Hintergrund

Zum Abschied der NFL bei ProSieben: 'That was quite a show'

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In der Nacht zum Montag steigt in Arizona das größte Football-Spiel des Jahres, wenn im Super Bowl die Philadelphia Eagles auf die Kansas City Chiefs treffen. Es ist nicht nur der Saisonabschluss, sondern auch das Ende einer besonderen Reise im TV-Geschäft.

American Football ist eine durchaus seltsame Sportart. Wer schon einmal ein Spiel im Stadion erlebt hat, fragt sich zuweilen, ob es sich dabei wirklich um Profi-Sport handelt, so vermeintlich wenig Bewegung findet auf dem Feld statt, die dann auch durch zahlreiche Werbe-Unterbrechungen und Timeout ins Stocken gerät. Doch natürlich ist das Spiel mit dem Leder-Ei eine hochathletische und wahnsinnig explosive Disziplin, bei der jede Aktion eines Einzelnen perfekt auf die Gemeinschaft abgestimmt ist, sodass man in der kurzen Zeit eines Plays gar nicht alles wahrnehmen kann. Seit über einem Jahrzehnt fängt die ProSiebenSat.1-Marke «ran» dieses vermeintliche Chaos ein – zunächst der Super Bowl in Sat.1, später Woche für Woche bei ProSieben Maxx und ProSieben.

Wenn „ein tiefes Brot“ geworfen wird, wie Experte und inzwischen ELF-Commissioner Patrick Esume einen weiten Passversuch gerne nennt, dann kann es mitunter laut werden im Unterföhringer «Galileo»-Fernsehstudio, wo die Spiele kommentiert werden. So laut, dass bei nächtlichen Übertragungen sicherlich der ein oder andere eingeschlafene Fernsehzuschauer die Augen aufreißt und wieder gespannt das Geschehen verfolgt. Das für US-amerikanische Übertragungen untypische Gegröle ist wie Netman Christoph „Icke“ Dommisch‘ lange Haare inzwischen zu einer Art Markenzeichen der Übertragungen geworden. Anfangs durfte Frank Buschmann gemeinsam mit Jan Stecker seine flotten Sprüche ins Mikrofon sprechen, eher er wie Florian „Schmiso“ Schmidt-Sommerfeld zu Sky wechselte.

Aus den Anfangsjahren ist nur noch Jan Stecker übrig geblieben, mit der regelmäßigen Übertragung bei ProSieben Maxx ab 2015 stießen Dommisch, Esume, Volker Schenk, Uwe Morawe, Roman Motzkus und später unter anderem Casten Spengemann und Max Zielke sowie die beiden Ex-Profis Björn Werner und Kasim Edebali zum Team dazu. Stecker hat die Entwicklung der oft zitierten „ranNFL-Familie“ komplett mitgemacht. Die ran-Crew hat es über die Jahre geschafft, eine echte Symbiose mit den Fernsehzuschauern einzugehen, indem die Netzreporter unaufgeregt und nicht aufgesetzt Social-Media-Beiträge in die Sendung einfließen lassen und so auch während der Live-Sendungen einen Dialog mit den Experten und Kommentatoren vor der Kamera starten. Dabei werden Fragen gestellt und beantwortet oder die Ex-Profis plaudern aus dem Nähkästchen. Das erzeugt Wärme und Nähe, wie es nur selten ein TV-Format geschafft hat herzustellen. Im Gegensatz zu Fernsehsendungen wie «hart aber fair» fühlen sich Social-Media-Interaktionen nicht wie Fremdkörper an.

Daher nimmt man es Jan Stecker auch ab, wenn er in der «ranNFL Webshow» zuletzt in wehmütigen Ton, als er über ein Fan-Event im Rahmen des ersten NFL-Spiels auf deutschem Boden im vergangenen Herbst sprach, sagte: „Ich liebe, liebe diese Fans und ich liebe dieses Feeling, das die einem vermitteln. Die gehen einem nie auf den Sack, sind immer freundlich und höflich, sie lachen ohne Ende und versprühen eine total positive Ausstrahlung. Das ist eine Eins mit tausend Sternchen.“ – „Es herrscht immer eine Wohlfühlatmosphäre, wo die ranNFL-Fans sind“, wie Moderator Max Zielke ergänzte. Montagnacht wird dieser Lovestory vorerst ein Ende bereitet, denn wenn in Glendale, Arizona, die Teams der Philadelphia Eagles und die Kansas City Chiefs das Feld betreten, zeigt ProSieben zum letzten Mal ein NFL-Spiel im deutschen Free-TV.

Ab der kommenden Saison hält bekanntlich RTL Deutschland die Rechte an dem US-Sport, der sich über die Jahre zum zweitbeliebtesten TV-Sport in Deutschland entwickelt hat. Dementsprechend kann ran-Sportchef Alexander Rösner den zurückliegenden Jahren nur Gutes abgewinnen: „Wir sind stolz auf eine grandiose Zeit mit «ranNFL». Der Dank geht an mein großartiges Team vor und hinter den Kameras und die fantastische Community. Gemeinsam ist es uns gelungen, aus einem medialen Nischensport ein TV-Sport-Event zu machen, das jeden verdammten Sonntag die Prime-Time gerockt hat.“ Rösner fügt an: „Zudem haben wir das allererste reguläre NFL-Spiel in Deutschland mit vielen Gänsehautmomenten zelebriert. Das bleibt.“ Der Stolz und Wehmut aller Beteiligten brach sich zuletzt auch vor der Kamera Bann, als bei Carsten Spengemann während der Abmoderation des NFC-Championship-Games – seinem letzten Saison-Spiel – die Tränen kullerten.



Der Super Bowl, dessen Kick-off um 0:30 Uhr deutscher Zeit erfolgt, wird live aus dem State Farm Stadium in Glendale von Jan Stecker, Patrick Esume, Björn Werner, Christoph "Icke" Dommisch und Max Zielke begleitet. Dann ist ProSieben beziehungsweise ProSieben Maxx bereits seit vier Stunden auf Sendung, denn der «Countdown zum Super Bowl» beginnt beim Spartensender bereits um 20:15 Uhr – moderiert von Casten Spengemann live aus dem Münchner Audi Dome. Gut möglich, dass an diesem Abend weitere Augen feucht werden, wenn sich die NFL von ProSieben verabschiedet.

Nicht nur den Rechte-Klau von RTL kann man dementsprechend als großes Kompliment an die ran-Crew werten, sondern auch die deutlich gestiegene Berichterstattung über die NFL an sich ist ein Verdienst der ProSiebenSat.1-Sendergruppe. Das Fußballfachmagazin ‚Kicker‘ versendet inzwischen mit seiner App Push-Benachrichtigungen in der Nacht, wenn Playoff-Spiele enden oder der 45-jährige Star-Quarterback Tom Brady im zweiten Jahr in Folge seine Karriere beendet. Auch der öffentlich-rechtliche Rundfunk hat neuerdings Gefallen an der NFL gefunden. So wird die «Sportschau» den Super Bowl als Hörerlebnis anbieten. Das Audio-Live-Angebot dürfte aber vor allem nur dann zumindest ein wenig Sinn ergeben, wenn der Ball ruht und die Spieler Halbzeit-Act Rihanna das Feld überlassen.



Wer weiß, welche Lieder der Popstar zum Besten geben wird. Viele halten ihren Auftritt bei Super Bowl für längst überfällig, dabei hätte es frei nach Rihanna kaum einen besseren Abschieds-Act für ProSieben geben können: „Now it's time to go / Curtain's finally closin' / That was quite a show / Very entertaining / But it's over now / Go on and take a bow“

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