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«Disenchantment»: Warum die neue Matt-Groening-Serie den Zeitgeist trifft

von   |  3 Kommentare

Nach den «Simpsons» arbeitete sich Animations-Genie Matt Groening mit «Futurama» am Science-Fiction-Genre ab, nun folgt eine Fantasy-Persiflage. Diese kommt genau zur rechten Zeit.

«Disenchantment» bei Quotenmeter.de

Lesen Sie anlässlich des Starts von «Disenchantment» bei Quotenmeter.de außerdem ein Portrait zu Serienschöpfer Matt Groening am Donnerstag sowie die Quotenmeter.de-Kritik zur Serie am Sonntag.
Matt Groening ist ein geheimnisvoller Mensch. Würde der öffentlichkeitsscheue TV-Macher nicht doch hin und wieder vor Kameras auftauchen, könnte man auf den Gedanken kommen, bei seinem Namen handle es sich um ein Pseudonym einer von Fernsehfunktionären geschaffenen künstlichen Intelligenz, die programmiert wurde, um die perfekten Animationsserien zu schaffen. Zumindest legen es die Verdienste, die Groening in diesem Fach vorzuweisen hat, nahe. «Die Simpsons» stellen wohl eines der bekanntesten TV-Formate überhaupt dar und kennzeichnen mit bald 30 Staffeln mittlerweile die am längsten laufende fiktionale US-Primetime-Serie aller Zeiten. Über einen deutlich kürzeren Atem verfügte das in sieben Staffeln ausgestrahlte «Futurama», eine weitere Groening-Serie, die als Mix zwischen Animations-Comedy und Science-Fiction zum Kult wurde.

„Die Simpsons haben‘s vorausgesagt“, oder: Matt Groening, der Visionär


Was Groening außerdem auszeichnet: Er gilt als eine Art Visionär. Mit den «Simpsons» war er seiner Zeit inhaltlich häufig mehrere Schritte voraus, sodass sich über die Jahre Handlungselemente in der FOX-Serie häuften, die letztlich die Zukunft vorhersagten, darunter die Tiger-Attacke auf Siegfried und Roy, der NSA-Skandal, Korruption in der FIFA, Griechenlands Schuldenkrise oder Donald Trumps Präsidentschaft.

Während im Rahmen der «Simpsons» also häufig Fiktion zur Realität wurde, stand «Futurama» mehr für Groenings Gabe, TV-Trends vorherzusehen und diese durch den Kakao zu ziehen. Zwar handelt es sich beim Science-Fiction-Genre um ein inhaltlich sehr breites Themengebiet, das weit über Raumschiffe, Aliens und Weltall hinausgeht und sich in der Unterhaltungsindustrie schon seit Dekaden einer großen Beliebtheit erfreut, gerade in den vergangenen Jahren erlebte Science-Fiction aber im Serien-Bereich einen großen Hype. Stellvertretend stehen dafür etwa «Stranger Things», «Altered Carbon», «The Orville», das «Star Trek»-Reboot oder Formate wie «The 100», «The Expanse», «Rick & Morty» und viele mehr. Letztlich stellen «Die Simpsons» auch nicht mehr dar als eine Persiflage auf die ungemein populären Familien-Sitcoms, mit denen Groening in den 1960er Jahren aufwuchs.

Fantasy als das ‚nächste große Ding‘?


Mit «Disenchantment», das am 17. August bei Netflix startet, verspricht die nächste Matt-Groening-Serie Vorbote eines TV-Trends zu sein, der sich nun schon seit längerem ankündigt. Die Animations-Comedy spielt in einer mittelalterlichen Fantasy-Welt, was bei Beobachtern schnell recht platte Assoziationen weckte. „«Die Simpsons» trifft «Game of Thrones»“ hieß es daher in einigen Ankündigungen zum Format. Zur Verwunderung Vieler gab Groening vor Kurzem jedoch bekannt, dass er sich während der Entstehung von «Disenchantment» geweigert habe «Game of Thrones» zu schauen, weshalb er jegliche Parallelen zurückweist. „Wir haben lediglich zu Beginn eine «Game of Thrones»-Referenz eingebaut, weil ich wusste, dass Leute das wollen und ich wollte es aus dem Weg schaffen“, erzählte Groening der Plattform „Mashable“.

Dass das HBO-Epos dennoch eine große Inspiration für Groening darstellte, der bei der gleichen Gelegenheit einräumte, bis vor Produktionsstart von «Disenchantment» genauso besessen von «Game of Thrones» gewesen zu sein wie jeder andere Serien-Fan auch, lässt sich schwer von der Hand weisen und ist Zeichen des einzigartigen Groening-Gespürs, Genre-Trends zu antizipieren. Vieles spricht dafür, dass Fantasy das ‚nächste große Ding‘ in der Serienwelt werden könnte. Seit ihrem Start im Jahr 2011 entwickelte sich «Game of Thrones» zur populärsten Serie der Welt und kurz vor ihrem Ende im Jahr 2019 scheinen sich Fernsehmacher in Stellung zu bringen, um die Lücke zu füllen, die die Serie nach Vorlage der Romane von George R. R. Martin-Romane hinterlässt. HBO versucht dies selbst, indem es eine Reihe an Spin-Offs in Auftrag gab. Derweil haucht Amazon «Herr der Ringe» in Form einer Serie neues Leben ein – und lässt diese zu nicht weniger werden als zur teuersten Serie der Welt. Weitere mittelalterliche Fantasy-Serien werden kommen.

