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Stefan Aust – ‚Zeitreise“

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Vom Sohn eines Landwirts zur Ikone des deutschen Nachkriegsjournalismus.

Einen guten Journalisten erkenne man daran, dass er sich nie mit einer Sache gemein mache - nicht einmal mit einer guten, schrieb der frühere Tagesthemen-Moderator Hanns-Joachim Friedrichs seinem Berufsstand einst ins Stammbuch. Legt man diese Definition zugrunde, gehört der Chefredakteur der Welt/N24-Gruppe Stefan Aust zu den ganz Großen seiner Zunft.

Von seinen Kritikern wird der streitbare und in keine Schublade passende frühere Chefredakteur des "Spiegel" mal als politisch "links", mal als "rechts" verortet. Doch wie wurde aus dem Sohn eines niedersächsischen Landwirts einer der geachtetsten Journalisten der Republik, der auf eine Karriere von über einem halben Jahrhundert zurückblicken kann? Austs pünktlich zu seinem 75. Geburtstag erschienene Autobiographie "Zeitreise" gibt darauf Antworten.

Schon als Redakteur der Schülerzeitung seines Gymnasiums wehrte sich Aust gegen Vereinnahmungsversuche durch die Schulleitung wie etwa die Vorzensur von Texten. Auch später, als Redakteur der linksradikalen Zeitung "konkret" wahrte er ebenso die Distanz zu gewaltsamen politischen Aktionen wie zur Kommunismusaffinität seiner Kollegen. Die DDR - für ihn ein sozialistischer Polizeistaat. Eine solch ablehnende Haltung musste fast notgedrungen zu Konfrontationen mit der damaligen Chefredakteurin des Blattes, Ulrike Meinhof, führen, die Aust vorwarf, mehr den Verkaufserfolg des Blattes als eine klare ideologische Linie im Auge zu haben.

Doch neben Austs untrennbar mit den großen zeitgeschichtlichen Ereignissen der Bundesrepublik verwobenen beruflichen Biographie erfährt der Leser vom Autor des Bestellers "Der Baader-Meinhof-Komplex" auch ungewohnt persönliches. Etwa über seinen Vater, der in jungen Jahren nach Amerika auswanderte und beim Einbürgerungstest in den Vereinigten Staaten scheiterte. Oder über Austs Schulzeit, in der dieser schon mal handgreiflich gegenüber einem Lehrer mit Wehrmachtsvergangenheit wurde.

Austs Biographie zeichnet einen Lebenslauf nach, der nie geradlinig oder bruchlos verlief. Für ein Studium der Betriebswirtschaft schrieb er sich zwar ein, ging aber nie zu den Vorlesungen. Ganze vier Mal sei er in der Uni gewesen, sagt er von sich selbst. Geschadet hat es ihm nicht.

Seine Autobiographie ist das Werk eines Mannes, der viel zu erzählen hat, der an entscheidenden Weggabelungen der Zeitgeschichte persönlich Anteil genommen hat. Und der dabei demütig geblieben ist. Journalisten hätten auch irgendwann mal recht, lautet sein Leitspruch, genauso wie eine stehengebliebene Uhr, die zwei Mal am Tag die richtige Zeit anzeigt.

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