
Nach dem Gespräch mit Marcel, in dem Sonnenburg immerhin Sympathiepunkte durch seine ruhige Art sammeln konnte, geht es kurz über zwei Mädchen zum zweiten großen Gegenspieler Christians: Jannis mit dem eiskalten Blick. Der wird uns selbstredend ganz anders präsentiert: rauchend nämlich, auf einer Parkbank. Wie das eben so ist. Eigentlich ist der gute Jannis aber ein tragischer Fall: Er wurde damals von seiner Schule gegangen, weil er auf der Toilette einen Amoklauf angekündigt hat (erste Wahl war die leider besetzte Parkbank). Das muss nicht sein, dachten dann auch die Mitschüler an der neuen Schule. Jannis war Mobbing-Opfer. Bis Christian auftauchte. Da wurde Jannis zum Mobber. Wie das eben so ist. Wie auch Marcel ist sich Jannis aber nicht sicher, ob er an der großen Aussprache mit Christian teilnehmen wird. Was man der Sendung bis dahin zu Gute gehalten hat, wird nun auch über die Burgmauer geworfen. Bis zu diesem Zeitpunkt machte es den Anschein, man würde die beiden “Fälle“ der Episode getrennt behandeln. Das wäre seriös, ehrlich, richtig. Aber nicht spannend.

Bei Carolyns Darstellung, die demselben Muster wie Christians folgt, wird wieder klar, wie wenig eigentlich an das Publikum getragen wird: Tipps sind rar. Gepriesen werden Carolyns Eltern, die ihrer Tochter zugehört, geglaubt und auf die Ignoranz der Schule hin einen Umzug durchgemacht haben. Jetzt geht es ihrer Tochter wieder gut. Aber kann das die Lösung sein? In Christians und Jannis' Fall war der Umzug ausschlaggebend für das Mobbing. Gibt es keine anderen Möglichkeiten? Antwort ungewiss. Mal wieder. Harte Kritik gibt es ja auch keine. Sollten Mobbing-Opfer oder gar Mobber vor dem Schirm sitzen, wissen sie jetzt, dass es noch andere ihrer jeweiligen Art, sowie einen Typen namens Thommy Sonnenburg gibt, der sich vielleicht eines Tages genau so am Telefon meldet. Die große Mediation zwischen Christian und seinen Mitschülern dauert dann noch circa sechs Minuten. Die ein oder andere gute Idee hatte man (den Mobbern Christians Video zeigen; Sprünge zu After-Interviews), aber im Großen und Ganzen unterlag auch diese Sequenz der Inszenierung nach RTL-Manier. Christian meinte am Ende jedenfalls, ihm habe die ganze Sache geholfen. Dem Zuschauer eher weniger. Weil man sich aber doch wieder treu geblieben ist, die altbekannte Schablone benutzt hat, wurde der ein oder andere mit Sicherheit unterhalten. Nur überrascht wurde man von «Albtraum Mobbing» leider nicht. Weder positiv, noch negativ.
Was den Gedanken an eine Fortsetzung angeht, müssen deshalb ganz klare Worte gefunden werden: Das lohnt sich nur, wenn man sich verändert. Das fängt natürlich damit an, dass man stets neue, fordernde und beispielhafte Fälle in Sachen Mobbing findet. Darüberhinaus könnte man in weiterem Maße auf die jeweilige Art und das Medium eingehen, die Arme ausstrecken, vielleicht auf Fälle wie den von Amanda Todd eingehen. Nicht nur den Christians und Carolyns der Woche helfen, sondern gleich auch den Zuschauern mit Ratschlägen über Coaching, Hotlines oder allgemeine Verhaltensweisen. Man könnte auch einmal einen ernsthafteren und beständigeren Versuch wagen. So würde ja auch niemand bezweifeln, dass eine Dokumentation, die einen TOA von Anfang bis Ende begleitet überaus fesselnd sein könnte. Wenn das allerdings keine Richtungen sind, in die man gehen möchte, hat man sein Potential bereits mit der ersten Folge erschöpft. Alles andere wäre Wiederholung und das Einschalten nicht wert.