Interview

Arabella Bartsch: 'Ich möchte dem Zuschauer mehr zutrauen'

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Arabella Bartsch, Regisseurin der neuen ZDFneo-Serie «Deadlines» sprach im Quotenmeter-Interview über ihren Anspruch an Comedy, wie sie Jasmin Shakeri als Hauptdarstellerin castete und erklärt, welche Unterschiede zwischen einer Comedy-Serie und einem Musikvideo bestehen.

Guten Tag Frau Bartsch, vielen Dank für Ihre Zeit für das Interview. Was mögen Sie lieber, Bilder oder Texte? Ich frage deshalb, weil Sie Ihre Karriere als Journalistin begannen, mittlerweile als Regisseurin tätig sind. Wie kam es zum Wechsel?
Vielen Dank für Ihr Interesse an meiner Arbeit. Ich habe Fernsehjournalismus studiert und auch mit klassischen Beiträgen angefangen. Irgendwann wollte ich mich ausprobieren, kreativer, visueller arbeiten und führte bei ganz unterschiedlichen Formaten – von Werbung über Musikvideos bis zu Dokumentarfilmen – Regie. Eines Tages rief mich Julia Klett, eine Producerin von Turbokultur an und fragte, ob ich Lust hätte, gemeinsam mit ihr und zwei anderen Frauen Ideen für eine fiktionale Serie zu entwickeln. Den meisten von uns fehlte noch die Erfahrung im fiktionalen Bereich, aber letztendlich hatten wir die richtige Idee, an der ZDFneo sehr interessiert war und es folgte der Entwicklungsauftrag. Die vielen Deadlines der vier weiblichen Hauptfiguren um die 30 waren quasi ein bisschen inspiriert von unseren eigenen. Auch Nora Gantenbrink gehört zu unserer Gruppe, sie schrieb später gemeinsam mit Johannes Boss die Drehbücher für «Deadlines».

Bei «Deadlines» arbeiteten Sie nun an einem Comedy-Format. Welchen Anspruch sollte Comedy haben?
Gute Comedy beinhaltet für mich nachvollziehbares emotionales Chaos und Drama, deswegen war ich sehr glücklich über die Drehbücher für meine Folgen. Wenn man lacht, ist man verletzlich, in solchen Momenten kann man dann noch ein bisschen tiefer zustechen. Für mich sind die vier weiblichen Hauptfiguren der Schlüssel zur Comedy, meine Aufgabe war es, ihre Einzigartigkeit, Komplexität und Probleme herauszuarbeiten und nachvollziehbar zu machen. Die Jokes in den Büchern waren Bombe und unsere Hauptdarstellerinnen grandios, das konnte man schlecht verhauen.

Als Showrunner fungierte Johannes Boss, der auch schon am erfolgreichen Format «Jerks» mitarbeitete. Wie war die Zusammenarbeit mit ihm?
Johannes brachte viel Comedy-Erfahrung mit und lieferte gemeinsam mit Nora Gantenbrink fantastische Bücher mit griffigen Dialogen. Wir waren ansonsten beide First-Timer in unserem Bereich – Johannes in der Funktion als Showrunner und ich als Regisseurin in den Bereichen Fiktion und Comedy. Wir beide betraten also Neuland, zum Glück hatten wir Bock, die gemeinsame Extra-Meile zu gehen, um für seine Drehbuchideen eine filmische Form zu entwickeln. Wir haben von Anfang an eng zusammengearbeitet und uns ausgetauscht – vom Entwickeln der ersten Ideen für Szenen im Writer Room über die Moods und die Ideen zum Look und Feel bis zum Casting und zum Schnitt. Ich denke, dass «Deadlines» von unseren sehr unterschiedlichen Erfahrungen lebt und dadurch einzigartig wird.

Sie waren für das Casting von Jasmin Shakeri in der Rolle Elif, einer der Hauptfiguren bei «Deadlines» verantwortlich. Sie haben sie auf Instagram gefunden und vorgeschlagen. Was ist Ihnen bei dem Profil aufgefallen?
Wir suchten sehr intensiv nach einer Frau, die Elif versteht und ausfüllen kann, die ihr Selbstbewusstsein, ihre Power und eine große Klappe hat, aus der aber auch viel Wärme und Liebe für ihre Girls strömt, vor allen Dingen aber sollte sie ihr Ohr an der Straße haben und wissen, dass ein Kek nichts mit einem Keks zu tun hat und ein Lauch auch nicht nur ein Gemüse ist. Lange gab es diese Frau nicht und ich wusste, dass «Deadlines» diese eine Elif braucht. So wie es Lena in Folge sechs auf den Punkt bringt: ‚Ohne Elif sind wir nur drei mittelpeinliche, mittelschlaue, nach sich selbst suchende mitteleuropäische Frauen. Ohne sie können wir uns einschläfern lassen.‘
Jasmins Power und Street-Credibility war das, was mich sofort umgehauen hat. Ich lachte mich auf ihrem Instagram-Profil schlapp, sie ist eine Freestyle-Göttin und der Baba unter den Queens. Es gibt ein Video auf ihrem Profil, in dem Jasmin als ihr männliches Alter Ego ‚Reza‘ über eine Zeit rappt, in der es unsere größte Sorge in Deutschland war, Toilettenpapier zu horten. Das Video trägt den Titel ‚Du bist Solid-Arisch‘.

