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Der unbemerkte Wandel der «Oliver Pocher Show»

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Etwas mehr als ein Jahr gibt es nun schon «Die Oliver Pocher Show» bei Sat.1. Seit der Premiere im Oktober 2009 hat sich vieles verändert, doch eines ist gleich geblieben: die schlechten Quoten. Quotenmeter.de analysiert die Veränderungen und das ausbleibende Publikum.

Oliver Pocher galt lange Zeit als Aushängeschild für den frischen Humor der heranwachsenden Generation. Er moderierte bei Viva «Alles Pocher, oder was?» und später auf ProSieben «Rent a Pocher», und langsam aber sicher bildete sich eine feste Fangemeinde. Pochers Shows wurden zum Gesprächsthema auf Schulhöfen, wie einst «TV total», als es noch einmal die Woche lief. Besonders beliebt waren immer Pochers Außenreportagen, in denen er auf diversen Preisverleihungen oder Filmpremieren der A-Prominenz auf die Pelle rückte und sie in seiner unverwechselbaren Art mit skrupellosen Kommentaren belästigte. Nach zwei mehr oder weniger gelungenen Jahren an der Seite von Harald Schmidt startete Sat.1 mit Pocher als neue Late-Night-Hoffnung in die TV-Saison 2009/10, nachdem bereits viele vor ihm gescheitert sind.

Die ersten Ausgaben der neuen Show beinhalteten alles, was zu einem klassischen Late-Night-Format gehört: Stand-Up-Teil am Anfang, Showband, Showtreppe, Schreibtisch, Einspielfilme und Gäste aus dem Unterhaltungsbereich. Doch gerade dieses Korsett wurde zu Pochers Verhängnis. Der Moderator musste erkennen, dass er nicht für alle Elemente einer Late-Night-Show geeignet ist. So gehört es üblicherweise zum Konzept, sich mit dem tagesaktuellen politischen Geschehen zu befassen, doch bei Pocher beschränkte sich im Stand-Up die Themenvielfalt eben meist nur auf Fernsehen und Fußball. An Gesellschaft und Politik traute sich junge Vater bald nicht mehr heran. Auch die redaktionellen Showteile konnten anfangs überhaupt nicht überzeugen, und die typischen Top 5-Rankings und Clipshow-MAZen wirkten oft sehr gequält.

Nach den ersten 10 Sendungen gab es bereits die ersten Veränderungen und man verabschiedete sich von der weiblichen Showband. Übrig blieb lediglich DJane Miss Leema, die fortan in den Werbepausen die Platten auflegte und sich langsam zu einem Sidekick entwickelte. Der typische Schreibtisch wurde bald durch eine Couch ersetzt, und nach der Sommerpause fiel auch die Showtreppe weg. Redaktionelle Einspielfilme gibt inzwischen es ebenfalls nur noch sehr geringfügig, und inhaltlich bewegte man sich weg von politischen hin zu boulevardesken Themen, wovon Pocher letztendlich nur profitieren konnte. Schon vor der Sommerpause war zu bemerken, dass sich die Sendung immer weiter vom klassischen Late-Night-Konzept verabschiedete.

Mit den zahlreichen Optimierungen hat sich Oliver Pochers Sendung inzwischen zu einer sehenswerten Personalityshow entwickelt. Gerade seit dem Beginn der zweiten Staffel, die nun immer freitags um 23:15 Uhr zu sehen ist, ist ein inhaltlicher und qualitativer Aufschwung zu beobachten. Die Schwachstellen, wie der anfängliche Stand-Up, wurden inklusive der vielfach kritisierten Baby-Puppen gestrichen. Es ist erfreulich zu beobachten, wie die Show immer mehr auf Pocher zugeschnitten wird, und wie Pochers Stärken endlich wieder in den Vordergrund treten. Dazu gehören vor allem seine überfallartigen Reportagen, die ihn bereits zu «Rent a Pocher»-Zeiten populär gemacht haben. Ob er nun in "Pochers Auftrag" einen Tag lang als Bademeister arbeitet, oder in "Olli e.V." skurrile Interessengemeinschaften wie den Taubenzüchterverein besucht - durch sein Talent, in unvorhersehbaren Situationen spontan und improvisiert zu handeln, sind diese Einspielfilme fast immer ein amüsantes Highlight. Man kann Oliver Pocher sicher einiges vorwerfen, aber nicht, dass er sich für seine Show nicht anstrengen würde, denn seit dem Start der zweiten Staffel gab es in jeder Sendung drei bis vier solcher Einspielfilme. Ein Engagement, das Stefan Raab und Harald Schmidt seit einigen Jahren vermissen lassen.

