Interview

Sarah Kirkegaard: ‚Schirach hat sich auf einen Schauplatz konzentriert‘

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«Sie sagt. Er sagt.»-Produzentin Kirkegaard spricht über den neuesten Ferdinand von Schirach-Thriller.

Ende Februar kommt ein neues Werk von Ferdinand von Schirach beim Zweiten Deutschen Fernsehen. Nach dem Abschuss eines Flugzeuges («Terror») und Sterbehilfe («Gott») kommt das Drama «Sie sagt. Er sagt.» von Ferdinand von Schirach. Worauf dürfen sich die Zuschauer freuen?
Auf ein intensives Gerichtsdrama, das mit Überraschungen aufwartet und bis zum Schluss hochspannend bleibt. Auf einen emotional wie gesellschaftspolitisch stark aufgeladenen Film, der bestens unterhält und hoffentlich noch lange nachwirken wird… Und nicht zuletzt: Auf einen wirklich außergewöhnlichen Abend mit ganz herausragenden Schauspielerinnen und Schauspielern, die man aus Film und Fernsehen kennt – aber so noch nie gesehen hat.

Das Thema Vergewaltigung und die fehlenden Beweise nach einer einvernehmlichen Beziehung sind schwierig vor einem Gericht verhandelbar. Hat Herr von Schirach wieder ein gutes Stück mit zahlreichen Wendungen verfasst?
Ferdinand von Schirach hat sich in seinem Drehbuch für diesen Film sehr konsequent auf einen einzigen Schauplatz konzentriert: den Gerichtssaal. Das ist der Ort, wo der Vorwurf einer Vergewaltigung verhandelt wird, wo im Rahmen der Beweisaufnahme unterschiedlichste Zeugen und Sachverständige befragt werden, wo zuletzt Aussage gegen Aussage steht – und das Gericht ein Urteil fällen muss. Es ist ein reduzierter Schauplatz, aber das, was wir dort hören und sehen und miterleben, ist äußerst komplex, dabei hochemotional und sehr spannend. Ferdinand von Schirach nutzt diesen Ort als Bühne, für seine Figuren, für ein äußerst brisantes Thema, und für einen fiktionalen Fall mit vielen unerwarteten Wendungen.

Bei diesem Film schlüpft Matthias Brandt in die Rolle des Rechtsanwalts Biegler. Warum wird die Rolle immer wieder neu besetzt?
Es stimmt, wir begegnen in Ferdinand von Schirachs Werk immer wieder einem Anwalt mit dem Namen Biegler. Aber es handelt sich dabei keineswegs jedes Mal um ein und dieselbe Figur, entsprechend auch nicht um eine durchgehende Rolle. Es ist immer wieder eine andere Geschichte mit neuen Figuren. „Biegler“ wird daher auch in jeder Verfilmung eines Drehbuchs, eines Theaterstücks, eines Romans oder einer Kurzgeschichte von Ferdinand von Schirach neu besetzt, mit herausragenden Schauspielern, von denen jeder Einzelne einen anderen Zugang findet und dem Anwalt Biegler einen neuen, eigenen Charakter verleiht.



Ina Weisse spielt die Geschädigte und Nebenklägerin Katharina Schlüter.
Ina Weisse ist eine außergewöhnliche Schauspielerin, die als Katharina Schlüter genau die Mischung aus Souveränität und Stärke, Glamour, Klugheit und Verletzlichkeit ausstrahlt, die es für diese Rolle braucht. Man glaubt ihr nicht nur, dass sie eine erfolgreiche TV-Moderatorin ist – man glaubt ihr einfach. Für Ferdinand von Schirach war Ina Weisse von Anfang an die ideale Besetzung und es ist großartig, dass sie sich hat überzeugen lassen, die Rolle zu spielen.

Sie zeigen bewusst nicht die Beratung aus dem Richterzimmer. Warum verzichten Sie auf diese Betrachtung?
Unser Film stellt sich der Herausforderung, einen Vorgang, der mit vielen Emotionen und auch mit Vorurteilen aufgeladen ist, möglichst ausgewogen und unparteiisch zu erzählen. Die Urteilsfindung, auch die der Zuschauerinnen und Zuschauer, sollte nicht durch subjektive Einblicke oder Gewichtungen beeinflusst werden. Auf die Beratung aus dem Richterzimmer haben wir ebenso verzichtet wie auf (fast) alles andere außerhalb des unmittelbaren Geschehens im Gerichtssaal.

