Die Kritiker

«Das Versprechen»

von

In einem rührenden Film finden der elfjährige Sohn eines alleinerziehenden depressiven Mannes und eine sechzehnjährige Psychiatriepatientin einen Ausweg aus ihren Lebenskrisen.

Stab

Darsteller: Mika Tritto, Ella Morgen, Andreas Döhler, Christina Große, Oliver Stokowski, Barbara Auer
Buch: Beate Langmaack
Schnitt: Florian Drechsler
Kamera: Lars R. Liebold
Producer: Anne Büttner
Regie: Till Endemann
Szenenbild: Carola Gauster
Die sechzehnjährige Jule (Ella Morgen) „hört manchmal einfach auf, der Kapitän im eigenen Boot zu sein.“ Sie kann dann nicht mehr an sich halten, drückt weinend Zigarettenkippen auf ihren Beinen aus, schlägt wild um sich, brüllt die Menschen in ihrer Umgebung nieder. „Affektive Disregulation“ nennen die Ärzte das, weswegen sie nach der Schule immer direkt in die Tagesklinik geht, bevor sie abends zu ihrer Familie darf – die, trotz aller Liebe, natürlich heillos überfordert ist, mit Jules anstrengender Gefühlswelt wie mit ihrer eigenen.

Der elfjährige Bendix (Mika Tritto) hat sich dagegen immer perfekt unter Kontrolle, schmeißt zuhause fast den ganzen Haushalt und kümmert sich liebevoll um seinen Vater (Andreas Döhler), der sichtlich zu kämpfen hat: Nachts sitzt er auf dem Sofa und starrt ins nichts, auf der Arbeit als U-Bahn-Fahrer ist er manchmal so tief in seine düstere Gedankenwelt versunken, dass er die nächste Haltestelle verpasst, und die vom Sohn geschmierten Brote bringt er abends wieder nachhause. Auch Bendix ahnt längst, dass sein Vater krank ist. Der Zuschauer hat da schon lange die Diagnose gestellt: Depressionen.

Bendix und Jule mögen zunächst sehr ungleich wirken: Der immer ruhige, in Verantwortung gezwungene Junge, und das deutlich ältere Mädchen, das sich nicht unter Kontrolle hat und noch dazu mit dem gesellschaftlichen Stigma ihrer Erkrankung kämpfen muss. Und während Bendix‘ Vater trotz seiner Schwierigkeiten, den Alltag zu stemmen, eine unersetzbare Stütze für den Sohn ist, fühlt sich Jule von den umsorgenden Eltern eher eingeengt, während ihr permanentes Misstrauen einzig ein weiterer Auslöser ihrer Ausbrüche ist.

Sehr durchdacht und mit einer ruhigen Erzählweise zeigt dieser Film nun die entstehende Freundschaft zwischen den beiden, bei denen der Altersunterschied genauso wenig eine Rolle spielt wie die unterschiedlichen Lebenssituationen ihrer jeweiligen Familien. Die Geschichte eines Jungen, der schon früh „erwachsen“ sein muss, der Verantwortung übernimmt und seinem kranken Vater in grenzenloser Liebe durch den Alltag hilft, vereint sich mit der Geschichte einer jungen Frau, die das, was man für Normalität hält, nie kennen durfte, die sich selbst fremd ist, die ihren eigenen Körper und Geist nicht verstehen kann und der dadurch Hilfe zuteilwird, dass sie selbst jemand anderem hilft: Bendix und seinem Vater.

Dass der Weg dahin erzählerisch im letzten Drittel allzu waghalsig gerät (und leider auch zu stark und unnötig auf Krawall gebürstet wirkt), verzeiht man angesichts des schönen Ergebnisses, das am Schluss stehen darf: die Chance auf Besserung, auf Heilung – der psychischen Erkrankungen wie der seelischen Wunden. Besonders beeindrucken neben dem gelungenen Drehbuch dabei die Performances der jungen Darsteller Mika Tritto und Ella Morgen, die ihren komplexen Figuren mit spielender Leichtigkeit Leben einhauchen.

Das ZDF zeigt «Das Versprechen» am Montag, den 26. April um 20.15 Uhr.

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