Interview

Jano Ben Chaabane: ‚Ein enges Korsett kann zu Höchstleistungen führen‘

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Der Autor und Regisseur Chaabane drehte mit Joko und Klaas, drehte «Culpa» und inszenierte «Blind ermittelt». Am Wochenende ist seine Serie «Mapa» beim rbb und in der ARD-Mediathek zu sehen.

Sie haben in den vergangenen Jahren für die Produktionen von Joachim Winterscheidt und Klaas Heufer-Umlauf gearbeitet. Sie haben mit einem kleinen Budget großes Kino geschaffen. Fördert ein überschaubares Budget die Kreativität?
Kleine Budgets sind natürlich nie schön, aber die Kompromisse die man eingehen muss zwingen einen in die Kreativität, ja absolut!

Die Zeit bei Joko & Klaas war sehr prägend für mich und wenn man so will war es meine Filmhochschule. Damals war das Team um die beiden größentechnisch gesehen noch überschaubar und wir waren alle filmaffine Kreative, die unbedingt innovatives Fernsehen machen wollten und auch viel Blödsinn im Kopf hatten. Wir konnten alles Mögliche ausprobieren und das obwohl wir immer unter enormen Zeitdruck produzieren mussten. Ich denke, ein enges Korsett aus Zeitdruck und Budgetbeschränkung kann sehr wohl zu kreativen Höchstleistungen führen.

Letztlich bleiben die Probleme jedoch immer die gleichen, ob große oder kleine Produktion, da hilft es ungemein die äußeren Umstände als Chance für den inneren Motor zu begreifen.

In Sachen Joko und Klaas haben Sie auch den Werbefilm „#besonderehelden“ umgesetzt. Ich war zunächst etwas irritiert, aber das Gemeinschaftsgefühl sollte bestärkt werden. Hat das Ihrer Meinung nach geklappt?
Ich habe „nur“ Regie geführt bei den Spots, die Kreation und die Produktion lief über Florida Reklame, die Produktionsfirma von Joko & Klaas. Ich denke schon, dass die Kampagne ihr Ziel erreicht hat. Sie hat weltweit polarisiert und einige Leute zum Lachen gebracht, aber vor allem hat sie die Notwendigkeit der Kontaktbeschränkung zum Thema gemacht. Natürlich kann man über Humor streiten… Oder auch einfach nicht.

Vor einigen Jahren haben ich Ihre Arbeit für 13th Street bei Sky entdeckt. Die Rede ist von dem Kammerspiel «Culpa – Niemand ist ohne schuld». Haben Sie einen Hang große Geschichten auf einem kleinen Raum zu inszenieren?
«Culpa» war meine erste offizielle, fiktionale Regiearbeit. Unsere Produktionsfirma „readymade films“ (Produzentin: Laura Bull) hat damals den Pitch bei 13th Street gewonnen und wir durften diese Serie drehen. Ein Wahnsinn für uns!

Das Budget zu dieser Produktion war allerdings… nun nennen wir es mal: Begrenzt. Sehr begrenzt. Sehr viel begrenzt.

Also mussten wir auch hier wieder versuchen, das mangelnde Budget durch größtmögliche Kreativität wettzumachen. Ich will damit sagen, ich hätte auch gerne eine große Geschichte auf großem Raum gedreht, war aber wegen der Umstände dazu gezwungen, alles kleiner und enger zu schreiben und zu inszenieren. Aus kleiner und enger kann aber eben auch dichter werden - und das war dann für mich der Schlüssel zu einer kleinen, feinen, dichten Serie. Dadurch, dass ich nicht die große Bühne als Spielfeld hatte, konnte ich mich sehr auf die Schauspieler konzentrieren, konnte sehr intensiv mit meinem Kameramann Tobias Koppe zusammenarbeiten und schon in der Buch-Entwicklung mit meinem Autorenteam (Alexander Lindh und Bernd Heiber) war man immer wieder gezwungen alles auf das nötigste und essentiellste herunterzubrechen. Das am Ende gut 80 Prozent der Serie auf engstem Raum in einem Beichtstuhl spielt, war eine große Herausforderung, die aber erzählerisch für alle Gewerke absolut Sinn gemacht hat. Und für mich war es dann ein Türöffner für weitere und dann auch größere Projekte.

