Für uns waren drei Gründe entscheidend, diesen Fall als True Crime-Serie für den WDR umzusetzen. Die Mafiamorde von Duisburg waren das erste Mal, dass die Mafia-Organisation der `Ndrangheta in Deutschland so offen gemordet hat – und bis heute ist es die brutalste bekannte Tat. Die Ermittlungen der deutschen und italienischen Ermittler wurden bisher noch nicht filmisch aufgearbeitet, sie sprechen in unserer Serie exklusiv das erste Mal. Und wir wollten mit unserer Serie auf die Gefahren durch die `Ndrangheta aufmerksam machen, gerade jetzt zeigt sich durch die aktuellen Polizei-Razzien wieder deutlich, wie aktiv die Mafia auch hier in Deutschland ist.
Welche Herausforderungen gab es bei der Recherche und wie sind Sie an bisher unveröffentlichtes Beweismaterial gekommen?
Wir haben über anderthalb Jahre recherchiert und dabei ein Vertrauensverhältnis zu den Ermittlern aufbauen können. Das war essenziell, um die Freigabe für das bisher unveröffentlichte Beweismaterial zu bekommen. Wir sind vor allem den deutschen Ermittlern in Duisburg und den italienischen Kollegen sehr dankbar, dass sie uns dieses Material anvertraut haben, um die Ermittlungen realistisch und detailreich darzustellen.
Die Serie arbeitet mit exklusiven Zugängen zu Ermittlern und Insidern. Wie schwierig war es, diese Gesprächspartner für das Projekt zu gewinnen?
Es waren in der Vorbereitung sehr intensive Vorgespräche notwendig und dazu eine genaue Ausarbeitung in Bezug auf die Umsetzung unserer Serie, bis wir die Ermittler für dieses Projekt gewinnen konnten. Dazu kam einige Überzeugungsarbeit, bis wir alle notwenigen behördlichen Genehmigungen einholen konnten, damit alle Beteiligten offen über die Ermittlungen und ihre persönlichen Erfahrungen sprechen durften. Es ist immer sehr heikel, beteiligte Insider für eine dokumentarische Serie zu begeistern, in diesem Fall konnten wir ihnen aber darlegen, welches Ziel wir damit verfolgen und wie wir die Serie erzählen wollen. Das hat sie am Ende überzeugt.
Wie nah dran war Ihr Team an den Ermittlungen – konnten Sie auch mit italienischen Behörden und Mafia-Experten sprechen?
Ohne die italienischen Mafia-Experten hätten wir diese Serie nicht umsetzen können. Auch die Behörden haben uns sehr geholfen. Wir konnten so sehr nah an alle Ermittlungsergebnisse herankommen, ehrlicherweise näher als wir uns am Anfang des Prozesses gedacht haben.
Der Fall reicht bis nach Kalabrien und Amsterdam. Wie aufwendig war es, diese internationalen Spuren nachzuverfolgen und filmisch umzusetzen?
Kalabrien ist die Heimat der `Ndrangheta, gerade die Carabinieri in San Luca haben für uns alle Türen geöffnet. Auch der Staatsanwalt Capano war für uns ein sehr wichtiger Gesprächspartner und Zeitzeuge. Ohne den Zugang nach Kalabrien ist keine Serie über die `Ndrangheta möglich. Die Spuren nach Amsterdam ergaben sich direkt aus den Ermittlungen, insofern war da der Zugriff für uns direkt möglich.
Sie nutzen aufwändige 3D-Rekonstruktionen – wie helfen diese bei der Erzählung und was können Zuschauer dadurch besser nachvollziehen?
Im Verlauf der Entwicklung der Serie haben wir festgestellt, dass wir großartige Zeitzeugen und Gesprächspartner:innen haben werden, dazu noch bisher unveröffentlichtes Beweismaterial. Aber es gab zwei Herausforderungen, die Serie filmisch umzusetzen: Der Tathergang ist recht komplex, also mussten wir einen Weg finden, den Zuschauenden eine Orientierung zu bieten, was den Ablauf und den Tatort angeht. Und wir mussten einen Weg finden, die Tat filmisch zu rekonstruieren. In beiden Fällen haben wir uns für eine sehr aufwändige 3D-Rekonstruktion entschieden, mit der wir stilistisch auch einen neuen Weg einschlagen.
Gab es Sicherheitsbedenken während der Dreharbeiten, gerade im Hinblick auf die Mafia?
