Die Kritiker

«Der Wunsch»

von

Ein unerfüllter Kinderwunsch steht im Zentrum dieses faszinierenden Dokumentarfilms, den das ZDF am späten Montagabend ausstrahlt.

Stab

Schnitt: Jana Dugnus
Musik: Amund Ulvestad, Tinkley
Kamera: Yannick Bonica, Judith Beuth, Julia Weingarten, Cristian Pirjol, Markus Kloth
Drehbuch und Regie: Judith Beuth
Da sitzen sie also: Maria und Christiane. Zwei Frauen, zwei Körper, zwei Wünsche. Und ein Film, der sich traut, nicht auf das große Drama zu setzen – sondern auf das, was bleibt, wenn niemand hinschaut. Judith Beuths Dokumentarfilm «Der Wunsch» ist kein Spektakel, sondern eine stille Chronik. Eine Beobachtung in Echtzeit, über zehn Jahre hinweg. Und zehn Jahre – das ist in Filmlogik eine Ewigkeit.

Zehn Jahre, in denen das Wort Kinderwunsch irgendwann nicht mehr nach Hoffnung klingt, sondern nach Diagnose. Nicht mehr nach Plänen, sondern nach Protokollen. Maria sitzt im Rollstuhl, seit einem Unfall in ihrer Jugend. Christiane steht daneben – nicht hinter ihr, nicht vor ihr. Daneben. Das ist das Schöne an diesem Film: Er verbeugt sich nicht. Er stellt nicht aus. Er macht einfach Platz. Und dann schaut er zu.

Beuth lässt das Paar reden, lachen, kämpfen – und schweigen. Das Schweigen ist besonders gut. Es ist kein hilfloses Schweigen, sondern ein kommunikatives: Man versteht, was nicht gesagt wird. Da sitzt Maria mit abgewandtem Blick und sagt nichts – aber der Film zeigt alles. Keine künstliche Dramaturgie, kein Interview-Geschwurbel, keine aufgesetzte Therapieästhetik. Einfach zwei Menschen, die nicht weiterwissen – und trotzdem weitermachen.

Die Kameraarbeit – verteilt auf gleich fünf Kameraleute – wirkt nie unruhig, aber immer nah, ausgerichtet auf dieselbe Maxime wie die Musik: dezent, aber spürbar, ein Soundtrack, der nicht drückt, sondern trägt. Kein Emotionalitätszwang, sondern eine atmosphärische Begleitung – wie jemand, der einfach den Arm um einen legt, ohne etwas zu sagen.

Natürlich ist das Thema groß: Kinderwunsch, Behinderung, Gesundheitssystem, Paarbeziehung. Aber Beuth verpackt es nicht groß. Sie reduziert, filtert, lässt aus. Manches erfährt man nie ganz genau – zum Beispiel: Warum dieser Kinderwunsch überhaupt so überlebensgroß ist. Aber vielleicht ist genau das die Stärke. Der Film will nichts erklären. Er will zeigen, was passiert, wenn das Leben nicht dem Plan folgt.

Und so wird «Der Wunsch» zu einem Film über Nähe. Nicht über Kinderkriegen. Nicht über Inklusion. Sondern über dieses leise, zähe Band zwischen zwei Menschen, das gedehnt, getestet, gefährdet wird – aber nicht reißt. Oder vielleicht doch? Auch das lässt der Film offen. Denn er glaubt an die Zuschauer. Und das ist selten.

Am Ende bleibt ein warmes, melancholisches Gefühl. Kein Tränenmeer, kein Hoffnungshymnus. Nur zwei Frauen, die über Jahre hinweg versuchen, ein Kind zu bekommen – und dabei vielleicht selbst noch mal welche werden. Und ein Publikum, das ihnen dabei zusieht – mit Respekt, mit Neugier, mit einem stillen Lächeln. «Der Wunsch» ist kein Paukenschlag. Eher ein Nachklang. Einer, der bleibt. Ohne großes Finale. Und das reicht vollkommen.

Der Dokumentarfilm «Der Wunsch» wird am Montag, den 12. Mai um 23.55 Uhr im ZDF ausgestrahlt. Der Film ist bereits seit Freitag, den 9. Mai, in der ZDFmediathek zu sehen.

Mehr zum Thema... Der Wunsch TV-Sender ZDF
Kurz-URL: qmde.de/161090
Finde ich...
super
schade
Teile ich auf...
Kontakt
vorheriger Artikel«GZSZ» setzt Zeichen gegen Homophobienächster ArtikelBR spendiert «Bergretter»-Doku eine zweite Staffel
Schreibe den ersten Kommentar zum Artikel

Optionen

Drucken Merken Leserbrief




E-Mail:

Quotenletter   Mo-Fr, 10 Uhr

Abendausgabe   Mo-Fr, 16 Uhr

Datenschutz-Info

Letzte Meldungen

Werbung

Mehr aus diesem Ressort


Jobs » Vollzeit, Teilzeit, Praktika


Surftipp


Surftipps


Werbung