Interview

„Ich halte Fabian Hinrichs für den interessantesten Schauspieler im deutschsprachigen Raum“

von

Regisseur Michael Krummenacher hat den neuen «Tatort» aus Franken inszeniert, der am kommenden Sonntag im Ersten ausgestrahlt wird.

Hallo Herr Krummenacher. Sie haben den bereits neunten Franken-«Tatort» mit Fabian Hinrichs und Dagmar Manzel abgedreht. Wie waren die Dreharbeiten?
„Hochamt für Toni“ war nach Kino- und Serienprojekten mein erster Film für eine bestehende Reihe. Insofern musste ich mich tatsächlich erst einmal zurecht finden – inhaltlich über die vergangenen Teile, aber auch bezüglich der produktionellen Rahmenbedingungen. Wir konnten ein tolles Team aus mir bereits langjährig vertrauten Mitarbeitern wie Kameramann Jakob Wiesner und neuen Mitgliedern, wie auch einen großartigen Cast gewinnen, was die Dreharbeiten zu einer schönen Arbeit gemacht hat.

Während sich viele «Tatort»-Reihen auf Städte beschränken, haben Sie eine Region mit fünf Millionen Menschen auf 22.000 Quadratkilometer zum Drehen. Ist solch ein großes Gebiet schwieriger oder leichter einzufangen?
Das ist definitiv schwieriger. Insbesondere weil „Hochamt für Toni“ nicht im der Reihe vertrauten Umfeld von Nürnberg spielt. Außerdem ist es eine Geschichte, bei der die Atmosphäre und die fränkische Landschaft für mich seit dem ersten Lesen eine große Rolle spielte. Unsere Szenenbildnerin Debora Reischmann hat mit unermüdlichem Einsatz während Wochen nach den richtigen Drehorten gesucht, bis wir schließlich im Landkreis Ansbach fündig wurden.

Fränkische Fiktion ist beim BR Fernsehen eher Mangelware. Liegt auf dem Franken-«Tatort» deshalb im Haus ein besonderes Augenmerk?
Franken ist ein großes und in jeder Hinsicht sehr erzählenswertes Gebiet, insofern finde ich es allein schon deshalb richtig, dass dem Tatort Franken ein großes Interesse des Senders entgegengebracht wird. «Tatort» aus Franken war aber auch unserer vor kurzem tragischerweise verstorbenen Redakteurin Stephanie Heckner ganz persönlich enorm wichtig. Das wurde in jedem einzelnen Gespräch spürbar – sie kannte die Figuren und das Drehbuch in- und auswendig, hatte immer ein offenes Ohr und war enorm angenehm und konstruktiv in der Zusammenarbeit. Ich hätte gerne die Gelegenheit gehabt, mehr Filme mit ihr zu machen.

Im neuesten Fall „Hochamt für Toni“ stirbt Voss‘ Freund der Pfarrer Marcus Borchert. Worauf können wir uns bei diesem Fall gefasst machen?
„Hochamt für Toni“ ist wahrscheinlich ein bisschen ein Sonderfall innerhalb des «Tatort»-Franken. Das war schon in Bernd Langes Drehbuch angelegt: feinfühlig und melancholisch, wahrscheinlich mehr Melodram als Krimi. Das war etwas, was mich sehr gereizt hat. Außerdem ist es das erste Mal in der Reihe, dass Fabian Hinrichs’ Kommissarsfigur Felix Voss im Mittelpunkt steht und wir so viel über seine Vergangenheit und seine Gefühlswelt erfahren…

Sie haben vor vier Jahren die Sky-Serie «8 Tage» verfilmt. Waren die Zuschauer enttäuscht, dass die Serie nicht als Anthologie fortgeführt wurde? Die Kritiken waren ja super…
Ich denke, dass es immer eine gewisse Enttäuschung gibt, wenn eine Serie nicht weitergeht. Man verbringt als Zuschauer ja viel Zeit mit den Figuren und schließt sie ins Herz. Da möchte man die alten Bekannten auch mal wiedersehen und erfahren, was aus ihnen geworden ist. Ich selber empfinde als Zuschauer eine erste Staffel oftmals als frisch und aufregend, eine zweite Staffel hingegen als lauwarmen Aufguss, bei dem Ideen aus der ersten wiederholt und Storylines unnötig ausgewalzt werden. Insofern ist es vielleicht manchmal auch gut, die alten Bekannten ziehen zu lassen…

Bei «8 Tage» wirkte auch «Tatort»-Schauspieler Fabian Hinrichs mit. Wie fällt so ein Wiedersehen am Set aus?
Nach «8 Tage» und «Preis der Freiheit» war „Hochamt“ schon die dritte Zusammenarbeit mit Fabian. Ich halte ihn für einen der interessantesten Schauspieler im deutschsprachigen Raum, und wir haben uns durch die Zusammenarbeit auch privat schätzen gelernt. Seit «8 Tage» haben wir uns beide stark weiterentwickelt und es ist sehr schön, das in einer gewissen Regelmäßigkeit durch die gemeinsame Arbeit herauszufinden. Das gegenseitige Vertrauen wächst, und man findet eine gemeinsame Sprache. Gerade bereite ich mit «Landesverräter» einen Kinofilm vor, in welchem Fabian eine Hauptrolle spielt. Darauf freue ich mich.