Ja, wir haben uns darüber viele Gedanken gemacht. Ein Gesprächspartner hat auch erst zugesagt, nachdem wir ihm Anonymität zugesichert haben. Aber natürlich waren wir direkt mit der Polizei und den Ermittlern vor Ort beim Dreh unterwegs, insofern haben wir die Dreharbeiten an sich als weitgehend unbedenklich eingestuft, da wir uns strikt an die Empfehlungen der Polizisten gehalten haben.
«Die Mafiamorde von Duisburg» thematisiert auch gesetzliche Lücken in Deutschland. Was genau macht es so schwierig, gegen die ‘Ndrangheta hier vorzugehen?
Die ‘Ndrangheta ist eine sehr verschlossene Organisation, jeder weiß, dass sie hier bei uns operiert, aber es bleibt das Problem, dass man deren Taten erst nachweisen muss. Und dieser Nachweis ist bei einer so verschwiegenen, von Familienbanden getragenen Organisation extrem schwierig. Es gibt sehr wenige Aussteiger, die gegen ihre Familienangehörigen aussagen, und an die Beweise zu kommen, ist eine sehr mühsame, langwierige Angelegenheit, wie wir das ja auch bei den Mafiamorden von Duisburg sehen.
Was war für Sie persönlich die erschreckendste Erkenntnis während der Produktion?
Als wir vor Ort in Duisburg gedreht haben, wurde uns direkt am ersten Abend sehr eindringlich davon abgeraten, in einer gewissen Pizzeria zu essen – weil die „auf jeden Fall“ in den Händen der ‘Ndrangheta ist. Und das gilt natürlich nicht nur für Duisburg. Das hat mich erschreckt, es ist nicht „weit weg“ oder „nicht sichtbar“, oft ist die Mafia direkt vor Ort, für alle sichtbar, die es sehen wollen.
Wie groß ist die Gefahr, dass sich solche Mafia-Morde in Deutschland wiederholen könnten?
Man sagt, die Morde von Duisburg waren ein „Betriebsunfall“ der ‘Ndrangheta. Die Organisation arbeitet lieber ohne großes Aufsehen, gut versteckt im Verborgenen. Alles andere schädigt das Geschäft. Von daher, ich glaube in dem Ausmaß werden die Morde eine Ausnahme bleiben. Aber sicher kann man da nicht sein, man weiß nie, was innerhalb der Organisation gerade für Machtkämpfe toben, sie sich dann vielleicht auch für alle sichtbar entladen.
Hat sich durch die Duisburger Morde die Wahrnehmung der Mafia in Deutschland nachhaltig verändert oder wird das Problem noch immer unterschätzt?
Erst durch die Duisburger Morde sind die Behörden hier wirklich auf die ‘Ndrangheta aufmerksam geworden. Danach wurden auch etliche Maßnahme zur Bekämpfung der ‘Ndrangheta eingeleitet, in Deutschland, aber auch in Europa. Die Morde haben auch in der öffentlichen Wahrnehmung zum ersten Mal dafür gesorgt, dass die Präsenz der Mafia in Deutschland als eine wirkliche Gefahr herausgestellt wurde. Aber wenn man ehrlich ist, dann wird das Problem noch immer massiv unterschätzt. Die Gefahr durch Mafiaorganisationen wie die ‘Ndrangheta ist viel massiver, als sie in der Öffentlichkeit bekannt ist.
Was erhoffen Sie sich von der Veröffentlichung der Doku – welche Debatten soll sie anstoßen?
Für uns war es von Anfang an wichtig, dass wir mit unseren bescheidenen Mitteln dazu beitragen, dass mehr über die Gefahren der Mafiaorganisationen in Deutschland gesprochen wird. Es ist leicht, vor dieser realen Bedrohung die Augen zu verschließen. Aber manchmal muss man hinsehen, um dann daraus die notwendigen Schlüsse ziehen zu können.
Der Film gehört zur «ARD Crime Time». Wird es eine Aufarbeitung im gleichnamigen Podcast geben?
Ja, der Fall wird in dem Podcast aufgearbeitet, der Autor der Serie, Peter Jeschke, ist daran auch als Gesprächspartner beteiligt.
Herzlichen Dank für Ihre Zeit!
«Die Mafiamorde von Duisburg» ist in der ARD Mediathek abrufbar.
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