Die Kritiker

«Der Lissabon-Krimi: Der Tote in der Brandung»

von

Die neue ARD-Krimireihe am Donnerstagabend beginnt mit einem hübsch fotografierten Fall und etabliert ein viel versprechendes Duo.

Cast und Crew

  • Regie: Sibylle Tafel
  • Darsteller: Jürgen Tarrach, Vidina Popov, Christoph Schechinger, Alexandra Gottschlich, Katharina Pichler, Nicole Gerdon, Luis Lucas, André Gargo
  • Drehbuch: Kai-Uwe Hasenheit, Patrick Brunken
  • Kamera: Klaus Merkel
  • Schnitt: Gerald Slovak
  • Musik: Marco Meister, Robert Meister
  • Produktionsfirma: Polyphon Pictures
Für lange Zeit war Eduardo Silva ein erfolgreicher Staatsanwalt, doch dann geriet er in einen Clinch mit den falschen Leuten. Dies war vor zwei Jahren. Heute ist er bloß noch ein abgehalfterter Rechtsanwalt, der nicht einmal eine eigene Kanzlei hat, sondern in einem heruntergewirtschafteten Hotel wohnt und von dort aus auch arbeitet. Was genau damals vorgefallen ist und weshalb er abgestürzt ist, das weiß niemand – nicht einmal Marcia Amaya, Eduardos neue Assistentin.

Sie muss sich mit ihrem ungewöhnlichen Arbeitgeber dennoch abfinden. Marcia ist zwar frischgebackene Juristin mit erstklassigem Examen, aber auf dem Arbeitsmarkt ist sie überhaupt nicht gefragt – zu groß sind die Vorurteile ihr gegenüber, weil sie Roma ist. Eduardo sind Vorurteile aber fremd, und in seinem neuen Fall involviert er Marcia ohne zu zögern: Er hat die Aufgabe, die unberechenbare Joana Soares zu verteidigen, die ihren Mann ermordet haben soll und gegen die eine Menge Indizien sprechen. So wurde sie in der Tatnacht bei einem heftigen Streit mit ihrem Mann beobachtet. Für die Tatzeit hat sie kein Alibi – sie kann nicht einmal selber eine Aussage tätigen, da sie sich nicht erinnern kann, wo sie war und was sie getan hat.

Eduardo und Marcia werden aus genau den Gründen hellhörig, aus denen alle Anderen Joana aufgegeben haben: Ihnen sind die Indizien gegen Joana zu offensichtlich. Will ihr etwa jemand Mächtiges etwas anhängen ..?


Die Einführung des Schauplatzes und unseres Protagonisten erfolgt betont filmisch. Ausschweifende Helikopterfahrten fangen die szenischen Seiten Lissabons ein, Silva spielt auf einem heruntergekommenen Steg mit himmlischer Aussicht Schach mit einem alten Freund. Dieser lädt zu einer Wette ein: Gewinnt er, muss Silva seine Nichte als Assistentin einstellen. Über die Glaubwürdigkeit, dass zwei alte Kumpel regelmäßig vor filmreifer Kulisse Schach spielen, ließe sich diskutieren, doch zu Gunsten der Erzählökonomie sei solch ein Reihenbeginn gestattet: Silva wird als guter, nicht meisterlicher Schachspieler eingeführt, die Atmosphäre Lissabons kommt zum Tragen und die freundschaftliche Gleichgültigkeit Silvas gegenüber seiner ihm effizient ans Bein gebundenen Assistentin wird ebenfalls ausgedrückt. Er wollte sie nicht einstellen, hat aber auch kein Problem damit – im Gegensatz zu vielen vorurteilsbelasteten Kollegen.

Diverse Auftaktkrimis öffentlich-rechtlicher Reihen kommen wesentlich schleppender aus dem Trott, arbeiten sich mühselig in den ersten 15 bis 30 Minuten am altbekannten Muster zwei ungleicher, semi-freiwillig zusammenarbeitender Hauptfiguren ab. «Der Lissabon-Krimi» lässt das links liegen und gewinnt so in den normierten, rund 90 Filmminuten mehr Raum für den eigentlichen Fall und die ambivalente Dynamik zwischen seinen Protagonisten, die sich ergibt, sobald sie nach den wahren Hintergründen ihres Falls suchen.

Diese Produktion der Polyphon Pictures leidet jedoch an einem Problem, das viele der neuen ARD-Donnerstagskrimis heimsucht: Nebenfiguren sind oft nachsynchronisiert – und das Niveau dieser Synchronisation reicht schlicht nicht an den üblichen Standard der meisten Serien und Filme heran, die ganz regulär synchronisiert werden. Der Ton ist eine Spur zu hallig und die Lippensynchronität eine winzige Spur daneben. Das nimmt dem Krimi auch etwas seiner Atmosphäre – und die ist dank der abwechslungsreichen, farbintensiven Impressionen, die Kameramann Klaus Merkel und Regisseurin Sibylle Tafel von der titelgebenden Stadt einstreuen, eigentlich ein gutes Argument für diesen Neunzigminüter.

Darüber hinaus verspricht die Figur der Marcia, dargestellt von der jungen Österreicherin Vidina Popov mit einem unverbrauchten, naturalistischem Spiel, langfristig einen frischen Wind in den ARD-Donnerstag zu bringen. Das Zusammenspiel mit Eduardo (gespielt von einem souveränen Jürgen Tarrach) lässt sich in keines der altgedienten, öffentlich-rechtlichen Krimi-Duo-Schemata zwängen – und überflügelt auch prompt den zentralen Fall. Der ist, entwirrt man ihn erstmal, im Grund genommen sehr schlicht, aber der etwas verzahnt geskriptete zweite Akt nimmt dem Stoff Wind aus den Segeln. Dennoch: Krimis zeigen sich bei ihrem Auftakt selten von ihrer besten Seite. Die Reihe muss sich stets erst finden. Und «Der Lissabon-Krimi» macht zu Beginn schonmal keine miese Figur.

«Der Lissabon-Krimi: Der Tote in der Brandung» ist am 5. April 2018 ab 20.15 Uhr im Ersten zu sehen.

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