Interview

Anne Schäfer: ‚Ein christliches Leben misst sich nicht an der Kirchensteuer‘

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Am Freitag startet «Himmel, Herrgott, Sakrament» beim BR Fernsehen. Wir sprachen mit Hauptdarstellerin Schäfer über die katholische Kirche.

Sie spielen die Hauptrolle in der neuen BR/ORF-Serie «Himmel, Herrgott, Sakrament», die sich um die Katholische Kirche dreht. Waren Sie sofort Feuer und Flamme?
Ich habe schon erstmal nachgehakt, was da erzählt werden soll… Inhaltlich hat mich das dann überzeugt. Endlich mal wieder in München zu drehen und Bairisch zu sprechen – haben dann ihr Übriges getan.

Die Katholische Kirche hat viele Leichen im Keller. Können Sie verstehen, dass zahlreiche Menschen aus der Kirche ausgetreten sind?
Ja. Natürlich.
Man kann ein sehr gläubiger Mensch sein und sich trotzdem von der Institution Kirche distanzieren. Ein christliches Leben misst sich nicht an der Kirchensteuer und der Anzahl der Kirchenbesuche.

So ein deutsches Kirchensystem gibt es eigentlich nur in Deutschland. In anderen Ländern ist man gläubig und muss sich nicht wirklich registrieren. Sind wir in diesem Fall viel zu bürokratisch?
Wir sind nicht nur in diesem Fall zu bürokratisch. Allein das Wort Kirchensteuer…
Auch dass man nicht wirklich sieht, wo fließt das Geld hin, was tut die Kirche für die Gesellschaft. Da spende ich doch lieber direkt an Hilfsorganisationen.

Angesichts der starken Inflation und den hohen Kirchensteuern: Können Sie es Menschen verübeln, dass Sie aus finanziellen Gründen aus der Gemeinde austreten?
Fast 20 Prozent der deutschen Bevölkerung leben in Armut oder sind von Armut bedroht. Wenn man am gesellschaftlichen Leben nicht mehr teilnehmen kann, weil man es sich nicht leisten kann, wenn ein Schwimmbadbesuch der Kinder zum Luxus wird – ganz im Ernst, worüber reden wir da…

Im Gegenteil – die Kirche sollte sich überlegen, wie sie diese Menschen aktiv unterstützen kann. Angebote für Kinder machen, unabhängig welcher Konfession.

Hinter dem Projekt «Himmel, Herrgott, Sakrament» steht Regisseur Franz Xaver Bogner, der schon zahlreiche bayerische Projekte umsetzte. Wollten Sie schon immer mal mit Herrn Bogner zusammen arbeiten?
Ich bin mit den alten bayerischen Serien von Franz Xaver Bogner aufgewachsen.
Der bodenständige Anarchismus , das Münchnerische, die gut getroffene unterhaltsame Sozialkritik, jenseits aller Alpenromantik… Da muss ma zurück! Da is es nur logisch mit dem Franz arbeiten zu wollen.

Die Serie handelt von dem Pfarrer Hans Reiser, der eine Gemeinde in München übernimmt und die Gemeinde neu organisiert. Fehlt der katholischen Kirche der Mut etwas zu verändern? Reiser packt an und nimmt die Probleme der Menschen an.
Um aus der Serie zu zitieren: „Die Gesellschaft hat sich verändert, also muss sich auch die Kirche verändern!“

Wie gefällt Ihnen der Antagonist Kardinal Brunnenmayr, der diesem Reformeifer wenig abgewinnen kann? Dieser Widerspruch findet ja tatsächlich statt.
Ich lese die Figur ganz anders, der Kardinal will was verändern, das sagt er sogar… Er holt den Reiser nach München, damit sich was ändert. Er ist schlau genug zu wissen, dass er selbst zu sehr Teil des alten Systems ist und deshalb neue Ideen von außen braucht. Das ist ziemlich weise. Dass er natürlich mit seinen alten Konventionen ringt und ihm das auch zu viel wird, ist nur menschlich.

Sind Gottesdienste in der Zeit stehen geblieben?
Wenn ich an Weihnachten auf Sankt Pauli in die Kirche gehe, gibt es da einen Dragqueen-Engel, und in der Weihnachtsgeschichte gibt es drei Marias, die gemeinsam einen Jesus zur Welt bringen, weil jedes Kind spielen darf was es mag, alle Geschlechter durchmischt, Schafe die sich dafür aussprechen vegetarisch zu essen und den Klimawandel ansprechen. Der Pfarrer schlägt den Bogen zu aktuellen gesellschaftlichen Problemen. Erinnert an die wichtigsten Güter in unserer Gesellschaft: Menschlichkeit, Empathie, Toleranz. Da denk ich jedes Mal, super, genauso! Man fühlt sich gehört, gesehen und inspiriert und das Wichtigste, man ist nicht allein. Da is nix von Sünde und Hölle und Vorschriften. Kirche muss ein Ort der Gemeinschaft sein, die einen erstmal so nimmt, wie man ist.

Kommen wir zu einem anderen Thema: Sie spielen auch die weibliche Hauptrolle in «Der Barcelona-Krimi». Können die Zuschauer sich auf neue Folgen freuen?
Ende November werden zwei neue Folgen kommen. Der Zuschauer kann sich richtig freuen… auf gute Geschichten und einen fantastischen Cast! Spoilern kann ich schon mal, dass wir diesmal in katholischen Kirchen gedreht haben und ich mich auch in Barcelona mit der Institution Kirche auseinandergesetzt habe.

Obwohl Sie zahlreiche TV-Projekte drehen, arbeiten Sie als Sprecherin und gehen weiterhin Theater-Engagements nach. Wie bringen Sie so viele Projekte unter einem Hut?
Intimitätskoordination ist noch dazu gekommen. Hier versuche ich aktiv Arbeitsbedingungen in meiner Branche zu verbessern.

Im Sommer habe ich auf Kampnagel in der Produktion «Good Sex» gespielt, einem Stück von der schottischen Gruppe Dead Center, in dem es um die Darstellung von Sexualität auf der Bühne ging. Obwohl ich selbst seit einem Jahr in zahlreichen Film Produktionen als Intimitätskoordinatorin gearbeitet habe, war das das erste Mal, dass ich als Schauspielerin selbst jemanden an meiner Seite hatte.

Mir kann es künstlerisch gar nicht genug sein, ich arbeite gerne und viel, am liebsten noch mehr!

Danke für die zahlreichen Informationen!

BR Fernsehen strahlt «Himmel, Herrgott, Sakrament» am 27. Oktober, 3. November und 10. November in Doppelfolgen aus. Los geht’s immer um 20.15 Uhr.

Kurz-URL: qmde.de/146044
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