Sie gelten als jemand, die ungewöhnliche Wege geht. Wie äußert sich das in Ihrer Arbeit?
Schwierige Frage. Ich versuche mutig zu sein im Umgang mit filmischen Mitteln, möchte dem Zuschauer mehr zutrauen und kreativer arbeiten und das gern in noch höherem Maße. Bilder und Farben triggern mich sehr, daher würde ich sagen, dass Ästhetik und Kameraarbeit in Verbindung mit Sprache und Musik eine große Rolle für mich spielen. Ich kreiere gern Bilder und Emotionen, die was zu sagen haben und scheue nicht vor Lautheit zurück.

Eine Filmschule haben Sie nie besucht, wie kamen Sie zur Leidenschaft des Filmemachens? Haben Sie sich die Techniken alle selbst beigebracht?
YouTube und Learning by Doing waren wohl meine größten Lehrer, gefolgt von meinem Partner in Crime und Kameramann, Tobias Koppe. Wir schauen sehr viel und nehmen es im Anschluss auseinander und sprechen über die Umsetzung.

Vor «Deadlines» haben sie für SXTN und Juju viele Musikvideos – unter anderem das Feature mit Henning May „Vermissen“ – gedreht. Das Video hat mittlerweile fast 70 Millionen Clicks auf Youtube, wofür sie neulich eine Platin Platte erhalten haben. Worauf kommt es bei der Umsetzung eines Musikvideos an? Gibt es große Unterschiede zu einer Comedy-Serie?
Der Vergleich zwischen einem Musikvideo und einer Comedy-Serie ist ein bisschen wie Tag und Nacht. Ein Musikvideo darf alles sein, der Kreativität sind keine Grenzen gesetzt, dramaturgische Regeln können, aber müssen nicht befolgt werden. Ziel des Musikvideos ist, den Song zu visualisieren und dadurch noch stärker zu machen. Im Dienst des Rhythmus arbeitet man meistens mit großen Bildern und Emotionen, man hat wenig Zeit und Geld, dafür große Freiheiten in der Umsetzung, meistens muss man sich nur mit den Wünschen der Künstler*innen intensiv auseinandersetzen.
Die Arbeit an einer Comedy-Serie, so wie ich sie jetzt kennengelernt habe, funktioniert komplett anders, Comedy funktioniert über Timing. Eine Serie verfolgt natürlich auch andere Ziele, wie zum Beispiel stringente Charaktere und eine einheitliche Form zwischen den beiden Blöcken herzustellen. Bei «Deadlines» hatten wir ähnlich wenig Zeit am Set – eine Gemeinsamkeit mit Musikvideos.

Sie begleiteten in den Doku-Formaten «Her Story» Dunja Hayali und in «Offline» Palina Rojinski, jetzt stehen erneut vier Frauen im Mittelpunkt. Man könnte zu dem Schluss kommen, dass Sie womöglich lieber mit Frauen als mit Männern arbeiten, täuscht der Eindruck?
Mit Männern arbeite ich genauso gerne wie mit Frauen. Ich wollte nie eine Regel daraus machen, dennoch fühle ich mich von den Geschichten von und über Frauen angezogen und bin stolz, ihre Geschichten erzählen zu dürfen. Das ist mir wichtig.

Auf welche weiteren Projekte von Ihnen können sich die Zuschauer demnächst freuen? Gehen Sie wieder zurück in den Doku-Sektor oder wollen sie sich weiter im Bereich Comedy austoben?
Ich möchte gern im fiktionalen Bereich erst einmal weitermachen und arbeite gerade an zwei neuen Serienprojekten. Eines davon drehe ich noch dieses Jahr, das andere bereite ich gerade im Auftrag eines großen Streaming-Anbieters für 2022 vor. Dieses wird auch wieder im Bereich Comedy angesiedelt sein.

Frau Bartsch, vielen Dank für das Gespräch!

ZDFneo zeigt die Comedy-Serie «Deadlines» ab dem heutigen Dienstag, 13. Juli, ab 23:15 Uhr in Doppelfolgen. Bereits jetzt sind alle acht Folgen in der ZDFmediathek abrufbar.

Kurz-URL: qmde.de/128058
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