Die Kritiker

Wahnsinn unterm Weihnachtsbaum

von

Gaby Dohm und Michael Gwisdek führen in «Alle unter eine Tanne» das Klischeebild der heilen Familie ad absurdum. Prädikat: ganz nett.

Cast & Crew

Vor der Kamera:
Gaby Dohm als Elli
Michael Gwisdek als Robert
Johanna Gastdorf als Chrissi
Claes Kasper Bang als Micha
Susanna Simon als Susanna
Tom Keune als Heiner
Anna Julia Kapfelsperger als Leonie

Hinter der Kamera:
Produktion: UFA Fiction GmbH
Drehbuch: Lo Malinke und Philipp Müller
Regie: Oliver Schmitz
Kamera: Michael Schreitel
Produzent: Markus Brunnermann
Die Paartherapeutin und Buchautorin Elli tritt gerne in der Öffentlichkeit auf. Zum Beispiel bei Jörg Thadeusz. Bei ihm erzählt sie dann von ihrer harmonischen Ehe, die seit vierzig Jahren toll sei, hält lächelnd ihr neues Buch „Nichts als die Wahrheit“ in die Kamera und schwadroniert davon, wie wichtig in einer Paarbeziehung eine „völlige Aufrichtigkeit“ ist.

In Wirklichkeit gehen Elli und ihr (Ex-)Mann Robert seit drei Jahren getrennte Wege. Er hatte sie damals mit seiner Sprechstundenhilfe Chrissi betrogen, sie ihn mit ihrem zwanzig Jahre jüngeren Fahrlehrer, mit dem sie mittlerweile ausgedehnte Reisen durch den Maghreb unternimmt. Nur zu Weihnachten raufen sich Elli und Robert noch heute, zum Leidwesen ihrer aktuellen Partner, zusammen. Der Kinder wegen. Die sollen nicht wissen, dass die Eltern sich haben scheiden lassen. Dieses Jahr wird das aber nicht mehr funktionieren: Chrissi hat keinen Bock mehr darauf, Weihnachten alleine zu verbringen, und will dem Schmierentheater ein Ende bereiten.

Ellis und Roberts Kinder sind natürlich längst erwachsen und aus dem Haus. Und auch sie bringen zum Fest allerhand emotionalen Ballast mit nach Hause: Susanna und ihr Mann haben sich mit ihrem Luxuswagengeschäft heillos übernommen und halten mittlerweile mehrere Vollstreckungsbescheide in Händen. Leonie, Studentin im achtzehnten Semester und betont promiskuitiv, ist schwanger und hat keine Ahnung, wer der Vater ist. Und Micha, seines Zeichens Komponist, verdingt sich mit abstoßender Werbemusik statt an seiner ersten Symphonie zu schreiben.

All das unter eine Tanne, beziehungsweise unter einen Hut zu bringen, gelingt diesem Film, der sich primär der Heiterkeit verschrieben hat, freilich nicht immer. Und doch kann er über weite Teile erstaunlich gut gefallen und unterhalten.

Wo in anderen ARD-Familienfilmen das erzählerische Heil in der Verklärung und unzeitgemäßen Werten gesucht wird, gibt sich diese Produktion nämlich erstaunlich progressiv: Die schwangere Leonie muss sich zwar auch von ihrer (eher konservativen) Schwester fragen lassen, wer denn der Vater des Kindes ist, doch dieser Konflikt wird nie mit abgeschnittenen Zöpfen („Ein Kind, das braucht doch auch einen Vater!!!“) ins Überkommene verlagert. Sohn Micha ist schwul, was bis auf eine Entgleisung seiner konservativen Schwester aber gar nicht thematisiert, geschweige denn problematisiert wird. Das Gefasel von Gestern wird einfach ignoriert.

Doch das Herzstück von «Alle unter eine Tanne» sind freilich die komödiantischen Töne, bei denen vor allem die große Spielfreude des Casts und besonders Michael Gwisdek gefallen kann. Zunächst als Rollentausch-Komödie angelegt (Elli und Robert tun so, als seien sie noch verheiratet, und erzählen den Kindern, ihre Partner seien miteinander liiert), kommt das Drehbuch aber leider recht schnell an die Grenzen seines Ideenreichtums. Und doch: Die versierten und komödiantisch nicht unbegabten Darsteller finden auch hier noch sehr viel Raum, um mit kecken Pointen, so gut es eben geht, über die weniger kurzweiligen Strecken hinwegzuhelfen. Für eine wirklich tolle Screwball-Komödie mag das im Leben nicht reichen; auch nicht für einen neuen Klassiker wie Xaver Schwarzenbergers «Single Bells». Für einen netten Weihnachtsfilm, der primär eben ganz nett sein will, dürfte man den Ansprüchen genügen.

Das Erste zeigt «Alle unter eine Tanne» am Freitag, den 12. Dezember um 20.15 Uhr.

Kurz-URL: qmde.de/75033
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