Groening spielt mit der Vorhersehbarkeit der Unterhaltungsindustrie


Facts zu «Disenchantment»

  • Genre: Animierte Sitcom / Fantasy
  • Schöpfer: Matt Groening
  • Showrunner: Matt Groening & Josh Weinstein
  • Stimmen: Abbi Jacobson, Nat Faxon, Eric Andre u.w.
  • Episoden: 10 (1 Staffel)
  • Weltpremiere: 17. August 2018 (Netflix)
Groening kennt die Denkprozesse, die bei Senderverantwortlichen und Produktionsfirmen als Reaktion auf Mega-Erfolge wie «Game of Thrones» entstehen und die nur darauf abzielen, irgendwie selbst Profit aus der Hit-Serie zu schlagen und ihre Charakteristika für sich nutzbar zu machen. Unterdessen liebt Groening es, sich genau über diese Vorhersehbarkeiten der Unterhaltungsindustrie lustig zu machen. «Disenchantment» wird den Zeitgeist bedienen, von dem die TV-Industrie derzeit noch gar nicht so richtig weiß, dass er ihr schon jetzt innewohnt.

In einem Interview sprach Groening über seine Liebe dazu, Fantasy-Welten zu nehmen und sie auf links zu drehen, „besonders Fantasy-Welten, die sich selbst sehr ernst nehmen.“ Deswegen finden sich in «Disenchantment» nicht nur die klassischen Fantasy- und Märchen-Klischees, sondern auch eine Persiflage auf die düsteren und blutigen Elemente, die Genre-Vorbild «Game of Thrones» auszeichnen. Die Hauptfigur in «Disenchantment» ist daher folgerichtig nicht weniger als eine hinterhältige, alkoholkranke Prinzessin, die von einem Dämon zu allerlei Schandtaten angetrieben wird. Fantasy-Serien und Charaktere dieser Art, das ahnt Groening wohl, werden in überernsten Fantasy-Formaten nach Vorbild von «Game of Thrones» womöglich bald aus dem Boden sprießen wie Unkraut.

Erstmals horizontal & ein Hauch von #MeToo


Doch «Disenchantment» wohnt noch ein anderes Element inne, das die Serie so zeitgemäß macht. Im Netflix-Format nimmt Groening Abstand von der weitgehend geschlossenen Episodenstruktur, die vor allem Sitcoms auszeichnet und bereits den «Simpsons» und «Futurama» innewohnte. Stattdessen erzählen Groening und sein Autorenteam ihre Geschichte horizontaler, was auch Ausdruck der über die vergangenen Jahre kontinuierlich zunehmenden Serialisierung ist. Ob sich Groening einen Gefallen mit diesem Erstversuch getan hat, wird sich erst noch zeigen. Erste US-Kritiken, deren Autoren bereits die ersten sieben Episoden von «Disenchantment» ansehen durften, fallen sehr gemischt aus.

Dass eine starke Frauenfigur im Mittelpunkt von «Disenchantment» steht, ist laut Groening nicht das Ergebnis der #MeToo-Debatte, passt aber natürlich dennoch bestens zu aktuellen Trends in der Unterhaltungsindustrie, die ganze Franchises wie «Ghostbusters» oder «Ocean’s Eleven» neu auflegen und mit Frauen in den Hauptrollen besetzen. Groening erklärt die Entscheidung unterdessen damit, dass Männer in den klassischen Fabeln eher schwache Figuren darstellten und dafür Frauen oder Kinder starke Charaktere.

In vielerlei Hinsicht kommt «Disenchantment» aus Sicht aktueller und sich ankündigender Entwicklungen im TV-Fach also genau zur richtigen Zeit, auch wenn Matt Groening davon teilweise nichts wissen will. Das ist vermeintlich Ausdruck seiner Persönlichkeit, die sich nicht in die Karten schauen lassen will. Vieles deutet dennoch darauf hin, dass «Disenchantment», ganz ähnlich wie «Die Simpsons» und «Futurama», Trends, Inhalte und Stilmittel kommender Unterhaltungsformate aus dem Fantasy-Genre antizipiert, von denen viele Leute in einigen Jahren womöglich sagen werden: „«Disenchantment» hat es vorausgesagt!“ Dann kann Matt Groening sich zurücklehnen, die Fingerkuppen seiner Hände aufeinanderlegen und sagen: „Ausgezeichnet!“ Ähnlich wie seine «Simpsons»-Figur Mr. Burns.

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Es gibt 3 Kommentare zum Artikel
Familie Tschiep
15.08.2018 11:45 Uhr 1
Ist der Fantasytrend im Serienbereich so neu? Es werden viele Serien in diesem Bereich gedreht, das heißt aber nicht, dass alle so erfolgreich werden. Der Düsternistrend bietet sich zur Verarsche an.



Für mich ist Science-Fiction eher der größere Trend.
Milli09
15.08.2018 14:49 Uhr 2
Die Gags in den Trailern waren noch flacher, als in den neuen Simpsons-Staffeln.
CaptainCharisma
15.08.2018 15:16 Uhr 3
^Das wäre auch mein Bedenken. Ich finde auch sein zweites Steckenpferd, Futurama, wurde immer plumper und flacher. Kann mir deshalb schwer vorstellen, dass Groening da noch wirkliche innovative Pfeile im Köcher hat.
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