Stab
Darsteller: Klaus Steinbacher, Mercedes Müller, Mišel Matičević, Martina Gedeck, Brigitte Hobmeier, Lisa Maria PotthoffCreated by: Ronny Schalk und Alexis von Wittgenstein
Regie: Stephan Lacant
Drehbuch: Ronny Schalk (Headwriter), Dirk Eisfeld, Dani Merkel und Benjamin Sailer
Bildgestaltung: Michael Kotschi
Montage: Lukas Meissner, Marco Pav D’Auria und Benjamin Kaubisch
Szenenbild: Julian Augustin
Bereits die Anlage der Geschichte zeigt die Schwierigkeiten: Curt Prank (Mišel Matičević), der großspurige Biermagnat, hat sein Ziel erreicht, die lang geplante Bierburg errichtet und die Familie Hoflinger in die Schranken gewiesen. Anstatt nun in der Fortsetzung die Fallhöhe zu vergrößern, greifen die Autoren zu einem altbekannten Trick: Intrigen werden verdoppelt, Rivalitäten verdreifacht, und jede noch so kleine Regung der Figuren wird ins Monumentale aufgeblasen. Wo das Drama hätte feiner, leiser, vielschichtiger werden können, setzt die Serie auf die unablässige Eskalation.
Diese Eskalation verfehlt indes ihre Wirkung. Was in der ersten Staffel noch als scharf konturiertes Porträt eines gesellschaftlichen Umbruchs begann, gerät nun zur Seifenoper im Brauer-Milieu. Dass etwa Claras Ehe mit Roman brüchig wird, ließe sich durchaus als Spiegel gesellschaftlicher Zwänge erzählen – doch die Serie interessiert sich weniger für innere Konflikte als für äußerliche Effekte: Affären, Brände, Duelle. Mit jeder Folge steigert sich die Handlung in eine Überhitzung, die ihre Figuren erdrückt.
Besonders problematisch ist der Umgang mit den weiblichen Charakteren. Colina Kandl (Brigitte Hobmeier) durchlebt zwar eine Emanzipationsgeschichte, doch auch diese Figur bleibt letztlich Staffage, ein Nebenstrang, der vor allem dazu dient, die ohnehin übervolle Dramaturgie noch ein Stück weiter aufzublähen. Clara (Mercedes Müller), zwischen Vater und Ehemann zerrissen, wird wiederum weniger als handelndes Subjekt gezeigt, sondern als Spielball in einem Konkurrenzkampf, der sich unablässig im Kreis dreht.
Die Inszenierung von Stephan Lacant bemüht sich zwar um Wucht: dunkle Bilder, schwer atmende Szenen, die immer wieder in pathetische Gesten kippen. Doch in ihrer Schwere verliert die Serie jene ironische Brechung, die der ersten Staffel noch ganz guttat. Das Oktoberfest, jener Ort der Maß und Maßlosigkeit, wird zur bloßen Kulisse degradiert. Kaum einmal blitzt ein Gefühl für die besondere Atmosphäre Münchens auf, kaum einmal spürt man das sinnliche Versprechen, das in den Zelten, Bierkrügen und Fassaden steckt.

Was bleibt, ist der Eindruck einer Serie, die an ihrem eigenen Erfolgsdruck leidet. Wo die erste Staffel noch durch eine gewisse Überraschungskraft und das Wagnis, bayerisches Volkstheater mit Mafia-Epik zu mischen, auffiel, regiert nun die Formelhaftigkeit. Das Drehbuch von Ronny Schalk und seinem Team stapelt Konflikt auf Konflikt, bis jede emotionale Fallhöhe nivelliert ist. Der Zuschauer ermüdet angesichts der ständigen Wendungen, die nicht mehr überraschen, sondern nur noch versacken.
«Oktoberfest 1905» hätte die Chance gehabt, den Geist der Zeit zu erfassen – die Verwerfungen einer Stadt im Umbruch, die Verheißungen und Abgründe des Kapitalismus im Bierkrug. Stattdessen verliert sich die Serie in Klischees, in einer Ästhetik der Dauererregung und in Figuren, die bei allem Aufwand erstaunlich blutleer bleiben. So ist diese neue Staffel weniger ein Triumphzug als vielmehr eine Schaumkrone, die zu schnell zusammenfällt. Das Münchner Bierfest wird zum Hintergrund für ein Drama, das nicht zu Ende gärt – und damit leider ziemlich schal schmeckt.
Die Serie «Oktoberfest 1905» wird am Samstag, den 20. September um 20.15 Uhr ausgestrahlt.
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