Sie haben auch den Spielfilm «Der Räuber Hotzenplotz» gedreht. Was hat Sie an dieser Neuauflage gereizt?
«Der Räuber Hotzenplotz» war eines meiner allerliebsten Kinderbücher. Als ich mich nach kurzem Zögern mit dem Gedanken, einen Familienfilm zu machen, angefreundet hatte, gab es kein Halten mehr. Es hat unglaublich viel Spaß bereitet, diese Figuren und ihre Welt auf die Leinwand zu bringen. Auch oder gerade weil es so gar nichts mit meiner bisherigen Filmographie zu tun hatte. Generell werden Regisseure wie auch Schauspieler in Deutschland zu schnell in Schubladen gesteckt und sollen ab da nur noch mehr von demselben machen.

Ich hoffe, dass ich so unberechenbar wie bisher weitermachen darf. Das braucht aber immer auch einen gewissen Mut und die Fantasie, außerhalb dieser Schubladen zu denken – was Produzenten wie Uli Putz und Jakob Claussen, die den Hotzenplotz produziert haben, auszeichnet.

Der Film ist für den Deutschen Filmpreis als bester Kinderfilm nominiert. Leider ging Ihr Film leer aus. Waren Sie mit der Nominierung dennoch zufrieden?
Natürlich! Die Nominierung ist ja schon ein großes Zeichen der Wertschätzung von Kolleginnen und Kollegen aus allen Gewerken, darauf können wir stolz sein. Außerdem haben über eine Million Menschen den Film in deutschen Kinos gesehen – für viele kleine Menschen war das der magische erste Kinobesuch. Als großer Verfechter des Kinos hat mir das am allermeisten bedeutet.

Würden Sie sagen, dass «Der Preis der Freiheit» Ihr bislang größtes Projekt war? Wie ist das zustande gekommen?
Mein geschätzter Kollege und Editor Max Fey hat «Preis der Freiheit» mal „das Stahlbad“ genannt und so ganz unrecht hatte er damit nicht… Allein die Anzahl Drehtage und die Endlänge von 300 Minuten als noch relativ junger Regisseur alleine zu verantworten hat «PDF» zu einem Projekt gemacht, das für mich persönlich immer einen besonderen Stellenwert haben wird. Gabriela Sperl hatte meinen Abschlussfilm «Sibylle» gesehen und mochte meine Art, mit Schauspielern umzugehen und visuell zu erzählen. Dass sie und das ZDF (Redaktion: Caroline von Senden und Solveig Cornelisen) mir diese Chance gegeben haben, war damals definitiv auch eine Entscheidung außerhalb der Schubladen, für die ich ihnen immer noch dankbar bin. Ich habe durch «PDF» sehr viel gelernt und Routine gewonnen. Das Stahlbad hat definitiv im positivsten Sinne abgehärtet.

Im November sahen rund vier Millionen Menschen den Dreiteiler. Waren Sie mit den Werten zufrieden?
Mir fällt es, ehrlich gesagt, schwer, Fernsehquoten zu beurteilen. Dafür fehlen mir das Wissen und die Vergleiche. «Preis der Freiheit» hatte überdurchschnittlich gute Werte in der ZDF- Mediathek, was mir und dem ZDF viel bedeutet hat – ich finde es wichtig, dass das öffentlich-

rechtliche Programm auch außerhalb des linearen Fernsehens sein (auch jüngeres) Publikum findet. Dass «Preis der Freiheit» den Deutschen Fernsehpreis für den besten Mehrteiler gewonnen hat und mit Barbara Auer und Joachim Kròl gleich zwei SchauspielerInnen aus dem fantastischen Cast verdientermaßen in ihren Kategorien ausgezeichnet wurden, war die Krönung. Ich trauere aber immer noch ein bisschen der Preisverleihung nach, die prompt in diesem Jahr wegen Corona ausfiel.

Vielen Dank für Ihre Zeit!

«Tatort: Hochamt für Toni» wird am Sonntag, den 4. Juni, im Ersten ausgestrahlt.

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