Für Das Erste und den ORF setzten Sie bereits drei «Blind ermittelt»-Filme um. Für Episode „Blutsbande“ (ORF) respektive „Die verlorenen Seelen von Wien“ (Das Erste) schrieben Sie auch das Drehbuch mit Ralph Werner zusammen und fesselten vier Millionen Menschen vor den Fernsehschirmen. Haben Sie sich über einen solchen großen Erfolg gefreut?
Na klar hat mich das gefreut! Auch wenn diese Zahlen irgendwie immer sehr abstrakt wirken, ist es doch wahnsinnig toll, wie viele Menschen noch lineares Fernsehen konsumieren.

Ich war sehr glücklich darüber, dass mir die ARD und der ORF diese Chance ermöglicht haben. Die Zusammenarbeit mit der österreichischen Mona Film lief sehr gut und ich konnte mein Kern-Team aus früheren Produktionen (Kamera: wieder Tobias Koppe und Schnitt: Felix Rudek und Musik: Tim Schwerdter) mitziehen. Das hat mir viel Sicherheit gegeben. Mittlerweile habe ich drei Filme für die Reihe in Wien gedreht und es ist eine spannende, nicht immer ganz ernst gemeinte TV-Reihe entstanden, nicht zuletzt wegen dem tollen Ermittler-Duo bestehend aus Philipp Hochmair und Andreas Guenther.

Im vergangenen Jahr haben Sie für Joyn und dem Rundfunk Berlin-Brandenburg die Serie «Mapa» gedreht. Also zurück zur kleinen Bühne?
Naja… Also zusammengenommen sind Joyn und RBB + ARD-Mediathek nun auch nicht eine so kleine Bühne. Und überhaupt eine Bühne für «Mapa» zu finden war gar nicht so leicht. «Mapa» war für uns alle ein absolutes Herzensprojekt. Wir, das heißt Alexander Lindh der Creator der Serie und Laura Bull, die Produzentin und ich. Es war nicht einfach eine so „leise“ Serie, in der es um die großen Themen des Lebens geht zu verkaufen. Joyn und der RBB haben die Einzigartigkeit recht schnell erkannt und sich dann - mit großer finanzieller Unterstützung des Medienboard Berlin Brandenburg - auf diese neuartige Ko- Produktion eingelassen. Diese Konstellation ist ja noch immer etwas Besonderes, also privater Streamingdienst und öffentlich-rechtlicher Sender. Aber alle haben an das Projekt und an uns geglaubt und so hatten wir außergewöhnliche Freiheiten beim Schreiben und Umsetzten. Und das war auch notwendig um die Serie so zu machen wie wir sie uns vorgestellt haben. Vielleicht wäre das auf der „großen Bühne“ so nicht möglich gewesen.

Die Fernsehproduktion «Mapa» ist eine ‚Sad Comedy‘? Braucht es diesen neuen Begriff? Und was muss man sich darunter vorstellen?
Sadcom ist nicht wirklich ein neuer Begriff. Irgendwer hat mal behauptet, wir hätten das erfunden, das ist aber quatsch. «Mapa» ist kein reines Drama und auch keine reine Komödie - es ist irgendwie beides. Der ältere Begriff Tragikomödie beschreibt es eigentlich genau so passend. Nur durch unser halbstündiges Format (6x30min) denkt man sofort an eine Sitcom und so passte Sadcom einfach sehr gut.