Auch in Bezug auf die Gäste wurde Pochers Show optimiert: Im Gegensatz zu «TV total», wo sich die Promis meist nur für fünf Minuten zu Raab an den Tisch setzen, um Werbung für ihr neues Produkt zu machen, werden sie in der «Oliver Pocher Show» schon relativ früh begrüßt, und stehen dann bis zum Schluss für diverse Talks und Aktionen zur Verfügung. So musizierte er beispielsweise mit Kylie Minogue als Straßenmusikanten, machte mit Kaya Yanar einen integrativen IQ-Test, und ging in einer Live-Sendung nach dem Fußballspiel Deutschland-Türkei mit den Hauptdarstellern von «Alarm für Cobra 11» zu einer Dönerbude und unterhielt sich provokant mit den enttäuschten türkischen Fußballfans. Gelungene Studioaktionen komplettieren das positive Bild der Show. So machte Pocher mit einem Kandidaten aus dem Publikum typische Oktoberfestspiele, und erklärte in Gedenken an selige «Harald Schmidt Show»-Zeiten anhand eines Modells das "Sender-wechsel-dich"-Spiel von Jörg Pilawa & Co.

Doch all diese löblichen Veränderungen der Show brachten bislang im Hinblick auf die Quoten keinerlei Besserung, und Pocher krebst mit nur 6,2 Prozent Marktanteil in der Zielgruppe nach wie vor unter dem Sat.1-Senderschnitt herum. Dabei spielt es keine Rolle, ob das Vorprogramm als Lead-In gut läuft oder nicht. Offenbar haben sich viele ehemalige Zuschauer nach den anfänglich schwachen Ausgaben abgewendet, und schalten inzwischen gar nicht mehr ein um zu sehen, ob die Show sich entwickelt hat. Das Interesse dieser vergraulten Zuschauer wieder zu wecken, ist eine schwierige Aufgabe, die nur durch kontinuierliche Qualität gelöst werden kann. In den vergangenen Wochen gab es zahlreiche gelungene Ausgaben und es ist schade, dass dies quotenmäßig nicht honoriert wird. Die Show hätte durchaus das Potential zum Gesprächsthema in Schule und Büro zu werden, wie einst «TV total» in den Anfangsjahren.

Ein weiteres Problem für Pocher ist seine Zielgruppe. Viele seiner ehemaligen Fans sind inzwischen aus dem Teenageralter raus und haben sich humormäßig weiterentwickelt. Für sie ist der Brachialhumor des mittlerweile 32-jährigen Moderators uninteressant geworden, und die aktuellen Jugendlichen haben andere Humor-Vorbilder. Für sie ist Pocher schon zu alt. Auch Olli selbst scheint sich nicht ganz sicher zu sein, welches Publikum er ansprechen will. Einerseits nimmt er einen Song mit Skandalrapper Bushido auf, andererseits moderiert er als Quizmaster die Sendung «5 gegen Jauch». Die Schnittmenge der Rezipienten dürfte eher gering sein.

Der ungünstige Sendeplatz am Freitagabend tut sein Übriges. Bereits zu «Schmidt & Pocher»-Zeiten warnte Harald Schmidt vor dem undankbaren Sendetermin, doch Pocher bzw. Sat.1 wollten nicht hören und mussten nun erkennen, dass Altmeister Schmidt Recht behielt. Ein neuer Sendeplatz ist unbedingt anzuraten. Der langersehnten Erfolg ist Oliver Pocher auf jeden Fall zu gönnen, da er sich für seine Show wirklich ins Zeug legt. Wenn er sich nun auch noch endlich von seinen bedauernswerten Parodie-Versuchen von z.B. Angela Merkel verabschieden würde, wäre die Sendung uneingeschränkt zu empfehlen. Und bevor er sich weitere internationale Gäste wie Kylie Minogue einlädt, sollte er dringend einen Aufbaukurs Englisch besuchen.

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