Debatte

Der Zukunftsrat sieht die Dinge falsch

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Knapp 37 Seiten haben die Mitglieder des sogenannten Zukunftsrats ein Grundsatzprogramm präsentiert. Die meisten Ideen gehen allerdings an der Wirklichkeit des Programms vorbei, meint Fabian Riedner.

Steckbrief

Fabian Riedner arbeitete bei TVmatrix, drehte mit taff, gründete mehrere Websites, verkaufte Sevengames an ProSieben und ist seit 2002 Chef von Quotenmeter. Er investiert regelmäßig in Start-Ups und spricht fließend Finnisch. Eine Sache war glatt gelogen.
Am Donnerstag stellte der Zukunftsrat den Bericht für die zukünftige Entwicklung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks vor. Unter der Leitung der Vorsitzenden Julia Jäkel hieß es, das ARD, ZDF und Deutschlandradio zwar „weiterhin Vertrauen in der Bevölkerung“ genießen. Aber es lasse sich nicht übersehen, „dass die Kritik von verschiedenen Seiten zugenommen hat“. Diese Einschätzung mag zwar auf den ersten Blick stimmen, doch einen kausalen Zusammenhang hat diese Aussage nicht. Vielmehr sind die Reichweiten der öffentlich-rechtlichen Fernsehsender regelrecht explodiert. Mit den zahlreichen «Tagesschau»-Ablegern wie tagesschau24, der eigenen App für Smartphones und die Verzahnung mit sozialen Medien wie TikTok erreicht die Nachrichtenmarke eine sehr hohe Aufmerksamkeit. Außerdem hat sich das politische Feld in Deutschland verschärft, ein zunehmender Teil der Bevölkerung ist mit der Politik unter Bundeskanzler Olaf Scholz und dessen Ampel-Regierung unzufrieden. Die Marken geraten unter Druck, weil sich mehr Personen an den Aussagen stören. Dass es beim jungen Netzwerk FUNK scheinbar keinen vernünftigen Chefredakteur gibt, der die Videos prüft, trägt entscheidend zum Misstrauen bei. Dennoch: Die Aufrufe bewegen sich auf einem sehr hohen Niveau.

Der Zukunftsrat fordert eine Demokratie- und Gemeinwohlorientierung. Sie schreiben, dass den Bürger des Landes „ein leichter Zugang zu verlässlich recherchierten Information und Diskussionsformaten“ angeboten werden soll. Die Menschen in dem Gremium können den Fakt aber nicht beantworten, wie dies geschehen soll. Dank Mediatheken, Apps und einem seit Jahren konstanten linearen Programmangebot können die Informationen jederzeit aufgerufen werden. Personen in Deutschland, die sich nicht informieren möchten, können nicht erreicht werden. Die «Tagesschau» kommt immer um 20.00 Uhr, die Polit-Magazine mit Recherche-Ergebnissen laufen dienstags und donnerstags um 21.45 Uhr. Zwar löst Caren Miosga nun Anne Will ab, der Sendeplatz bleibt aber am Sonntag nach dem «Tatort» seit Jahrzehnten fest bestehen.

Eine interessante Tatsache ist aber, dass man die Ausrichtung des Angebots nicht als ausreichend ansieht. Der Zukunftsrat spricht zwar von Ausländern, die mittel- oder langfristig die deutsche Staatsbürgerschaft erworben wollen. Schon vor Jahren stellte Quotenmeter die verpasste Chance eines türkischsprachigen ARD-Angebots in den Mittelpunkt. Um Einwanderer und Flüchtlinge abzuholen, muss es Programme in verschiedenen Sprachen geben und Inhalte von privaten Sendern wie «Gute Zeiten, schlechte Zeiten», «Das Duell um die Welt» und «Hartes Deutschland – Leben im Brennpunkt» müssen zugekauft werden, um ein gesamtheitliches Bild des Landes aufzuzeigen.

