Die Kritiker

«Der Amsterdam-Krimi: Mädchen ohne Namen»

von

Die einzige Spur zum Mörder eines deutschen Undercover-Polizisten führt nach Amsterdam. Der in Amsterdam lebende deutsche Polizist Alex Pollack kannte den Toten. Die eine Spur, die sich verfolgen lässt, führt in ein Bordell, in dem junge Frauen aus Osteuropa arbeiten. Eine von ihnen zieht die Aufmerksamkeit von Alex auf sich.

Stab

DARSTELLER: Hannes Jaenicke, Fedja van Huêt, Peter Post, Birgit Welink, Carina de Vroome, Arent Jan Linde, Mike Reus, Dries Alkemade, Sara Luna Zoric, Carlos Puts
REGIE: Ismail Sahin
BUCH: Peter Koller
KAMERA: Aljoscha Hennig
MUSIK: Andreas Helmle
Der fünfte Fall des deutschen Ermittlers Alex Pollack ist ein durchwachsenes Vergnügen, in dem der Stil vom Inhalt ablenkt. Wie in den Vorgängerspielfilmen ist die Kamera einmal mehr vorzüglich und fängt ein Amsterdam der dunklen Töne jenseits der Grachten ein. Die Filmmusik von Andreas Helmle erzeugt derweil einen unheimlichen Klangteppich, der in jeder einzelnen Szene ein Gefühl des Unbehagens greifbar werden lässt. Die Montage ist schlichtweg exzellent, die Regie tadellos dort, wo es darum geht, Bilder zu erzeugen. Auf Seiten der Geschichte aber ruckelt es. Warum?

Zunächst ein Blick auf die Handlung. Ein LKA-Beamter wird bestialisch ermordet. Er hat undercover gearbeitet und er war einem Mann auf der Spur, der der Gärtner genannt wird. Abgesehen von diesem Tarnnamen ist nichts über diesen Mann bekannt. Der Gärtner ist ein Mädchenhändler. Seine Zuarbeiter heuern junge Frauen in Weißrussland oder der Vorkriegs-Ukraine als Gastronomie- oder Hotelangestellte an. Kaum aber sind sie im Westen angekommen, werden sie zur Prostitution gezwungen. Offenbar ist der Gärtner ein Deutscher, sein „Hauptabsatzmarkt“ aber scheint Amsterdam zu sein. Zumindest führt diese eine Spur, eine „Lieferung“, in ein Bordell in Amsterdam.

In diesem Bordell arbeitet die Weißrussin Leila. Auch sie ist zur Prostitution gezwungen worden. Pollacks Ermittlerteam beginnt mit dem Abhören des Bordells. Über Wochen zieht sich diese Arbeit hin. Bis Axel Pollack auf einem Tonbandmitschnitt etwas auffällt: Leilas Stimme. Als ihre Ermittlungen begannen, da wirkte Leila oft ängstlich und verstört. Nun wirkt sie gegenüber ihren Peinigern immer noch unterwürfig. Aber nur in ihren Worten. Der Ton erzählt Pollack etwas anderes. Die Art, wie sie spricht, wie sie ihre Worte regelrecht ausspuckt, verrät, dass etwas in ihr brodelt. Diese junge Frau hat keine Angst mehr. Diese junge Frau hat nur noch Wut in sich. Axel Pollack entschließt sich, sich Leila zu erkennen zu geben. Er bittet sie, bei den Ermittlungen zu helfen, denn sie kommt an die Orte, an denen die Abhöranlagen der Polizei nur noch Grundrauschen aufzeichnen.

Das Problem ist: Das war die Handlung. Im Grunde erzählt dieser «Amsterdam-Krimi» die Geschichte einer Abhöraktion. Die Polizisten sitzen in ihrem Kabuff, in dem sie darauf warten, dass sich ein Mann aus Deutschland meldet, den sie dann wegen Polizistenmordes verhaften können. Die exzellente Kamera, die elegante Montage, die Musik, sie alle wirken an einem Versteckspiel mit: Sie verstecken die Simplizität der Geschichte, die sich dadurch über ihre 90 Minuten Spielzeit rettet, dass sie Leila ein doppeltes Spiel spielen lässt. Leila hat Angst, dass sie schutzlos abgeschoben wird (nicht vergessen: In Weißrussland arbeiten Zuträger des Gärtners). Also versucht sie nun, dies zu verhindern, indem sie ihr eigenes Spiel spielt, in dem sie die Regeln bestimmt und mehr ist als nur ein Bauer auf einem Schachbrett ist. Das alles aber wirkt so vorhersehbar konstruiert, dass man sich die Frage stellt: Wenn sie Pollack doch offenbar so weit vertraut, dass sie sich auf dieses Spiel einlässt, warum klärt sie ihn dann nicht einfach über ihre Ängste auf und lässt ihn einen Plan ersinnen, wie er ihr (und ihrer Familie) helfen kann?

Was der Geschichte darüber hinaus fehlt, ist so etwas wie ein echter Antagonist. Ja, die Zuhälter sind Dreckskerle. Darüber muss man gar nicht diskutieren. Aber mehr als Klischees sind sie bei alledem nicht.

Da gibt es den miesen Blondschopf mit Shampooallergie: Check.

Da ist der Türsteher, der nicht viel zu sagen hat und im Schatten von Blondie agiert: Check.

Und natürlich gibt es den Boss, der der Boss ist, weil er im Gegensatz zu Blondie einen Schulabschluss hat und daher seine Steuererklärung korrekt ausfüllen kann: Check.

Keine dieser Figuren kommt über eine Reißbrettzeichnung hinaus. Aber auch Hannes Jaenicke agiert schwach. Abgesehen von den Momenten mit Leila bewegt er sich im Umfeld seiner televisionären Kriminalkollegen → und gibt Anweisungen. Das war's. Allein die agile Kamera kaschiert die narrative Tristesse.

Streicht man die technische Brillanz des Thrillers aus der Betrachtung heraus, bleibt ein Film, in dem Polizistinnen und Polizisten auf ein Bordell starren.

Am Donnerstag, 17. März 2022, 20.15 Uhr, Das Erde

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