Hintergrund

«50 Jahre Dalli-Dalli»– Fernsehshow und ein Rückblick auf ein bewegtes Leben

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Acht Prominente in vier Rateteams. Und zu gewinnen gab es für sie nichts. «Dalli Dalli» war Unterhaltung im freundlichsten Sinne des Wortes. Nicht zuletzt dank eines kleinen Mannes, der heute als eine Ikone vergangener Fernsehtage verehrt wird: Hans Rosenthal. Am 13. Mai 1971 strahlte das ZDF die erste Folge seiner Show aus.

Die Regeln der Show waren einfach. Es gab Rate-Runden, es gab Spiel-Runden. Das Prinzip der Rate-Runden war simpel. Hans Rosenthal nannte Wort und das Team, das gerade an der Reihe war, musste Begriffe nennen, die sich mit diesem Wort assoziieren ließen. Beispiel Wasser → Nässe, Durstlöscher, Regen. Die Spiele waren derweil einfach und funktionierten oft nach dem Prinzip, einen Gegenstand von einem Ort A an einen Ort B transportieren zu müssen. Was mit gewissen Schwierigkeiten verbunden war, wenn der Überbringer den Weg auf einem Kinderdreirad zurücklegen musste.

Ach ja, «Dalli Dalli» war harmlos. Auf YouTube findet man einige alte Episoden und es ist davon auszugehen, dass, wer heute jung ist und «Dalli Dalli» nicht live erlebt hat, überhaupt nicht verstehen kann, dass diese Show einst ein echter Hit gewesen ist. Die Gäste trugen Krawatte, die Damen biederen Kleiderschick aus dem Bader-Katalog. Es waren andere Zeiten, damals, in den 1970er Jahren. Und bitte, Fernsehen war eine ernste Angelegenheit. Die Fernsehsender hießen nicht umsonst Sendeanstalten – sie waren nicht nur Anstalten des öffentlichen Rechts, sie verhielten sich auch so. Der heute noch in der «Tagesschau» praktizierte halbamtliche Moderationsstil war seinerzeit die Regel, nicht die Ausnahme. Im Fernsehen - machte man keinen Quatsch.

Und dann gab es da diesen kleinen Mann, der eben doch ein bisschen Quatsch ins Fernsehen brachte. Wenngleich auch auf einer – aus heutigen Sicht – sehr harmlosen, liebenswerten Art und Weise, die niemanden wehtun sollte. Rosenthals Markenzeichen war seine ausgesprochene Höflichkeit, die er nicht nur seinen prominenten Gästen entgegenbrachte. In jeder seiner Sendungen gab es einen kleinen Spielblock für Gäste aus dem Publikum. Zwei Personen, die vermutlich noch nie zuvor in ihrem Leben vor einer Kamera gestanden hatten. Kameras sind für uns heute allgegenwärtig, auf YouTube oder Instagram sind wir unsere eigenen Programmdirektoren und schicken unsere Filmchen hinaus in die Welt. Wenn Onkel Gerd jedoch 1975 zwei Minuten in einer TV-Show zu sehen gewesen ist, war dies noch 1980 auf der Familienweihnachtsfeier das Thema schlechthin: „Erinnert ihr euch daran, wie Gerd vor der Kamera gestanden hat? Hätte er nicht vorher noch zum Friseur gehen können?“ Eines aber war sicher: Stand Onkel Gerd mit Hans Rosenthal vor der Kamera, konnte er sich sicher sein, dass ihm dieser Mann Respekt zollte. Einen Gast vorführen, sich über einen Gast gar lustig machen? Nein, das gab es für Hans Rosenthal nicht.

Über Hans Rosenthal wird erzählt, dass er hinter der Kamera nicht anders gewesen ist als vor der Kamera. Korrekt, höflich, interessiert. Über nicht wenige Moderatoren bekannter Unterhaltungsklassiker sind im Nachhinein Geschichten erzählt worden, die diese nicht im besten Lichte dastehen lassen. Diese sollen an dieser Stelle gar nicht ausgewalzt werden, vor allem, da es oft sehr, sehr schwierig ist, ihren Wahrheitsgehalt zu prüfen. Es ist jedoch mit Sicherheit keine atemberaubende Erkenntnis, dass hinter den Kulissen der Unterhaltungsindustrie oft mit harten Bandagen gekämpft wird und nicht selten die am weitesten kommen, die am rücksichtslosesten ihre Konkurrenten wegbeißen.

