Mich persönlich hat an der neuen Episode „Tod einer Nonne“ das Thema Gewalt besonders gereizt und herausgefordert. Ich setze mich seit Jahren für die Beendigung der Gewalt gegen Frauen ein, sei es im Rahmen meiner Arbeit für die Kindernothilfe oder die UNO-Flüchtlingshilfe oder aus einem zivilgesellschaftlichen Impuls heraus. Ich bin dann als Spielerin sehr dankbar, wenn Filme, die ich als Filmschaffende mittransportieren kann, relevante Themen beinhalten. Der drastische Anstieg der Gewalt gegen Frauen, auch in unserem Land, ist eine Tatsache, der wir uns auf allen Ebenen aktiv stellen müssen und auch Filme können dazu einen Beitrag leisten.
In Rom trifft Ihre Figur auf ein Machtgefüge aus Kirche, Diplomatie und Schweigen – was war für Sie darstellerisch die größte Herausforderung an diesem Stoff?
Die Balance zu halten zwischen der berechtigten Wut und Ohnmacht sich diesem Schweigekartell zu widersetzen und es eben auch klar zu markieren und sich gleichzeitig dem Machtapparat Kirche realitätsnah und respektvoll anzunähern und auch die Menschen im Blick zu haben, die ihren Glauben und ihre Sicherheit genau in dieser Kirche gefunden haben. Die Ambivalenz dieser beiden Wahrheiten muss man aushalten. Karla Lorenz schießt über das Ziel hinaus und wird ja dann auch suspendiert – alles daran habe ich gefeiert.
Die Geschichte berührt ein heikles Thema: Missbrauch in kirchlichen Strukturen. Wie sind Sie mit dieser Verantwortung in der Vorbereitung umgegangen?
Für unsere Geschichte hat unsere fantastische Autorin Rebecca Mahnkopf sehr genau recherchiert über die Fälle, die bekannt sind. Unser Film basiert dennoch nicht speziell auf einem dieser Fälle, sondern ist fiktiv. Auch ich habe mir im Vorfeld etliche dokumentierte Fälle von strukturellem sexuellem Missbrauch in der katholischen Kirche einverleibt. Erschütternderweise gibt es sehr viel Material über die Jahrzehnte, im Widerspruch zu einer sehr geringen Zahl an Aufklärungen und Strafverfolgungen.
Die Opfer kämpfen einen sehr einsamen Kampf, obwohl die Beweislage eindeutig ist.
Ihre Figur Karla Lorenz kämpft in diesem Film erneut für Gerechtigkeit – oft gegen massive Widerstände. Was bewundern Sie persönlich an ihr?
Es ist eben genau ihr Sinn für Gerechtigkeit, den ich an dieser Figur so sehr liebe. Ihr ist es egal, wenn sie selbst dabei auf der Strecke bleibt: in dieser Episode wird sie erstmal gefeuert, später für den gleichen Sachverhalt gelobt.
Aber Karla Lorenz ist eine Überzeugungstäterin, sie würde sich nie scheuen ihre Wahrheit zu sagen, in diesem Sinne ist sie vollkommen unbestechlich und kompromisslos.
Regisseur Roland Suso Richter inszeniert Rom hier nicht nur als prachtvolle Kulisse, sondern auch als bedrohlichen Ort. Wie haben Sie den Dreh vor Ort erlebt?
Voller Widersprüche und opulent. Da ist eben dieses unglaublich schöne Rom, das sich wie eine allumfassende Filmkulisse offenbart. Alles an dieser Stadt ist schön, auch die morbiden Seiten. Wir haben zum Beispiel in der ´Schlange `/ Corviale gedreht, ein sagenumworbener Wohnkomplex aus den 70er Jahren. Das Gebäude ist 1 Kilometer lang und für seine monumentale Architektur und seine sozialpolitische Symbolik bekannt. Ein Ort voller Legenden und sicher nicht das typische „Rom-Bild“. Das mag ich eben auch so sehr an unserer Reihe, dass sie sich nicht scheut die unangenehmen Seiten zu beleuchten – inhaltlich, formal und emotional.