Ich persönlich finde genreübergreifende 30-minütige Formate sehr reizvoll, sowohl als Regisseur und Autor als auch als Konsument. Irgendwie kann man sich dramaturgisch freier bewegen. Für den Erzählstil von «Mapa» war das jedenfalls genau der richtige Weg. Wir arbeiten bei der Serie mit einer tieftraurigen Prämisse und haben damit die Chance die emotionale Skala komplett zu bespielen. Lachen und weinen liegt nun mal sehr oft sehr nah bei einander.

Die Drehbuchautoren-Initiative „Kontrakt 18“ möchte ebenfalls mehr Beachtung haben. Alexander Lindh war Headautor der Serie. Haben Sie unter „Kontrakt 18“-Bedingungen das Werk umgesetzt oder konnten Sie mit dem Produzenten Ihre Entscheidungen umsetzen?
Ich bin ebenfalls „Kontrakt 18“-Unterstützer, als Autor und vor allem als Regisseur. «Mapa» war eine Teamarbeit, durch und durch. Alexander Lindh, Laura Bull und ich haben alle gravierenden Entscheidungen im Kollektiv getroffen. Alex war jeden Tag am Set und saß neben mir und ich kann diese Art zu arbeiten, vor allem bei Serien-Stoffen, nur empfehlen. Natürlich haben wir auch gestritten, aber vor allem haben wir uns Verantwortung geteilt und uns bei jeder Entscheidung hinterfragt. Das ist anstrengend aber es führt einfach zu einem präziseren Ergebnis. Es ging immer darum die beste Lösung zu finden. Sicher hat es auch geholfen, dass ich als Regisseur von Anfang an im Schreibprozess involviert war und auch selber ein Buch geschrieben habe. Darüber hinaus haben wir auch das Ensemble um Max Mauff früh mit ins Boot geholt und Dialoge rechtzeitig angepasst und uns jede Meinung angehört.

Ich denke Autoren müssen mehr Verantwortung bekommen, denn daraus entsteht mehr Selbstvertrauen und daraus entstehen bessere, ehrlichere Stoffe.

Bevor die Serie beim rbb Fernsehen zu sehen ist und in der ARD-Mediathek aufrufbar ist, können die Zuschauer bei Joyn das Format anschauen. Haben Sie ein Feedback der Zuschauerzahlen erhalten?
Nein. Es gab ein paar vage Aussagen, aber keine konkreten Zahlen. Ich finde das persönlich eine sehr schwierige Situation. Es ist nicht fair, dass wir Kreativen und Produzenten keinen transparenten Blick auf die Zahlen bekommen. Als dann klar wurde, dass Joyn keine zweite Staffel von «Mapa» beauftragen wird, war das natürlich doppelt hart zu akzeptieren.

«Mapa» ist für Joyn plus das rbb Fernsehen gedreht worden. Außerdem wurde das Projekt durch das Medienboard Berlin-Brandenburg gefördert. Erwarten Sie hohe Reichweiten oder wird das Projekt dauerhaft durch Mediatheken seine Zuschauer im non-linearen Bereich finden?
Ich hoffe doch sehr, dass die Serie auch im linearen Programm ihre Zuschauer finden wird, aber da die ARD-Mediathek für viele Menschen immer attraktiver wird, kann ich mir auch vorstellen, dass sie dort mehr gesehen wird. Ganz ehrlich: Ich wünsche mir einfach, dass möglichst viele Menschen diese kleine, feine Serie zu sehen bekommen, ob im TV, der Mediathek oder auf VHS ist mir eigentlich egal. Hauptsache sie wird gesehen. Wir haben viel Herz in die Serie gesteckt und umso mehr Menschen sie sehen, umso größer ist die Chance, dass wir vielleicht doch noch eine weitere Staffel drehen dürfen. Das wäre sehr schön.

Dann wünsche ich viel Erfolg!

«Mapa» ist sowohl bei Joyn als auch in der ARD-Mediathek verfügbar. Das rbb Fernsehen strahlt die Serie am Samstag und Sonntag ab 22.00 Uhr aus.

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