Hintergrund

Wie unterschiedlich bearbeiten funk und der SWR das Thema Kleidung aussortieren?

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Der SWR und funk haben jeweils eine Dokumentation über das Aussortieren eines überfüllten Kleiderschranks veröffentlicht. Quotenmeter hat sich beide Formate angeschaut und hat deutliche Unterschiede in der inhaltlichen Aufarbeitung erkannt.

Seit 2016 bündelt das Online-Content Netzwerk funk Angebote in Form von Videos, Podcasts und Serien. Diese richten sich vor allem an Personen zwischen 14 und 29 Jahren. In den letzten Jahren stand funk immer wieder auf Social Media in der Kritik. Zu den Vorwürfen gehörten die Verfälschung geschichtlicher Tatsachen, eine falsche Darstellung der deutschen Parteien oder der Missbrauch von YouTubern. Daneben überschneiden sich des Öfteren die Themen mit denen der Angebote der Rundfunkanstalten. So auch bei der am 13. Juni veröffentlichten Dokumentation «Kleiderschrank ordnen: Ausmisten, Recycling und Secondhand». Diese ähnelt in Teilen der Puls Reportage «Minimalismus im Kleiderschrank: Zwei Outfits für zwei Wochen». Da kommt die Frage auf, in welchen Elementen unterscheiden sich die Dokus von funk und dem linearen Fernsehen?

Im Kerngedanken sind die beiden Berichterstattungen nahezu identisch: Viele Menschen haben einen vollen Schrank mit Kleidung, die selten getragen wird. Während im weiteren Verlauf der SWR-Produktion Tipps und Tricks zum Aussortieren sowie dem Spenden und Verkaufen gezeigt werden, versucht Puls-Moderatorin Ariane Alter zwei Wochen mit nur zwei Outfits zu überbrücken. Beide Sendungen legen den Fokus am Ende auf die Tatsache, dass wenige gern getragene Kleidungsstücke oft sinnvoller sind als viele selten Getragene – sowohl für die Umwelt, den Gelbeutel als auch für das eigene Wohlbefinden. Mit einer standartmäßigen Länge von 45 Minuten, kann beim SWR sehr genau auf verschiedene Aspekte eingegangen werden, darunter auf Secondhand-Shops, Altkleidercontainer und dem Recycling der aussortierten Klamotten. Konkret wird gezeigt, wie Secondhand-Shops arbeiten oder was mit Kleidung in Altkleidercontainern passiert. Denn nur bei caritativen Altkleidercontainern wird das Abgegebene auch gespendet. Auf der anderen Seite versuchen Unternehmen mit gespendeten Kleidern Gewinn zu erwirtschaften, indem sie versuchen Altes zu recyclen.



Daneben geht Puls in lediglich zwölf Minuten auf die persönlichen Erfahrungen und die Reaktionen des Umfelds der Moderatorin bei dem Selbstversuch ein. Die Kürze der Reportage wird durch den starken Konkurrenzkampf auf YouTube begründet. Damit ein Video auch wirklich relevant ist, müssen die Creator mit herausstechenden Merkmalen Punkten. Konkret kann es sich hierbei um beispielsweiße die Personen vor der Kamera oder gute Videobearbeitung handeln. Seit Start des Kanals hat sich eine Videolänge von ca. zehn bis 25 Minuten eingebürgert, was eine leicht konsumierbare Länge für Zuschauer darstellt.

funk will mit hohem Tempo junges Publikum binden
Bei dem funk-Format werden schnelle Schnitte mit vielen unterschiedlichen Perspektiven gesetzt. Zudem wird zwischenzeitlich mit dem Handy aufgenommenes Material verwendet, um den Alltag authentisch begleiten zu können. Daneben setzt Puls auf moderne, bekannte Musik in Szenenübergängen. Generell ist die Musik ein stark genutztes Mittel und untermalt die angesprochenen Themen passend. Das kommt vor allem am Beispiel einer „Ghetto-Weste“, die Ariane Alter vorstellt, zu Geltung: Die Weste wird für einen Moment fokussiert und der Deutschrap-Titel „Mein Block“ von Sido abgespielt.

Im Kontrast dazu setzt die SWR-Dokumentation auf eine ruhige Atmosphäre mit wenigen unterschiedlichen Perspektiven. Die Musik ist meist rein instrumentell und nicht wirklich bekannt. Generell wirkt die Dokumentation etwas langsamer und ruhiger. Auch auf dem Titelbild des Videos sind deutliche Unterschiede zu erkennen: Der SWR hält alles eher schlicht und zeigt einen aufgeräumten Kleiderschrank, was den kompletten Inhalt der Dokumentation widerspiegelt. Im Vergleich dazu zeigt das Bild von Puls die beiden Outfits, die Alter ausgewählt hat. Durch ihren Gesichtsausdruck wird dem potenziellen Zuschauer direkt ein skeptisches Gefühl vermittelt und soll somit neugierig auf den Inhalt gemacht werden. Beide Thumbnails sind passend gewählt und auf die Plattform und das Publikum angepasst.