Vor Gericht erscheinen die meisten Menschen in Berufskleidung oder im Anzug. Wie wichtig ist das Kostümbild bei einer solchen Produktion?
Bei einem Film, der über einen so langen Zeitraum an einem Ort und an nur zwei aufeinander folgenden Spieltagen erzählt wird, spielt das Kostümbild natürlich eine ganz zentrale Rolle. Es darf nicht ablenken vom Geschehen, und es muss sehr genau zu der jeweiligen Figur passen und zu deren Entscheidung, was er oder sie zu einem solchen Anlass angezogen hätte. Denn das sagt ja viel aus und beeinflusst das Auftreten, die Wirkung, vielleicht sogar die Glaubwürdigkeit der Figur. Der Kostümbildnerin Anneke Troost ist hier etwas sehr Raffiniertes gelungen: so selbstverständlich wirkende, stimmige Kostüme, dass man sie im besten Sinne gar nicht wahrnimmt.

Nach dem Erfolg von «Terror» dachte ich, dass eigentlich solche Kammerspiele deutlich öfters umgesetzt werden. Leider werden selten Verhandlungen in Szene gesetzt. Woran liegt das?
Das kann ich Ihnen nicht sagen. Mein Eindruck ist., dass Court Room Dramas durchaus ein beliebtes Genre sind, wie Kammerspiele generell. Allerdings sind sie weder kreativ noch produktionell ganz einfach auf die Beine zu stellen. Es braucht nicht nur ein gutes Thema und einen tragfähigen Konflikt, sondern auch ein handwerklich einwandfreies Drehbuch mit lebendigen Dialogen. Eine besondere Inszenierung und Schauspielführung. Und nicht zuletzt meist auch mehr Geld, als man so gemeinhin denkt.

Würden Sie sich wünschen, dass andere Gerichtsfälle mit überraschenden Wendungen gedreht werden? Haben Sie da vielleicht auch schon Pläne?
Wir haben einige Pläne, was zukünftige Verfilmungen von Gerichtsfällen betrifft, ja.

Sie sagt. Er sagt. ist ein Kammerspiel mit zahlreichen langen Passagen. Hat das die Dreharbeiten erschwert, wenn über Stunden die Figuren auf dem selben Platz stehen/sitzen müssen?
Stundenlang stehen mussten die Schauspielerinnen und Schauspieler während der Dreharbeiten nicht, glücklicherweise – das wäre ja auch in einem realen Prozess nicht der Fall gewesen. Aber natürlich bedeuten die langen Dialog- oder auch Monologpassagen eine besondere Herausforderung, für die Sprechenden wie für die Zuhörenden. Diese gemeinsame Arbeit erfordert einfach eine hohe Konzentration und Präsenz und viel Durchhaltevermögen von allen Beteiligten.

Im Gegensatz zu zahlreichen anderen Produktionen wurde Sie sagt. Er sagt. chronologisch gedreht. Das ist doch häufig nicht der Fall. Weshalb fiel die Entscheidung in diesem Fall dafür`
Diesen Film chronologisch drehen zu können, war dem Regisseur ein ganz entscheidendes Anliegen. Und es hat sich, wie schon bei Matti Geschonnecks vorangegangenen Inszenierungen wie «Die Wannseekonferenz», auch absolut bewährt, bei diesem Vorgehen zu bleiben. Nur so konnte gewährleistet werden, dass die Verhandlung diese besondere Dynamik und Intensität entfalten konnte, die sie hat und die einen trotz des reduzierten Settings in jeder Minute die Aussagen und Blickwechsel gespannt mitverfolgen lässt.

Vielen Dank für Ihre Zeit!

«Sie sagt. Er sagt.» von Ferdinand von Schirach wird am Montag, 26. Februar 2024 um 20.15 Uhr im ZDF und ab Samstag, 17. Februar 2024 in der ZDF Mediathek ausgestrahlt.

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