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«Fake Night Berlin», das «Beschönigte Duell um die Welt» und die Frage: Brauchte es «STRG_F», um über Joko und Klaas zu reden?

von   |  4 Kommentare

Joko Winterscheidt, Klaas Heufer-Umlauf und die Produktionsfirma Florida TV wirbelten nicht nur die Medienschlagzeilen auf. Doch hat die «STRG_F»-Enthüllungsreportage übers Ziel hinausgeschossen?

Vorwürfe von «STRG_F» (Auswahl)

  • Im Falle eines angeblichen Fahrraddiebstahls in einem «Late Night Berlin»-Einspieler handelt es sich bei dem gezeigten Dieb um einen Laiendarsteller. Die Szene wurde mindestens zwei Mal gedreht, wie Zeugenaussagen und privates Videomaterial der Szene ergeben.
  • In «Duell um die Welt» wird behauptet, dass Edin Hasanovic einen Heißluftballon ganz alleine fliegt und landet. Das Schweizer Bundesamt für Zivilluftfahrt gibt an, dass der Schauspieler zu keiner Zeit alleine im Ballon gewesen sei. Ein Pilot sei immer anwesend gewesen, dies sei auch die gesetzliche Vorgabe. Der Pilot habe dies gegenüber der Behörde auch bestätigt.
  • Im «Late Night Berlin»-Einspieler über eine Frau, die verschiedene Ereignisse während eines Dates überrascht erlebt, wurde mit einer Schauspielerin gearbeitet, die die Episode in ihrer Schauspiel-Vita aufführt. Zudem wurden einige Situationen in mehreren Takes gedreht.
Transparenz-Disclaimer
Dienstag, 3. März 2020, 6 Uhr in der Früh: Der NDR haut eine Pressemitteilung darüber raus, dass in einer neuen Ausgabe des funk-Enthüllungsformats «STRG_F» aufgezeigt wird, dass einige Szenen in Joko-und-Klaas-Sendungen inszeniert sind.

Dienstag, 3. März 2020, kurz nach 6 Uhr in der Früh: Großes Schulterzucken in der Quotenmeter.de-Nachrichtenredaktion. Dass Comedybeiträge in der Comedyshow «Late Night Berlin» keine journalistisch einwandfrei bearbeiteten Reportagen sind, ist ja nun wirklich keine Meldung wert, womöglich aber einen Absatz in einer Formatkritik. Und dass die ihre Einspieler sehr offen filmisch inszenierende Sendung «Duell um die Welt» nun von einem NDR-Enthüllungsformat als Show enthüllt wurde, die Elemente ihrer Einspieler fiktionalisiert, ist noch weniger eine Nachrichtenmeldung wert.

Dienstag, 3. März 2020, der Rest des Tages: Der Busch namens Medienjournalismus brennt, weil nahezu alle erdenklichen Portale auf die NDR-Pressemitteilung aufspringen und einen riesigen Skandal daraus machen. Da wird von "heftigen Vorwürfen" gesprochen und Axel-Springer-mäßig Joko & Klaas ein Grimme-Preis aberkannt, wo de facto kein Grimme-Preis aberkannt wurde. Die Messlatte liegt am Boden. Wenn "Comedysendung macht Comedy, keinen Journalismus" schon ein "heftiger Vorwurf" ist, was wäre dann erst der Vorwurf, Joko hätte Klaas' Haustier mit einem Bagger überfahren? Ein mega-mörder-heftiger Vorwurf?

