nochmal mit den "Klischee-Rollen"?

Nach Ihrem Studium an der Schauspielschule Anton Bruckner in Österreich und East 15 Acting School in England waren Sie beim Sender ZeeOne beschäftigt. Hatten Sie mit Ihrem Team überhaupt die Chance, den Markt nachhaltig aufzurütteln?
Nachhaltig? Der Sender hat sich 2020 verabschiedet, nachdem er 2016 erst gelauncht wurde. Ich kann nur mutmaßen, was das Aus für den Sender gewesen sein könnte. Ich meine, dass die Anpassung der Bollywood-Schinken an das Publikum hierzulande und an die westliche Sehgewohnheit sich als ein Graus für den Sender herausstellen sollte. Bollywood war hierzulande nicht ganz unbekannt, als um Jahrtausendwende herum RTLZWEI bereits anfing indische Kassenschlager auszustrahlen. Aber danke für die Frage. Ich möchte mich als Filmemacher auch mal in Indien probieren. Einige Kontakte sind geknüpft, Ideen wären da, auf den richtigen Zeitpunkt wart ich noch.

Ihre Mutter stammt aus Indien, Ihr Vater aus Afghanistan. Dort gab es zwar auch Ableger wie «The Voice». Können Sie beschreiben, wie sich das dortige Fernsehen von unserem unterscheidet?
Das indische «The Voice» kenne ich jetzt nicht. Aber womöglich nicht die erste indische Adaption deutscher Unterhaltungsformate. Die Inder haben den Deutschen bereits «Wer wird Millionär?» geluchst, sogar mit einem kaum abweichend klingenden Soundtrack. Zur Frage. Vielleicht erst einmal was haben deutsches und indisches Fernsehen gemeinsam? Die alte Zuschauerschaft. Welcher junge Mensch hat heut noch Zeit und Lust um sich zu einer bestimmten Uhrzeit an einem bestimmten Tag für eine bestimmte Sendung vor den Fernseher zu hocken? Das kommt ja Hausarrest gleich. Davon abgesehen kenne ich persönlich kaum (junge) Leute, die tatsächlich einen Fernseher besitzen. Das gilt auch für Youngsters in Indien. Gegenbeispiel. Meine Oma in Mumbai hat drei indische Telenovelas, die sie täglich zur einer bestimmten Uhrzeit vor den Fernseher binden. Ich finde das schön! Bin ich doch ein TV-Kind der 90er. Unterschiede? Das indische Fernsehen arbeitet mit einer Superlative an Emotionen. Musik, Kameraführung drücken mehr auf die Tränendrüse. Schauen Sie sich allein eine x-beliebige Werbung für Waschmittel an. Da wird gefühlt im Aufwand eines «König der Löwen» Musicals geworben. Wobei «Dahoam is Dahoam» ist auch nicht ohne. Aber hey, es funktioniert und erfolgreich ist es auch.

Haben Sie eigentlich durch Ihre Familie noch Kontakt zu Familienfreunden? Im vergangenen Sommer haben sich in Kabul und anderen Teilen des Landes unfassbare Szenen abgespielt.
Meine afghanisch-hinduistische Familie lebt seit Jahrzehnten im Exil. Wir unter anderem in Deutschland. Mein in Kandahar geborener Vater empfindet Enttäuschung, Schmerz und Wut. Was genau hat der Westen eigentlich in 20 Jahren in Afghanistan bewirkt? Sind die Trümmer und Gräben jetzt nicht gar größer als zu Beginn? Mich persönlich beschämt, dass teilweise die deutsche Politik und Berichterstattung meint, man solle und könne gar mit der mörderischen Taliban verhandeln. Das ist absurd!

Haben Sie ein bestimmtes Projekt, das Sie in nächster Zeit angehen möchten?
Yes! Ich arbeite an einem fiktionalen Stoff zum Thema Altersarmut in Deutschland. Das Thema ist akut und wird uns in den nächsten Jahren verstärkt um die Ohren fliegen. Wäre schön, wenn das ein Kinofilm wird. Im Juli diesen Jahres mache ich dann mein Diplom an der Filmakademie in Ludwigsburg.

Neben der ARD Mediathek, wird «All In» am 19. März auch bei One ausgestrahlt. Schauen Sie noch lineares Fernsehen oder sind Sie Dauernutzer von Netflix & Co.?
Ich besitze keinen Fernseher. Vielleicht hol ich mir einen, wenn ich mal ansässig werde. Derweil sitze ich mit dem Laptop aufm Schoß und konsumiere nebst Netflix und Co. deutsche Mediatheken - diese sind nicht zu unterschätzen. Ich hörte kürzlich, dass «All In» dort bald zu sehen ist. Einschalten, bzw. anklicken! Es lohnt sich. Danke für das Interview.

Vielen Dank für das Gespräch!

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