Die Kritiker

«Tel-Aviv-Krimi - Masada»

von

Katharina Lorenz ermittelt sich als Sara Stein wieder durch Israel: ein Allerweltsstoff. Aber vielleicht tut genau das dem Spielort gut.

Cast & Crew

Vor der Kamera:
Katharina Lorenz als Sara Stein
Samuel Finzi als Inspector Jakoov Blok
Itay Tiran als David Shapiro
Gill Frank als Commander Shimon Ben Godin
Bat-Elle Mashian als Corporal Hanan Chalabi
Michael Degen als Avram Salzmann
Yigael Sachs als Elia Salzmann

Hinter der Kamera:
Produktion: TV60 Filmproduktion GmbH
Drehbuch und Regie: Matthias Tiefenbacher
Kamera: Holly Fink
Produzenten: Andreas Bareiss und Eitan Evan
In der berühmten Ausgrabungsstätte Masada ereignet sich eine Explosion, die einen Toten fordert: Aaron Salzmann, den Sohn von Avram Salzmann (Michael Degen), einer – freilich fiktiven – israelischen Ikone. Er hat Höllenjahre im Warschauer Ghetto überlebt, wo sein Vater und sein Bruder zu Tode gekommen waren. Später, nach seiner Aaliyah, hat er in Israel als Archäologe nicht nur Bedeutendes zu seinem Fachgebiet beigetragen, sondern wurde als Koryphäe von Masada, jenem für die jüdische Geschichte mystischen Ort, wo in vorchristlicher Zeit jüdische Aufständige lieber frei in den Tod gegangen waren, als sich von den römischen Besatzern versklaven zu lassen, in ganz Israel ein berühmter Mann.

Sara Stein (Katharina Lorenz) und ihrem grobschlächtigen Kollegen Inspector Jakoov Blok (Samuel Finzi) wird nun einiges an Fingerspitzengefühl abverlangt: Es gilt, im Umfeld dieser Familie zu ermitteln, deren Kopf ein zwar schon leicht tattriger, aber immer noch als Nationalheld gefeierter Mann ist, und ihr trotzdem mit größter Umsicht und äußerster Sensibilität zu begegnen.

Nachdem ein Anschlag von palästinensischen Terroristen – die hätten freilich guten Grund, einen für Juden und Israelis so bedeutenden Ort in die Luft zu jagen – schnell ausgeschlossen ist, führt eine Spur zu Aarons Assistenten Philippe (Iftach Ophir), einem französischen Juden, der vor drei Jahren nach zahlreichen antisemitischen Anfeindungen in seinem Herkunftsland nach Israel emigriert ist. Und tatsächlich: Was dem Zuschauer, aber freilich nicht Stein und Blok vorgeführt wird, lässt einen stutzig werden: Hektisch kopiert er irgendwelche Dateien auf USB-Sticks, beschafft sich Prepaid-Handys in windigen Copyshops, trifft sich mit absonderlichen, grimmigen Leuten an schaurigen Orten und schickt Erpresserschreiben durch die Gegend.

Trotzdem bleibt Sara an der Familie Salzmann dran. Denn in deren Haushalt brodelt es: Aaron Salzmanns strengreligiöser Bruder legt sich mit den Behörden an, weil die Leiche noch nicht freigegeben wird. Und die Amnesie, die Avram Salzmann vorschützt, um nicht über die Details der Explosion in Masada aussagen zu müssen, wirkt für Sara alles andere als glaubwürdig.

Schon im letzten Jahr, als die ersten beiden Ausgaben des «Tel-Aviv-Krimis» ausgestrahlt wurden, war eine klare Tendenz zu erkennen: Die Premiere, die wegen der angespannten Sicherheitslage während der Drehzeit auf den Spielort Berlin umgeschrieben werden musste, war aufgrund der dilettantischen, klischeebeladenen und intellektuell armseligen Betrachtung jüdischen Lebens in der deutschen Hauptstadt sowie der forcierten Einbettung politischer Themen ziemlich misslungen. Doch der Ortswechsel nach Tel Aviv tat der Reihe gut und beseitigte nicht nur die aus der Not geborene Unsinnigkeit, einen in Berlin spielenden Krimi «Tel-Aviv-Krimi» zu nennen: „Shiv’a“, so der Titel der zweiten Folge, konnte nun nicht als einnehmendes Traktat über modernes israelisches Leben und die Erfahrungen einer jungen deutschen Jüdin bei der Aaliyah glänzen, funktionierte aber als solide erzählter und charmant gespielter Krimi, der es verstand, ein paar gesellschaftlich relevante Akzente zu setzen, ohne dass das alibihaft, gezwungen oder verzerrend vereinfacht wirkte.

„Masada“ setzt hier konsequent und in ähnlicher Qualität an. Mit dem notwendigen dramaturgischen Gespür und den richtigen narrativen Akzenten darf sich der historisch aufgeladene Ort Masada und seine Geschichte als Allegorie durch die gesamte Folge ziehen, und es gelingt, diese Symbolhaftigkeit nicht zu überreizen und nicht zu einem didaktischen Lehrstück über den eisernen jüdischen Überlebenswillen zu degradieren, sondern sie als eine kraftvolle zweite Ebene zu erzählen, vor der sich eine moderne jüdische und israelische Normalität abspielen darf.

Man kann deshalb recht viel verzeihen: dass die Inszenierung an manchen Stellen völlig unangemessen pathetisch ausfällt, dass es den Figuren immer noch an einer tiefgehenden Komplexität fehlt, und die Geschichte letztlich doch ein Allerweltsstoff ist. Doch vielleicht ist es gerade diese Allerweltsnormalität, die dem Spielort Israel guttut, der einmal nicht mit allerhand aufgesetzten Befindlichkeiten und überladenem Gestus vollgestopft wird, sondern als Zentrum des jüdischen Lebens und einzige Demokratie im Nahen Osten einfach einmal sein darf.

Das Erste zeigt «Der Tel-Aviv-Krimi – Masada» am Donnerstag, den 23. November um 20.15 Uhr.

Kurz-URL: qmde.de/97289
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