SWR setzt auf Vermittlung, funk auf Darsteller
SWR-Moderatorin Hendrike Brenninkmeyer nimmt die Zuschauer mit in die Wohnung von Irini, deren Kleiderschrank sortiert werden soll. Dort werden zunächst die vollen Kleiderschränke begutachtet. Anschließend besuchen die beiden ein Möbelgeschäft, um sich zum Platzsparen beraten zu lassen. Während Irini wieder nach Hause geht und ausmistet, schaut Brenninkmeyer bei einer verantwortlichen Firma von Altkleidercontainern vorbei und erfährt, was mit der abgegebenen Kleidung passiert. Sie stellt gezielte Fragen und dient zwischen einer Ordnungsexpertin und Irini als Vermittlerin, indem sie ständig das Gespräch anfeuert. Die benutzte Sprache ist sachlich und leicht zu verstehen, Anglizismen oder Jugendsprache wird nicht benutzt, um ein älteres Publikum nicht auszuschließen. Im Gespräch mit Experten wendet sie einige Beispiele auf sich selbst an, um das Gesagte zu veranschaulichen. Der letzte Punkt überschneidet sich mit Ariane Alter von Puls, da deren Reportage jedoch ein Selbstversuch ist, ist dies selbstverständlich.



Der größte Unterschied ist im Sprachgebrauch zu erkennen. Ohne, dass es sich künstlich anhört, verbaut Alter viele Anglizismen in ihren Sätzen. Ein Beispiel hierfür ist der Satz: „Das Kapitel ist erstmal over“, so Alter, als sie sich freut, dass sie durch die verminderte Auswahl der Kleidung sehr viel Zeit beim Zusammenstellen der täglichen Outfits spart. Auch liegen hier die Emotionen der Moderatorin im Vordergrund, was beim SWR nur selten der Fall war. Ariane Alter hat eine sehr aussagekräftige Mimik und Gestik und kann so ihre Gefühle sehr einfach vermitteln. Neben der Wissensvermittlung steht hier auch die Unterhaltung im Vordergrund, um zu verhindern, dass Zuschauer auf andere Dokumentationen zu dem Thema ausweichen. Dadurch wirkt Alter auf einige Personen womöglich etwas aufgedreht.

Mehr Expertise beim SWR
Der SWR zieht viele verschiedene Experten und Erfahrene hinzu, die Themen durch ihre Fachkenntnisse explizit beleuchten können. Unter anderem kommen Ordnungsexpertin Denise Colquhoun, Joachim Heckmann, Geschäftsführer eines Möbelgeschäfts, Carina Breisch, Chefin eines Secondhand-Ladens, Thomas Böschen, Geschäftsführer der größten Altkleider Sortieranlage sowie einige seiner Mitarbeiter zu Wort. Durch die verschiedenen Experten kann die Dokumentation einen sehr tiefen und verständlichen Einblick in das Thema geben. Im Kontrast dazu steht Puls. In dieser Reportage wurden lediglich Alters Kollegen und Freunde befragt. In der Regel zieht der funk-Kanal einen Experten pro Video zu Rate. Beispielsweise in der Reportage «Mode-Challenge: So findest du deinen Outfit Style!», denn dort darf Stylistin Saskia Hammen dem Moderator Sebastian Meinberg Tipps für einen besseren Modegeschmack geben. Die SWR-Dokumentation wirkt demgegenüber wegen der verschiedenen Perspektiven vielfältiger.

Fazit
Zusammengefasst geht die SWR-Doku besser auf den Inhalt ein und zeigt verschiedene Perspektiven auf. Das ist verbunden mit einer langsameren Schnitt-Geschwindigkeit des Videos und einer allgemein ruhigen Atmosphäre. Alles wird sehr sachlich aufbereitet – an manch einer Stelle womöglich sogar etwas zu sachlich. Puls setzt dagegen, durch den Konkurrenzkampf auf YouTube, auf kürzere Videos, mit schneller Schnitt-Geschwindigkeit und aufregender Atmosphäre. Generell nimmt der Unterhaltungsfaktor einen hohen Stellenwert ein, was gut an der Musikauswahl und passenden Schnitten zu sehen ist. Es wird sich die jüngere Zielgruppe angepasst und passende Sprache mit modernen Wörtern verwendet.

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