Serientäter

«The One – Finde dein perfektes Match»

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Für jeden Menschen gibt es diesen einen Match. Einen perfekten Partner. Rebecca Webb ist Gründerin von The One. Jenem Unternehmen, das diesen einen Partner findet. Ihre Trefferquote? 100 Prozent. Allein passt eine Leiche, die ein Taucher in der Themse entdeckt, nicht zum makellosen Image des Unternehmens.

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Nun ist da jedoch der Leichenfund, der die Polizistin Kate Saunders auf den Plan ruft, die sich schnell auf Rebecca Webb als mögliche Täterin einschießt. Ben ist keines natürlichen Todes gestorben. Und Kate Saunders hat keine Angst vor einer mächtigen Frau wie Rebecca Webb, die längst nicht mehr nur als Firmengründerin durchaus Bekanntheit erlangt hat: Wer Millionen von DNA-Daten besitzt, die von Kunden freiwillig eingereicht worden sind und Menschen sogar namentlich zugeordnet werden können – besitzt einen Schatz (und damit Macht), gegen den der Datenschaft von Facebook direkt bescheiden ausfällt. Diese Kate Saunders aber ist selbst Kundin des Unternehmens und hat auf diesem Weg eine Frau aus Spanien kennengelernt, die ihr Match sein soll. Was interessant ist, da Kate bisexuell ist und sich persönlich auch eine Beziehung mit einem Mann vorstellen könnte. Dass Kates erste Begegnung mit dieser Frau eine unerwartete Kette von Geschehnissen in Gang setzt, mag auf den ersten Blick wie eine von der Geschichte der Rebecca Webb losgelösten Story wirken. Schließlich sind acht Episoden mit Handlung zu füllen und jede der handelnden Figuren braucht eine Geschichte. So einfach macht es sich die Serie aber nicht und daher ist die Geschichte der Kate Saunders enger mit der der Rebecca Webb verknüpft, als man dies zu Beginn erahnt.

Eine nicht ganz freiwillige Beziehung pflegt derweil der Journalist Mark Bailey zu Rebecca Webb. Mark ist ein freier Journalist, der einen sehr kritischen, wenig schmeichelhaften Artikel über Rebecca Webb und ihre Macht geschrieben hat. Womit er perfekt für sie ist, ihn mit Infos aus ihrem geschäftlichen Umfeld zu versorgen, die definitiv nicht für die Öffentlichkeit bestimmt sind, von denen sie aber will, dass sie an die Öffentlichkeit gelangen. Niemand würde schließlich vermuten, dass sie Marks Quelle in ihrem Hause ist. Eine kleine Erpressung und Mark arbeitet für sie. Zumindest indirekt, da sie ihn mit Informationen füttert, die ihm seine Abnehmer aus der Hand reißen und ordentlich bezahlen. Mark selbst lebt in einer glücklichen Ehe mit Hannah, die jedoch fürchterliche Panik davor hat, nicht sein Match zu sein. Er ist der Mann ihres Lebens. Aber was, wenn sie nicht die Frau seines Lebens ist? Aus ihrer vollkommen absurden Angst heraus schickt sie eine Haarprobe Marks an The One – und prompt wird diesem ein Match zugeordnet: Megan, eine Australiern, die zurzeit jedoch nicht nur in London lebt, sondern tatsächlich nur wenige Straßen entfernt. In ihrer Panik, dass Mark Megan zufällig über den Weg laufen könnte, setzt sie eine Reihe von Ereignissen in gang, die sich eher suboptimal auf ihre Beziehung auswirken.

«The One» ist eine Serie, die, wenn man sich auf die Story einlässt, einen Suchtfaktor entwickelt, da die Story immer wieder Pirouetten dreht, die so nicht vorhersehbar sind, die aber nie künstlich oder gewollt wirken. Alle Figuren und Handlungsstränge stehen in direkten Verbindungen zueinander, keine Geschichte kennt einen Stillstand, kunstvoll verzahnen sich die Geschehnisse aus der Vergangenheit mit denen der Gegenwart. Die alles umfassende Klammer ist, und da bewegt sich «The One» eindeutig auf BBC-Terrain, der Tod von Ben, der Stachel im Fleisch der Rebecca Webb. Sie hat ihn, einen guten und treuen Freund, hintergangen. Aber ist sie deswegen auch eine Mörderin?