Die nationalen und regionalen Angebote sollen mehr Neues und Unterscheidbares liefern, meint der Zukunftsrat. Das ist in der Tat ein valider Punkt, denn seit Jahren dominieren die gleiche Art Serien, Kriminalreihen und Shows das Programm. Seitdem das Fernsehprogramm digitalisiert ist, sollten sich die Landesrundfunkanstalten auf ihr Zuhause konzentrieren. Der Bayerische Rundfunk sollte beispielsweise nur Zoogeschichten aus Bayern zeigen und nicht das Programm mit dem Tierpark Hagenbeck füllen.

Gleichzeitig muss aber auch der Druck auf die Politik erhöht werden: Eigenproduzierte Inhalte sollen dauerhaft in den Mediatheken zur Verfügung stehen. Das scheitert immer noch daran, dass sich einzelne Bundesländer von den privaten Wettbewerbern bequatschen lassen. Es ist kurios, dass bei Netflix Factual-Formate vom ZDF zu finden sind, die es nicht mehr in der ZDFmediathek gibt. Dann könnten auch die Bezahl-Angebote ARD Plus und ZDF select verschwinden, die einen überaus schlechten Ruf in der Bevölkerung haben.

Einen wichtigen Punkt klammerte der Zukunftsrat völlig unverständlich aus: Die Programmgestaltung in Sachen Fiction. Das Erste und das ZDF produzieren so viele Formate wie noch nie. Doch zahlreiche Programme laufen viel zu spät oder nur auf den Spartensendern wie ZDFneo. Gleichzeitig werden unzählige Krimireihen mit mehr als 20 Episoden pro Jahr gedreht. Fiktionale Stoffe sollten bei der Erstausstrahlung bis maximal 23.00 Uhr gesendet werden. Wenn Das Erste keinen Programmplatz findet, eine neue Miniserie zu versenden, dann muss die Zahl der Stoffe reduziert werden. Vielleicht muss aber auch darüber diskutiert werden, dass man im Zuge der Vielfalt die Anzahl der Episoden von Dauerbrennern wie «In aller Freundschaft» und «Die Rosenheim-Cops» reduziert. Dagegen teure Eigenproduktionen wie «Oderbruch» bis um 01.50 Uhr zu versenden, ist rausgeworfenes Geld.

Gleichzeitig muss die Zahl der Mitarbeiter in den ARD-Anstalten reduziert werden. Die Programmdirektoren wollen zwar die vielfachen Service-Magazine einstellen und eine Sendung für die dritten Programme bereitstellen, doch wenn man die Mitarbeiter nur versetzt, ändern sich auch nicht – oder nur kaum – die Personalausgaben. Während es in Hessen nur die «Hessenschau» für regionale Angebote gibt, produziert der WDR gleich elf verschiedenen halbstündige Ausgaben der «Lokalzeit». Viele Beiträge wirken wie Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, damit die Sendung gefüllt werden kann.

Gut gemeint, aber nicht umsetzbar: Der Überbau der Rundfunkanstalten der ARD. Im Grunde würden dann die Intendanten ihren Job verlieren. Diese neue ARD-Anstalt soll Strategie-, Steuerungs-, Finanz- und Organisationskompetenzen haben. Wenn schon der Saarländische Rundfunk und Radio Bremen eine sinnvolle Verschlankung kategorisch ablehnen, wird das auch nicht im größeren Stil funktionieren.

Der Bericht des Zukunftsrat ist enttäuschend, denn die Mitglieder scheinen sich in vielen Punkten nicht auszukennen. Es werden zahlreiche Punkte diskutiert, die wenig oder keine Auswirkungen auf die Höhe der monatlichen Abgabe haben. Die meisten Beitragszahler wollen den öffentlich-rechtlichen Rundfunk gar nicht abschaffen, sondern die ausufernden Gebührenerhöhungen in Zeiten der Inflation und Wirtschaftsschwankungen nicht hinnehmen.

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