Geschichten dieser Art gibt es über Hans Rosenthal nicht. Rosenthal war Rosenthal. Stand Hans Rosenthal vor der Kamera, wirkte er stets freundlich und seriös, er pflegte die Etikette, ohne dabei verkrampft zu wirken. Er war humorvoll und auf eine sanfte Weise schlagfertig. Er war nie laut, aber er war auch kein Leisetreter. Führte er Gespräche, trat er als Person in den Hintergrund. Manchmal wirkte er ein bisschen zappelig. Das war zu seiner großen Zeit in den 1970er Jahren eigentlich verpönt. Aber Hans Rosenthal durfte ein bisschen zappelig sein. Er war so freundlich, so nett, ach, da wirkte diese kleine Schwäche um so sympathischer.

Er liebte die Kamera, die Kamera liebte ihn.

Dass er sein Publikum liebte – war jedoch alles andere als eine Selbstverständlichkeit.

Verfolgung
Hans Rosenthal erblickte das Licht der Welt am 2. April 1925 am Prenzlauer Berg in Berlin. Der Vater arbeitete an einem Bankschalter bei der Deutschen Bank; in seinen Erinnerungen «Zwei Leben in Deutschland» beschreibt Rosenthal die ersten Jahre seiner Kindheit als von Liebe und Geborgenheit geprägt. Doch auch der Wunsch, auf einer Bühne zu stehen und Menschen zu unterhalten, wuchs bereits in dieser Zeit ihn ihm. Sein Vater war Sänger einer „Dreimannkapelle“ mit dem schönen Namen Rosé. Mit der spielte er an Wochenenden oft in Berliner Bars. Das verschaffte der Familie ein kleines Zubrot. Es ging ihnen gut. Bis das deutsche Volk in einer freien, demokratischen Wahl beschloss, sich selbst der Freiheit zu berauben. Religion spielte im Hause Rosenthal, steht in seinen Erinnerungen zu lesen, kaum eine Rolle. Die Rosenthals waren Juden. Aber auch deutsche Patrioten: Wie so viele jüdische Familien, deren Söhne und Väter im Ersten Weltkrieg oft an vorderster Front gekämpft hatten. All das zählte nicht mehr. Hans Rosenthals Vater starb 1937 an Nierenversagen, seine Mutter folgte ihm nur kurze Zeit später. Lebten er und sein jüngerer Bruder Gert noch einige Zeit bei ihrer Großmutter, musste Hans Rosenthal bald Zwangsarbeit leisten. Sein Bruder Gert wurde von den Nazis verschleppt und ermordet.

Dass Hans Rosenthal den Holocaust überlebt hat, verdankte er einer einfachen Frau namens Ida Jauch. Sie war eine Bekannte seiner Großmutter. Und sie versteckte ihn in ihrer Laube. Als sie, eine Dame im fortgeschrittenen Alter, noch vor Kriegsende verstarb, suchte Hans Rosenthal in seiner Verzweiflung eine ihrer Freundinnen namens Maria Schönebeck auf. Sie und eine dritte Frau namens Emma Harndt wussten nicht nur, dass Ida einen Jungen bei sich versteckt hielt. Indem sie sie mitten in der Kriegszeit mit Lebensmitteln versorgten, sicherten sie auch Hans Rosenthals Überleben. Maria Schönebeck nahm den ihr unbekannten Jungen tatsächlich auf und gab ihm bis zum 25. April 1945 ein Versteck. Bis zu jenem Tag, an dem die Sowjets in Berlin einmarschierten.

Aus Dank gegenüber den Befreiern, begann Hans Rosenthal sich in der bald in vier Sektoren geteilten Stadt politisch für die Kommunisten zu betätigen. Drei Jahre arbeitete er beim Berliner Rundfunk unter anderem als Regieassistent bei Hörspielproduktionen, dann aber überwarf er sich mit den Aufsichtsgremien. Hans Rosenthal galt als Überflieger, als redegewandt – und politisch als wahrlich unbelastet. Er hatte eine bemerkenswerte Auffassungsgabe und die richtigen Förderer. Was ihm persönlich jedoch fehlte, war Freiheit. Entsetzt musste er mit ansehen, wie beim Berliner Rundfunk Mitarbeiter einander bespitzelten, wie ein falsches Wort ausreichte, um in Ungnade zu fallen. Folgerichtig siedelte er 1948 in den Westsektor über, wo man ihm beim RIAS (Radio im amerikanischen Sektor) nur allzu gerne eine Anstellung anbot. Rosenthal blieb dem Radio bis zu seinem Tod verbunden, ab 1955 aber suchte er auch im Fernsehen Betätigungsfelder. Er produzierte kleinere Unterhaltungs- aber auch Kabarettsendungen und 1966 stellte er sogar die erste Co-Produktion einer deutschen Sendeanstalt mit der BBC auf die Beine. Zeitgenossen beschreiben Rosenthal als begeisterungsfähig und umtriebig. Und das nicht nur am Mikrofon. Von 1965 bis 1973 führte er als Präsident den Fußballclub Tennis-Borussia Berlin. Und als Geschäftsmann erkannte er die Chancen des Privatradios – wenn auch einige Jahre zu früh: 1968 gründete er auf Teneriffa einen deutschsprachigen Sender, der sein Programm über eine lokale Station ausstrahlte. Sein Zielpublikum waren deutsche Touristen, die er in der Ferne mit Nachrichten aus Deutschland und Inforationen von der Insel versorgte. Bei den Touristen kam das auch sehr gut an, leider fand er nicht genügend Werbekunden und musste das spanische Abenteuer leider bald wieder einstellen.