Eine Frage, die man sich als deutscher Zuschauer stellt, beantwortet diese Serie allerdings nicht: Wo gedeihen in Großbritannien Schauspielerinnen wie Hannah Ware? Gibt es da Gewächshäuser und lassen sich diese auf den Kontinent importieren? Kaum mehr als ein Dutzend Produktionen umfasst das Portfolio der Enddreißigerin bislang, dazu gehören eine kleine Rolle in der US-Version von «Oldboy» sowie eine Hauptrolle in der Mars-Serie «The First», die in Deutschland auf Magenta TV zu sehen war. Sie ist nun nicht nur Hauptdarstellerin von «The One»: Sie ist die Serie. Sie ist Rebecca Webb. Und sie ist Rebecca Webb. Sie ist die nette Wissenschaftlerin, die gerne mit ihren Freunden abhängt, die ihren Job liebt (der allerdings gerne etwas besser bezahlt werden dürfte), sie ist eine zwar nicht unauffällige, aber doch eher normale Erscheinung, eine Frau, die in der Masse untergeht, wenn man sie nicht direkt im Blick hat. Vielleicht ist sie ein bisschen intelligenter als andere Menschen, aber sie kokettiert damit nicht. Das Leben ist, wie es ist.

Und sie ist Rebecca Webb, eine kühle Strategin der Macht, eine Person, die in dem Moment, in dem sie einen Raum betritt, alle Blick auf sich zieht. Sie ist faszinierend, keine Frage. Aber unterschwellig geht von ihr eine Gefahr aus, die nur darauf wartet, entfesselt zu werden. Bis auf einige Momente, in denen sie alleine ist und für einen Moment eine Eigenschaft offenbaren darf, die sie vor den Augen der Welt angreifbar machen würde: Zerbrechlichkeit. Hannah Ware spielt schlicht beeindruckend auf der Klaviatur menschlicher Emotionen und Verhaltensweisen und trägt die Inszenierung durch ihr Spiel auch über ihre Schwächen hinweg. Die große Schwäche der achtteiligen Reihe ist die die Inszenierung der Geschichte von Mark und seiner Ehefrau Hannah, die keine wirkliche Linie findet. Gerade die überdrehte Darstellung Hannahs würde man eher in einer Beziehungskomödie erwarten als in einer doch recht dramatischen Serie wie dieser. Vor allem ist diese überdrehte Darstellung in erster Linie nervend und weder humorvoll noch dazu geeignet, wirklich Dramatik aufkommen zu lassen. Sie verpasst es jener Geschichte Tiefe zu verleihen, die eigentlich hinter Hannahs und Marks Beziehung eine der ganz großen Fragen der Serie thematisiert: Wie Menschen tatsächlich damit umgehen würden, gäbe es so etwas wie The One in der Realität und sie feststellen müssten, dass es dort draußen nicht nur einen Partner gibt, den man liebt, sondern der schlichtweg perfekt wäre. Ein Partner ohne jene Ecken und Kanten, die in Wahrheit vielleicht erst eine echte Liebe ausmachen. Eine Liebe mit Geist und Seele und keine Beziehung, die von irgendwelchen Pheromonmustern getrieben wird.



Obschon diese erste Staffel fast alle Fragen, die im Rahmen der acht Episoden aufgeworfen werden, am Ende klärt, bleibt ein Cliffhanger bestehen. Die gute Nachricht: Während die BBC gerne und oft richtig gute, ja großartige Serien nach einer Staffel auch schon wieder einstellt – hat Netflix bereits eine zweite Staffel geordert.

Die Serie ist im Stream auf Netflix verfügbar.

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