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Wirtschaftskrise und Pandemie: Wollen wir die Wohlhabenden leiden sehen?

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Die Fernsehsender setzten wegen Corona und Preiserhöhungen weiterhin auf zahlreiche Reality-Shows. Haben soziale Isolation und Verzicht etwas mit Konsum zu tun?

Die Weltwirtschaftskrise 2007/2008 hat zu zahlreichen Veränderungen auf dem deutschsprachigen Markt geführt. So verkaufte die ProSiebenSat.1-Gruppe N24 an das damalige Management. Auch in Köln wurde gehandelt: Im Zuge dessen gingen beispielsweise die Werbebuchungen zurück, weshalb RTL das Dschungelcamp 2010 aussetzen musste. Die Rückkehr 2011 war ein Riesenerfolg, mit über sieben Millionen Zuschauern wurde ein Rekord aufgestellt. Nur im Jahr 2014 wurden im Durchschnitt höhere Reichweiten erzielt.

Ein ähnliches Bild zeigte sich während der Corona-Pandemie: Noch vor Ausbruch der Viruserkrankungen ließ Banijay mit seiner Tochterfirma EndemolShine Germany die Shows «Kampf der Reality-Stars» und «Promis unter Palmen» produzieren. Der Erfolg im ersten Ausnahmejahr war gigantisch. Die Sat.1-Show wurde nach dem Tod von Willi Herren abgesetzt, die RTLZWEI-Show ging kürzlich mit Top-Quoten zu Ende. Eine fünfte Staffel ist aber bereits in Planung.

In immer mehr Sendungen stehen Reality-Stars und andere Prominente vor der Kamera. Vor allem RTL hat zahlreiche Eigenproduktionen für seine Streaming-Plattform in Auftrag gegeben. «Das Sommerhaus der Stars» von Seapoint wurde von «Prominent getrennt» quasi kopiert, statt mit dem aktuellen Partner spielt man nun mit dem ehemaligen Schatz. In «Temptation Island VIP» stehen Menschen vor der Kamera, die ihre Liebe auf die Probe stellen wollen. Das Publikum hat für Popcorn gesorgt und am Ende fließen Tränen. Die Show «Ex on the Beach» ist mittlerweile mit zahlreichen Reality-Gesichtern bestückt und auch von «Are You The One?» gibt es mittlerweile Reality-Personality-Versionen.

«Couple Challenge», «Promi First Dates» oder «B:REAL» – im Mittelpunkt stehen immer vermeintliche Stars, die mit ihrer Persönlichkeit punkten wollen. Auf Instagram und in anderen sozialen Netzwerken wird den Fans die schöne Traumwelt präsentiert, die dann in den selbst produzierten TV-Shows in sich zusammenfällt. Reality-Sternchen, die dem Druck als Mutter nicht gewachsen sind, keine Beziehung finden oder im Teamwettbewerb moralisch versagen. Die Stars lassen ihre Hüllen fallen – für die Gage der Fernsehsender. Inzwischen muss man sich fragen, ob man sich für ein Nacktporträt im Playboy oder für eine Reality-Show bei RTL mehr auszieht.

Die Deutschen haben dafür einen unschönen Begriff: Schadenfreude. Solche Sendungen werden oft als „Guilty Pleasure“ bezeichnet und handeln von dem Vergnügen, schuldbewusst eine Show zu konsumieren, die nicht gerade Menschen in vorteilhaften Situationen zeigt. Inzwischen hat sich der Konsum etwas verlagert, denn Reality-Shows mit unbekannten Personen – wie einst bei «Schwiegertochter gesucht» – sind aus der Mode gekommen. Medienkritiker werten dies als positives Zeichen, dass solche Shows ausgedient haben.

Auch andere Nationen wie die Amerikaner und Engländer schwimmen auf dieser Welle. Dort heißt es „Eat the rich“ und möchte die Reichen scheitern sehen. Netflix und der Reality-Sender Bravo strahlen Sendungen wie «The Real Housewives» und «Selling Sunset» aus, bei denen nicht der Beruf der Hausfrau oder Immobilienmaklerin im Mittelpunkt steht, sondern das Drama mit anderen Teilnehmerinnen. Bravo verzeichnet nicht nur gute lineare Reichweiten, sondern auch sehr gute Werte auf den Streaming-Plattformen. Der Streaming-Sender Hayu, eine Tochter von NBCUniversal, bringt solche Formate in den englischsprachigen Raum und nach Deutschland.

Auch im fiktionalen Bereich wird das „Eat the rich“-Prinzip gelebt. Die Fernsehserie «Succession» sorgte im Frühjahr 2023 erneut für Schlagzeilen. Das HBO-Drama dreht sich um einen Medientycoon, dessen Figur dem Newscorp- und Fox-Besitzer Rupert Murdoch nachempfunden sein soll. Andere Medienexperten behaupten, die Autoren hätten sich vom ehemaligen Paramount-Eigentümer Sumner Redstone inspirieren lassen. Im Mittelpunkt des New Yorker Dramas steht eine Familie, deren Oberhaupt nicht mehr gesund ist. Selbst der König des Imperiums weiß, dass er noch Jahre vor sich hat, weigert sich aber, mit seinen Nachfolgern wirklich zusammenzuarbeiten. Streit unter Milliardären, das gefällt den Zuschauern. Die Lebenswirklichkeit ist so weit entfernt vom Otto-Normal-Verbraucher, dass die Schadenfreude leicht von der Hand geht.

Im Gegensatz zu erfolgreichen fiktionalen Formaten wie «Dallas» oder «Wolf of Wall Street» gibt es derzeit keine charmanten Bösewichte. Die Macher, egal ob im fiktionalen oder non-fiktionalen Bereich, spielen mit Plattitüden. Man sollte meinen, dass das Fernsehen mit tiefgründigen Charakteren vorankommen könnte. Doch das Gegenteil ist der Fall: Je simpler die Figuren, desto erfolgreicher die Marken. Das sieht man zum Beispiel an den Comicverfilmungen von Marvel und DC, deren Helden und Schurken alle paar Jahre schablonenhaft neu aufgelegt werden – und das mit Erfolg.

Der Motor der Wirtschaft läuft derzeit nicht rund. Die politische Weltlage sorgt für zahlreiche Preisänderungen im Supermarkt, an der Zapfsäule oder im Herzen. Die Banken erhöhen die Zinsen, viele Unternehmen sparen bei Werbung und Investitionen. Das merken auch die Bürger, die den Gürtel enger schnallen müssen. Wie wir aus den vergangenen Jahrzehnten gelernt haben, führt dies auch dazu, dass die Festivals der Prominenten eröffnet werden können. Wenn man in den eigenen vier Wänden Sorgen hat, lenkt man sich gerne mit Prominenten in Reality-Shows ab. Ob man das nun „Eat the Rich“ oder einfach „Schadenfreude“ nennt, ist egal.

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