Die Kino-Kritiker

«Der Coup» – Ein Krimi-Klassiker wird 50

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Im Jahr 1971 ging der Spielfilm mit Jean-Paul Belmondo und Omar Sharif in die Kinos. Henri Verneuil schuf ein Meisterwerk.

Jean-Paul Belmondo gehört zu den erfolgreichsten Actionstars der Siebzigerjahre. Zumindest in Europa feierte der heute 87-jährige Franzose mit «Der Unverbesserliche», «Ein irrer Typ» oder «Der Profi» einen Hit nach dem anderen. Noch in den Sechzigerjahren war er eher dem Arthaus-Kino verpflichtet, drehte mit hochangesehenen Regisseuren Jean-Luc Godard («Elf Uhr nachts»), François Truffaut («Das Geheimnis der falschen Braut») und Louis Malle («Der Dieb von Bagdad»). Doch mit zunehmendem Alter setzte Bébel, wie er in Frankreich immer noch liebevoll genannt wird, immer mehr auf physische Rollen und bevorzugte es, gefährliche Szenen ohne Stuntman selbst auszuführen.

Einen Maßstab setzte er dabei 1971 mit dem Actionthriller «Der Coup» unter der Regie von Henri Verneuil (†79), mit dem er mehrmals zusammenarbeitete, unter anderem bei «Angst über der Stadt» und «Der Körper meines Feindes». Al Co-Star und Gegenspieler wurde Omar Sharif (†83). Der Ägypter wurde in den Sechzigerjahren vor allem durch «Lawrence von Arabien» und «Doktor Schiwago» zum Star. Bis heute unerreicht ist bis heute die Autoverfolgungsjagd, die sich Sharif und Belmondo in Athen lieferten. Sie fand unter realen Verkehrsregeln statt, wobei der Crew die Aufsicht über die Ampeln überlassen wurde, um echte Verkehrsteilnehmer nicht in Gefahr zu bringen. Heutzutage ein Ding der Unmöglichkeit.

Klassisches Katz- und Mausspiel
In den ersten zehn Minuten wird kein Wort gesprochen, wenn der Einbrecher Azad (Jean-Paul Belmondo) mit seinen Komplizen Ralph (Robert Hossein), Hélène (Nicole Calfan) und Renzi (Renato Salvatori) einen Safe in einer Athener Villa knackt und dabei mehrere Smaragde erbeutet. Ausgerechnet in dieser Situation fährt Kommissar Zacharia (Omar Sharif) an der Villa vorbei und wird stutzig. Azad kann jedoch blitzschnell eine Autopanne vortäuschen. Zacharia fährt weiter, doch er hat Lunte gerochen und lässt Azad fortan nicht mehr aus den Augen. Nicht, weil er ein Verbrechen aufklären will, sondern weil er korrupt genug ist, dem Dieb die Beute abknöpfen zu wollen.

Azad wimmelt ihn immer wieder ab, bis sein Kompagnon Renzi von dem kriminell agierenden Polizisten erschossen wird. Zacharia macht nochmals deutlich, dass er sich nicht mal mit einem Teil der Beute zufriedengeben will, sondern alles will. Nur dann würde er Azad und die anderen straffrei ziehen lassen. Am nächsten Tag stehen sie sich erneut gegenüber. Diesmal hat Azad die Oberhand. Anstatt seinen Gegner zu töten, flieht er aber durch ein Fenster. Mord ist nicht seine Sache. Am Hafen kommt es wenig später zur letzten Gegenüberstellung. Azad lockt Zacharia in ein Getreidesilo und findet einen Weg, ihn endgültig loszuwerden.

Unübertroffene Rasanz
Gewiss, «Der Coup» gibt sein eigenes Tempo vor und nimmt sich auch Zeit, seine Charaktere mit all ihren Widersprüchlichkeiten auszuleuchten. Das hat mit «Fast & Furious» und ähnlichen Action-Vehikeln der letzten 20 Jahren nicht mehr viel zu tun. Der Unterschied ist jedoch, dass es vor 50 Jahren noch keine Computeranimation gab, um quasi per Knopfdruck die Gesetze der Physik auszuschalten. 1971 wurde alles noch mit echten Autos, gefahren von echten Menschen auf echten Straßen gedreht. Diese Tatsache muss man sich immer wieder vor Augen halten und wird aus dem Staunen nicht mehr herauskommen.

Besonders in der bereits erwähnten Verfolgungsjagd durch Athen mit einem roten Fiat 124 für Belmondo und einem Opel Rekord für Omar Sharif. Weiterhin haben wir es hier mit interessanteren Figuren zu tun. Belmondo ist trotz seiner Lässigkeit und seines Humors nicht einfach nur cool, sondern bleibt ambivalent. Nicht nur, weil er auf der falschen Seite des Gesetzes steht, sondern weil er auch ein unverbesserlicher Macho ist. Sein Verhältnis zu Frauen muss eigentlich auch schon Anfang der Siebziger wäre nach heutigen Maßstäben undenkbar.

Zwischen zwei Frauen
Dass die von Nicole Calfan gespielte Hélène, mit der Belmondo ein Jahr zuvor bereits für «Borsalinio» vor der Kamera stand, zu ihm gehört, wird im Film schnell klargestellt. Dass er sie dann wie selbstverständlich mit einer anderen betrügt, mag auch noch angehen, denn Hélène leistet sich ebenfalls einen Liebhaber für zwischendurch, was im Zuge der sexuellen Revolution womöglich dem damaligen Zeitgeist entsprach. Was aber gar nicht geht, ist die Szene, in der Belmondo die gerade erst eroberte Lena (Dylan Cannon) ohrfeigt, nachdem er entdeckt hat, dass sie ihn im Auftrag von Zacharia in eine Falle gelockt hat.

Es ist mehr als eine Ohrfeige, er schlägt gleich mehrmals hart zu, als wäre das eine Selbstverständlichkeit. Was sich auch an der Reaktion der Geschlagenen ablesen lässt, die das einfach so hinnimmt als wäre das die gerechte Strafe für ihr Hintergehen. Diesem Thema, wie selbstverständlich Frauen im Kino der Siebzigerjahre von Männern geprügelt wurden, müsste man nochmals gesondert analysieren. In der Entstehungszeit von «Der Coup» schien es aber nicht sonderlich aufzufallen und sollte dementsprechend im zeitlichen Kontext stehen, ohne den gesamten Film deshalb zu diffamieren.

Fazit: Ein Kult-Krimi aus Frankreich feiert sein 50-jähriges Jubiläum. Neben halsbrecherischen Autoverfolgungsjagden erlebt man ein perfides Katz-und Mausspiel mit zwei Topstars aus jener Zeit. Einziger Schockmoment: Belmondo schlägt eine Frau.

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