Die Beziehung zwischen Ihrer Figur und der Ermittlerin Ricarda Motte ist zentral. Wie war die Zusammenarbeit mit Clelia Sarto?
Clelia ist Bombe! Sie ist eine so tolle Teamplayerin, Frau und Kollegin. Wir haben uns über die Jahre auch privat befreundet und es ist mir immer ein Fest mit ihr. In den Figuren ist die Rollenaufteilung eben auch gut verteilt, wir arbeiten Hand in Hand mit unterschiedlichen Auffassungen von Konventionen und Grenzen. Karla denkt und argumentiert politisch, Motte ist für die Polizeiarbeit verantwortlich und hat streckenweise sehr eigene Methoden sich durchzusetzen.
Ich mag uns sehr als Team, zwei erwachsene Frauen auf Augenhöhe – mit einem gesunden Maß an Risikobereitschaft und furchtlos obendrein.
«Die Diplomatin in Rom» verbindet Krimi, Politik und persönliche Haltung. Was unterscheidet diese Reihe für Sie von klassischen Ermittlungsformaten?
Wir versuchen ja immer politische Themen mit spannenden Fällen zu verbinden. Das heißt, wir sind vom Genre her eine Mischung aus Politthriller und klassischem Krimi. Es gibt meines Wissens keine andere Figur im deutschen Fernsehen, die aus einem politischen Umfeld heraus sich in diese Lebenswelten begibt – daher gibt es ja auch eine Polizistin (Motte) an der Seite der Botschafterin.
Auf Netflix gibt es ja auch eine «Diplomatin», die mit einem anderen Budget seriell agieren kann. Ich muss mit Verlaub sagen, dass wir schon vor 10 Jahren die Idee hatten. (lacht)
Wie hat sich Ihre Sicht auf diplomatische Arbeit durch die Rolle im Laufe der Reihe verändert?
Grundsätzlich würde ich sagen, dass Diplomatie heute mehr denn je heißt sich mit inkonsistenten Kräften auseinandersetzen zu müssen.
Erst, wenn man dazu in der Lage ist, sich mit Menschen, Staatsoberhäuptern und Regimen produktiv auseinanderzusetzen, deren politische Meinung man nicht teilt und nicht mal schätzt – und man dennoch zu einem Ziel gelangt – ist man ein:e gute:r Diplomat:in. Auf alle Fälle braucht es eine eigene klare Haltung und Muskeln, die auch unbequeme Momente aushalten.
In dieser Folge geht es auch um Vertuschung und Loyalität gegenüber Institutionen. Glauben Sie, dass Film und Fernsehen heute einen Beitrag zur Aufklärung leisten können?
Ja, ich denke, dass es immer wieder gelingen kann mit dem Massenmedium Fernsehen Themen in einem gesellschaftlichen Kontext zu präsentieren, der wach macht.
Sicherlich ist das populärste Beispiel nach wie vor die Serie «Holocaust» (1979), die in Deutschland eine große Debatte auslöste und bis zu 40 Prozent Einschaltquoten hatte. Die Serie gilt bis heute als medialer Wendepunkt im Umgang mit dem Holocaust.
Abschließend: Die Serie wird von vielen Zuschauern geschätzt. Wo soll Ihre Figur Ihrer Meinung nach noch hinreisen?
Das ist eine berechtigte Frage, denn wir werden spätestens in einem Jahr aus Rom an einen anderen Ort versetzt. Ich persönlich bin als überzeugte Europäerin sehr neugierig wie sich England perspektivisch entwickelt. Der historisch nächste Partner der USA, die im Moment so unberechenbar sind wie nie – wird es Bestrebungen geben wieder in die EU zurückzukommen? Wir sind ja mit dem Vereinten Königreich kulturell, historisch und wirtschaftlich verwoben. Kurzum: ich könnte Karla Lorenz sehr gut in London sehen – das ist jetzt aber mein ganz persönliches Wunschkonzert.
Danke für Ihre Zeit!
Das Erste strahlt «Die Diplomatin» am Samstag, den 23. August, um 20.15 Uhr aus.
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