Leider? Wer weiß, wie alles gekommen wäre, wäre sein Sender ein Erfolg geworden.

Hätte er je «Dalli Dalli» moderiert?

Am Samstag, den 15. Mai 2021, erinnert das ZDF an «Dalli Dalli». „Johannes B. Kerner erinnert an legendäre Momente aus der Show und lässt sie samt „Dalli-Klick“ und temporeichen Spielen neu aufleben. An diesem Abend nehmen wieder zahlreiche Prominente in Zweierteams hinter den Ratepulten Platz. Selbstverständlich darf auch die Jury nicht fehlen: Rosi Mittermaier und Christian Neureuther rechnen genau mit bei der Begriff-Rate-Runde oder der „Dalli-Tonleiter“. Und wenn besonders viele Punkte erzielt werden, dann heißt wieder: „Sie sind der Meinung: ‚Das war spitze!‘“. So steht es in der Ankündigung des Zweiten zu lesen. Und damit ein jüngeres Publikum versteht, was es mit Sprüchen wie - „Sie sind der Meinung, das war: Spitze!“ - auf sich hat, werden einige Folgen der einst beliebten Rateshow höchst offiziell auch in der Mediathek des ZDFs abrufbar sein.

Nach ihrem Ende im Jahr 1986 hat «Dalli Dalli» mehrere Wiederauferstehungen im deutschen Fernsehen erlebt. Andreas Türck moderierte eine abgespeckte Version der Show zwischen 1995 und 1997 im ZDF-Vorabendprogramm und brachte es auf fast 300 Episoden. Zum Vergleich: Vom Original wurden 153 Episoden produziert: Allerdings fürs Abendprogramm im Monatsrhythmus. Zwischen 2011 und 2013 moderierte Kai Pflaume 28 Mal eine nah am Original angelehnte Version im NDR Fernsehen, unter dem Titel «Das ist Spitze» gab es zwischen 2013 und 2015 außerdem zehn Ausgaben im Ersten.

Auch wenn Hans Rosenthal nie etwas anderes wollte als Menschen zu unterhalten, gab es doch in seinen Sendungen stets diesen einen Moment, in dem er ernst wurde. Mochte es in seinen Sendungen nie wirklich um Sieg oder Niederlage gegangen sein, spielten seine Gäste doch um – Geld. Ihre Punkte zumindest wurden am Ende einer Show in Mark oder Schilling umgerechnet und der Betrag, der sich aus diesen Punkten ergab, wurde einer in Not geratenen Familie gespendet, sehr oft vielköpfigen Familien, die die Mutter oder den Vater verloren hatten. Für Rosenthal war dies eine Herzensangelegenheit.

Die Absetzung seiner Show, die letzte Folge lief am 11. September 1986, traf das deutsche (und österreichische) Fernsehpublikum unerwartet. Nur seine Familie und einige wenige Kollegen wussten, dass er zu diesem Zeitpunkt längst ein schwerkranker Mann war, dem es immer schwerer fiel, eine 90-Minuten-Show durchzustehen. Hans Rosenthal war an Magenkrebs erkrankt. Er starb im Alter von nur 61 Jahren am 10. Februar 1987 in seiner Heimatstadt Berlin.

50 Jahre Dalli Dalli - Die große Jubiläumsshow, am 15. Mai 2021, 20.15 Uhr im ZDF.

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Es gibt 1 Kommentar zum Artikel
Sentinel2003
15.05.2021 21:19 Uhr 1
Ja, ich habe auch diese Familien Sendung damals sehr gerne gesehen.

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