Hingeschaut

Thommy und die Parkbank

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RTL hat am Sonntag «Albtraum Mobbing» getestet. Verdient das Format eine Fortsetzung?

Echte Helden haben Mottos. Sozialpädagoge Thomas Sonnenburg ist da keine Ausnahme: “Es gibt immer für alles eine Lösung“, so seine Devise. Das vermittelt seine Website, das vermittelt das Voice-Over der neuen RTL-Produktion «Albtraum Mobbing», in der der ehemalige Streetworker eben diesem den Kampf ansagt. Und wenn die Schlacht dann nach rund 45 Minuten geschlagen ist, darf man auch gerne einsichtig nicken und feststellen: Sonnenburg rettet den Tag. Aber muss man das gesehen haben? Und bedarf das einer Fortsetzung?

Wir erinnern uns: Sonnenburg ist kein Unbekannter in der deutschen Fernsehszene. Mit dem Format «Die Ausreißer – Der Weg zurück» feierte er zwischen 2008 und 2010 große Erfolge – und das nicht nur in Sachen Quoten. So bekam man vor vier Jahren nämlich den Deutschen Fernsehpreis in der “freien Kategorie“ der besten Reality-Sendung überreicht. Nicht Reportage, nicht Doku-, Info- oder gar Edutainment. Nein, Reality, the only kind of real fantasy. Das meinte schon Richard Sanderson in «La Boum». Ein Film, der ja wirklich noch niemandem geschadet hat. Als Sonnenburg also diesen Sommer mit «Teenies auf Partyurlaub» ging, waren Kameras, Zuschauer und in dem Fall auch Eltern nicht weit. Denn Vertrauen ist zwar gut, aber Kontrolle ja bekanntlich besser. Und Humor ist, wenn man trotzdem lacht. Alles Mottos von Stefan Raab. Eine zweite «Partyurlaub»-Ausgabe lässt jedenfalls trotz sehenswerter 17,6 Prozent Marktanteil bislang auf sich warten. Stattdessen stürzte man sich am Sonntag jetzt eben auf dem bewährten 19.05-Uhr-Sendeplatz in den «Albtraum Mobbing». Vorerst allerdings auch nur das eine Mal.

Mittelpunkt der Sendung ist der 19-jährige Christian, der in seiner Mittelstufe von der gesamten Klasse ausgegrenzt, beleidigt sowie körperlich attackiert wurde, und nun durch Thomas Sonnenburg einen Austausch mit den damaligen Peinigern erreichen möchte. Die ersten zweieinhalb Minuten machen einen bemerkenswerten Job, was das Set-Up der Folge angeht: Von allgemeinen Worten über das Thema geht es da per schnellen Schnitten über Zeitungsauschnitte zur Nachstellung einer Mobbing-Situation mit jungen Laiendarstellern. 35 Sekunden und schon landen wir bei Interview-Cut-Ins von Christian, dessen Mutter und Sonnenburg. Nach einem kurzen Teaser auf den zweiten Teil der Episode, in der das Cybermobbing gegen eine 13-Jährige behandelt wird, kommen dann sogar einige der früheren Tyrannen zu Wort, die sich “nicht schuldig fühlen“, “keinen Grund“ für ein Treffen mit Christian sehen. Konfliktpotential ist gesäht, das Interesse durchaus geweckt, bevor es dann zum Intro geht, passenderweise unterlegt mit dem The Fray-Song 'How to Save a Life'. Bis hier hin kein Problem.

Danach wird Christian's Geschichte sowohl durch weitere Interview-Szenen, als auch ein Gespräch zwischen ihm und Sonnenburg erst richtig aufgerollt. Begleitet werden die Schilderungen über den Schulwechsel und das Mobbing von Reenactments, in deren Rahmen ein blonder 13-Jähriger (quasi als Christian der Vergangenheit) von seinen Mitschülern bespuckt und herumgeschubst wird. Einerseits lässt sich natürlich nachvollziehen, dass man versucht, Worte mit Bildern zu verbinden und ersteren dadurch mehr Wirkung und Gewicht verleihen möchte. Andererseits kann man den durch Farbfilter verstärkten Szenen natürlich auch ganz einfach den Vorwurf billiger Aufwiegelung machen. Das eigentliche Problem ist aber, dass der Sache schon nach kurzer Zeit die Luft ausgeht, und das, obwohl sogar parallel Erzähltes nachgestellt wird. Spätestens, als dann Dialoge eingebaut werden und man den Flashback-Christian mit Armen um die herangezogenen Beine und ausdrucksleerem Blick vor die Kamera zieht, ist man des “Story“-Instruments völlig überdrüssig.

Sonnenburg stellt nicht unbedingt die tiefgründigsten Fragen, aber definitiv keine falschen und skizziert so ein klares Bild um Christrian für den Zuschauer. Im eigenen Interview nennt er die Anzeichen für Mobbing und spricht davon wie schwer es für ein Opfer sein kann mit dem Erlebten abzuschließen. “Jede Abweichung von der Norm ist eine Fläche für Mobbing“, sagt er. In Christians Fall war das seine Homosexualität, die er sich laut eigener Aussage im Jugendalter selbst noch nicht eingestanden hatte. Als sich Sonnenburg dann schließlich aufmacht, Christians ehemalige Klassenkameraden ausfindig zu machen, hofft man auf einen anständig ausgeführten Täter-Opfer-Ausgleich (TOA) – ein System, von dem in der Sendung allerdings selbst nie die Rede ist. Dafür packt aber nun auch der Mann im Off die großen Fakten aus: “Experten gehen davon aus, dass circa 20 Prozent der Selbstmordfälle durch Mobbing ausgelöst werden“, so das Voice-Over. Weil hier das erste Mal überhaupt von Statistiken die Rede ist, muss man sich als Zuschauer schon fragen: welche Selbstmordfälle genau? Aller? Die von Jugendlichen? Der von Lemmingen? Eine Antwort bleibt aus.

Melina, eine der früheren Mitschüler, hat Sonnenburg schnell gefunden, wohnt sie doch noch immer in ihrem Elternhaus. Nachdem sie ihm aber vernünftigerweise keine Nummern oder Adressen anderer Personen geben will, heißt es dann “Thomas Sonnenburg muss selbst weiterforschen“. Womit wir zum eigentlichen Hemmschuh der Produktion kommen: der Inszenierung, der Manipulation. Vorwürfe von Schummelei an das Genre der Reality- oder Doku-Soap sind so alt wie die Menschheit selbst und blieben auch im Fall «Ausreißer» nicht aus. Fest steht: Derartige Bemühungen seitens der Macher bleiben völlig unnötig. Dass in «Albtraum Mobbing» unter anderem Worte in Münder geschoben werden und konstant falsche Spannung kreiert werden soll, lässt sich schlicht nicht ignorieren.

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