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Sommerinterviews 2025: Warum das ZDF die politische Agenda dominiert

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Eine Analyse der Zuschauerzahlen zeigt: Während die ARD am Sonntagvorabend oft schwächelt, setzt das ZDF mit «Berlin direkt» deutliche Reichweiten-Akzente. Besonders die Gespräche mit AfD-Politikern entpuppen sich als Quotenbringer.

Es ist Sommer in Berlin, die Parteien sortieren sich nach einem intensiven politischen Jahr, und traditionell laden ARD und ZDF Spitzenpolitikerinnen und -politiker zu den sogenannten Sommerinterviews. 2025 sind die Formate wieder einmal ein Gradmesser nicht nur für politische Stimmungen, sondern auch für die mediale Reichweite der beiden großen Öffentlich-Rechtlichen. Die nackten Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: Während der «Bericht aus Berlin» am ARD-Sonntagvorabend zwischen acht und elf Prozent Marktanteil schwankt, kommt das ZDF mit «Berlin direkt» am späteren Abend fast durchgehend auf Werte zwischen zwölf und 16 Prozent. Der Unterschied ist signifikant – und politisch brisant.

Kanzler Friedrich Merz (CDU) und sein potenzieller Konkurrent Markus Söder (CSU) standen gleich zweimal im Rampenlicht: Merz am 13. Juli in der ARD und am 31. August im ZDF, Söder am 24. August bei der ARD und am 3. August beim ZDF. Das Ergebnis: Während Merz in der ARD nur 1,07 Millionen Zuschauer erreichte (8,6 % Marktanteil), verfolgten im ZDF 2,20 Millionen Menschen das Interview – 13,3 %. Bei Söder fällt der Unterschied noch deutlicher aus: 1,37 Millionen Zuschauer in der ARD stehen 2,90 Millionen im ZDF gegenüber. Mit 15,6 Prozent Marktanteil war Söder der Reichweitenkönig der diesjährigen Sommerinterviews. Diese Diskrepanz zeigt: Das konservative Publikum scheint stärker am ZDF orientiert zu sein. Für die Union bedeutet das einen klaren Vorteil, denn wer dort Präsenz zeigt, erreicht ein breiteres Publikum.

Die SPD schnitt im direkten Vergleich deutlich besser im ZDF ab. Während Bundestagspräsidentin Bärbel Bas im ARD-Interview mit 1,21 Millionen Zuschauern solide, aber nicht überragend performte, kam SPD-Chef Lars Klingbeil im ZDF auf 2,16 Millionen Zuschauer und 12,8 Prozent Marktanteil. Die Sozialdemokraten profitieren also vom späteren Sendeplatz und vom stärkeren Nachrichtenumfeld des Mainzers.

Bei den Grünen fällt die Bilanz gemischt aus. Felix Banaszak erreichte im ARD-Interview nur 1,16 Millionen Menschen – das schwächste Ergebnis aller Sommergespräche. Franziska Brantner konnte im ZDF immerhin 1,99 Millionen Zuschauer überzeugen, doch der Marktanteil von 11,9 % lag deutlich unter den Spitzenwerten von Söder oder Chrupalla. Das lässt zwei Schlüsse zu: Die Grünen mobilisieren zwar ihr Publikum, erreichen aber weniger Breite. Außerdem spielt die Personalisierung eine große Rolle: Während Annalena Baerbock oder Robert Habeck in den vergangenen Jahren große Quotenhits waren, bleiben zweite Reihen im Zuschauerinteresse zurück.

Besonders auffällig ist der Erfolg der Sommerinterviews mit AfD-Politikern. Alice Weidel in der ARD (1,68 Mio. / 12,7 %) und Tino Chrupalla im ZDF (2,30 Mio. / 14,4 %) gehören zu den meistgesehenen Gesprächen der Saison. Damit übertrafen sie die Werte vieler etablierter Parteien. Dieses Interesse sollte nicht als Sympathie für die AfD missverstanden werden, sondern vielmehr als gesteigertes Bedürfnis nach journalistischer Einordnung und Konfrontation. Viele Zuschauer wollen offenbar sehen, wie kritisch die Interviewer auftreten und welche Themen angesprochen werden. Für die Sender bedeutet das einen Balanceakt: Sie dürfen den Rechtspopulisten keine unkommentierte Bühne bieten, gleichzeitig aber auch nicht das Gespräch verweigern.

Jan van Akten (ARD: 1,22 Mio. / 9,8 %) und Ines Schwertner (ZDF: 2,03 Mio. / 11,6 %) bewegten sich im soliden Mittelfeld. Auch hier zeigt sich das bekannte Muster: Im ZDF verdoppeln sich fast die Reichweiten im Vergleich zur ARD. Politisch bedeutet das, dass die Linke zwar nicht zu den Quotenstars gehört, aber stabile Präsenz im politischen Diskurs halten kann.

Der zentrale Befund dieser Sommerinterviews lautet: Das ZDF dominiert die politische Agenda deutlich stärker als die ARD. Während der «Bericht aus Berlin» im Vorabendprogramm eher ein Nebenschauplatz bleibt, profitiert das ZDF am Sonntagabend von einem starken Nachrichtenumfeld nach dem «heute» und vor dem «heute journal». Die Sendung «Berlin direkt» ist dadurch für Politiker die weitaus attraktivere Plattform. Für das politische System bedeutet das: Wer im ZDF überzeugt, hat eine größere Reichweite, setzt mehr Schlagzeilen und kann die öffentliche Wahrnehmung unmittelbar prägen. Das ZDF wird damit zum entscheidenden Player, wenn es um die Inszenierung und Bewertung politischer Spitzen geht.

Die Quotenunterschiede haben reale Folgen:
• Politiker planen ihre Kommunikation strategisch stärker auf das ZDF aus.
• Journalisten der Mainzer Anstalt haben größeren Einfluss auf die Deutungshoheit.
• Die ARD droht, trotz ihres Renommees, in der politischen Reichweite ins Hintertreffen zu geraten.

Gerade in Wahljahren oder Krisenzeiten ist es jedoch gefährlich, wenn ein Sender die politische Öffentlichkeit so deutlich prägt. Pluralismus lebt vom Ausgleich – doch aktuell zeigt sich eine deutliche Schlagseite.

Die Sommerinterviews 2025 sind ein Lehrstück über das Zusammenspiel von Politik und Medien. Während die ARD solide, aber unspektakuläre Reichweiten liefert, gelingt es dem ZDF, die Debatten stärker in die Haushalte zu tragen. AfD-Interviews sind Quotenmagneten, Union und SPD profitieren besonders von der Mainzer Reichweite, die Grünen und Linken kämpfen um mehr Sichtbarkeit. Für die Zukunft stellt sich die Frage: Bleibt das ZDF der Taktgeber der politischen Kommunikation, oder gelingt es der ARD, ihr Sommerinterview-Format aufzuwerten? Klar ist: Wer am Sonntagabend in Mainz spricht, redet zur Nation – und setzt die Agenda für die Woche.

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