Hingeschaut

«Task Force Berlin»: Wenn ProSieben Wähler mobilisiert

von

Gentleman, Sophia Thomalla, Nikeata Thompson und Rebecca Mir sprechen mit Jugendlichen und tragen ihre politischen Sorgen Spitzenpolitikern vor.

Die Jugendlichen von heute sind nicht politikverdrossen, sie wollen mitreden und mitmachen und ihre Themen und Anliegen wiederfinden.
Thomas Krüger, Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung/bpb.
Knapp einen Monat dauert es noch, bis die Bundestagswahl stattfindet. Seitens der Politik ist vom nahenden Wahltag allerdings kaum etwas zu spüren, selten fand in der Bundesrepublik ein dermaßen ruhiger (um nicht zu sagen langweiliger) Wahlkampf statt. Die heißesten Debatten in den vergangenen Monaten wurden nicht über Inhalte, Parteipositionen oder politische Personalien geführt, sondern die Moderatoren des Kanzlerduells geführt: Die ProSiebenSat.1-Gruppe verschiebt dieses Jahr den Schwerpunkt ihrer Politkompetenz von Sat.1 zum jugendlichen Schwesternsender ProSieben. Denn dieses Jahr überträgt die rote Sieben die Diskussionsrunde zwischen den Kanzlerkandidaten, die unter anderem von Stefan Raab befragt werden. Darüber hinaus präsentiert der Moderator neben der obligatorischen «TV total Bundestagswahl» auch eine Sonderausgabe seines Talks «Absolute Mehrheit», die sich direkt nach dem Kanzlerduell der Frage annimmt, welcher Spitzenkandidat sich besser schlug.

Und auch abseits des Duschköpfe erfindenden Ehrgeizlings setzt ProSieben im Vorfeld der Bundestagswahl 2013 verstärkt auf politische Inhalte. Diese sind, wenig überraschend, verstärkt auf Jungwähler beziehungsweise politikverdrossene Jugendliche zugeschnitten. Schickte ProSieben einst im Spätprogramm einmalig «Sido geht wählen» auf Sendung, um diese Zielgruppe zu mobilisieren, wird dieses Jahr gleich vier Mal die «Task Force Berlin» auf Politiker und Jugendliche losgelassen. Diese Task Force besteht aus Reggae-Musiker Gentleman, Schauspielerin Sophia Thomalla, Choreografin und «Got to Dance»-Jurorin Nikeata Thompson sowie «taff»-Moderatorin und «Germany's Next Topmodel»-Kandidatin Rebecca Mir.

Diese vier Prominenten führen in Schulen und an Jugendtreffpunkten Gespräche mit Jugendlichen, um herauszufinden, wie deren Meinungsbild und Wahl-Willigkeit derzeit ausfallen. Außerdem haken sie nach, welche Themen den potentiellen Jungwählern am Herzen liegen und weshalb einige von ihnen kein Interesse daran haben, wählen zu gehen. Die Antworten fallen selten überraschend aus: Den Jugendlichen sind Schulgelder, die Unterstützung von Jugendtreffs oder auch digitale Themen wie illegale Downloads am wichtigsten, unverständliche Politiker-Statements und verwirrende Parteiprogramme sind die größten Abtörner. Ganz so einseitig bleibt das Bild, das «Task Force Berlin» von den Jungwählern zeichnet, aber nicht: Auch die Homo-Ehe oder Fragen der „Generation Praktikum“ werden angeschnitten.

Die Aufmachung der Sendung ist etwas klischeehaft, aber effektiv: Mit Farbfiltern, einer dynamischen Kameraführung und einigen raschen Schnitten kommt «Task Force Berlin» rasanter daher als sämtliche anderen Politformate und Texteinblendungen, die neben Eckinformationen über die interviewten Politiker auch Gags beinhalten, sorgen für einen gesunden Schuss Infotainment. Lästig fallen derweil die zahlreichen Wiederholungen aus: Wenn einer der vier „Jugendbotschafter“ nach seinem Gespräch mit Jungwählern einen Politiker interviewt und dabei auf seinen kleinen Chat mit den Jungwählern zurückgreift, bekommt das Publikum kurzerhand den Clip vorgeführt, auf den sich der Fragenstellende bezieht. Jungwähler, liebe «Task Force Berlin»-Macher, mögen vielleicht einige Wissenslücken in politischen Fragen haben, jedoch haben sie nicht das Erinnerungsvermögen eines Goldfisches!

Die unterschiedlichen Fähigkeiten der «Task Force Berlin»-Promis wiederum sorgen für eine sehr schwankende Qualität bei den Politikergesprächen. Während Gentleman zwar seine lockere Art etwas überbetont, stellt er SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück wichtige Fragen und nimmt in einem verständlich geführten Gespräch die Zügel in die Hand. Auch Sophia Thomalla gelingt es, ihre Kernthemen durchzubringen, anders als Nikeata Thompson, deren Politikerbegegnungen arg unfokussiert ausfallen. Den Tiefpunkt stellt jedoch «GNTM»-Finalistin Rebecca Mir dar, die im Talk mit einer Piratenpartei-Politikerin ins Kichern gerät, als diese von der Drogenpolitik der Piraten berichtet. Daraufhin übt sich die «taff»-Moderatorin in allerlei dummen „Ihr seid doch alle Kiffer“-Gags.

Dessen ungeachtet ist «Task Force Berlin», wenngleich etwas bemüht, ein löbliches Format, das eine Zielgruppe anzusprechen versucht, die mit Politik kaum etwas anzufangen weiß. Informativ ist diese Reportagereihe nicht unbedingt, aber engagierend. Und somit ist sie der hippere, inhaltlich seichtere Cousin von «Überzeugt uns».

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