Mittwoch, 4. März 2020, morgens in der Quotenmer.de-Nachrichtenredaktion: "Joah, jetzt hat jeder Hinz und Kunz aus dem Ding eine große Sache gemacht – da wäre es ja völlig sinnlos, sich da auch noch anzuschließen. Wo wäre da der Neuigkeitswert?"

seither, andauernd: Quotenmeter.de wird immer wieder gefragt, wieso es nicht auch genau dasselbe macht wie alle anderen Portale und sich einem bereits völlig durchgekauten Thema annimmt.

jetzt: Wir nehmen uns aufgrund der großen Nachfrage dem bereits völlig durchgekauten Thema an und hoffen, irgendwas Neues dazu beizutragen …

Kritik an der Kritik

Zitate aus der ProSieben-Stellungnahme zur «STRG_F»-Reportage

  • "Das Magazin deckt auf, dass in Einspielfilmen mitunter Laiendarsteller eingesetzt werden. Das ist kein Geheimnis."
  • "Für Einspielfilme werden neben spontanen Passanten ab und an ganz offen und öffentlich Teilnehmer gesucht, um sicherzustellen, dass ausreichend Protagonisten zur Verfügung stehen, die bereit sind, sich filmen zu lassen. Sie wissen nicht, was redaktionell für sie vorbereitet wird."
  • Über den Hasanovic-Einspieler bei «DudW»: "Wir arbeiten bei allen Filmen mit den höchsten Sicherheitsstandards, um das Leben unserer Protagonisten nicht zu gefährden. Dies ändert nichts an der subjektiven Wahrnehmung und Bereitschaft unserer Protagonisten."
Was bringt es, mit Kanonen auf Spatzen zu schießen, drei Feuerwehrwagen los zu schicken, um eine brennende Hundehütte in einem Vorgarten in einer beschaulichen Kleinstadt zu löschen oder jemanden das ganze Bein abzuhacken, weil er einen eingewachsenen Zehennagel hat? Zuweilen mehr Schaden als Nutzen.

Eine gesamte Ausgabe eines öffentlich-rechtlichen, investigativen Enthüllungsformats dem Umstand zu widmen, dass komödiantische Einspieler in einer Comedysendung nicht vollauf authentisch sind, und dass in einer bewusst filmisch überspitzenden Unterhaltungsshow Dinge filmisch überspitzt wurden, reiht sich in diese Liste ein.

Wobei das «STRG_F» genutzt hat. Aus etwas, das in einer Sendungskritik bestens aufgehoben gewesen wäre, eine große, reißerische Meldung zu machen, brachte dem Format gigantische Publicity ein. Wohl nie zuvor wurden Recherchen dieser Sendung so häufig und so laut tönend zitiert. Der geschätzte Kollege Stefan Niggemeier behauptet sogar, dass es "verheerend für das Fernsehen" sei, dass Joko und Klaas in ihren Sendungen Dinge überspitzen, inszenieren und stellen.

Man kann dem NDR nur zu diesem gewaltigen Coup gratulieren: Es zu schaffen, dass selbst Medienprofis wie Niggemeier, die für ihr scharfes Auge und ihre klug einordnenden Reaktionen bekannt sind, wie aufgescheucht der massiv aufbauschenden, erschütterten «STRG_F»-Reportage nach dem Mund plappern, ist eine immense Leistung. Eine, die viel verheerender ist als die Erkenntnis, dass es inszenierte Elemente in Joko-und-Klaas-Sendungen gibt. Zu hören und zu lesen, dass seriöse (und für seriös empfundene) Portale davon schockiert sind, dass «Late Night Berlin» fiktionalisierte Inhalte umfasst, suggeriert dem Publikum, dass es ebenfalls davon geschockt sein müsste. Und so wird in Zeiten, in denen dem Fernsehen eh unentwegt vorgeworfen wird, nur erstunken und erlogen zu sein, unnötigerweise aus einer Sache, die (diskutable) Geschmacksfrage ist, ein "heftiger" Skandal.

Ziel des Beitrages war die humoristische Sensibilisierung für das Thema 'Fahrraddiebstahl'. [...] Nach erfolgreichem Abschluss eines Drehs mit versteckter Kamera werden aus produktionstechnischen Gründen häufig [...] sogenannte Schnittbilder nachgedreht. Selbstkritisch möchten wir anfügen, dass in diesem Fall der satirische Ansatz des Filmes womöglich deutlicher gemacht hätte werden müssen. Die Redaktion und die Produktion waren jedoch davon ausgegangen, dass ein Feuerschlucker, eine zirka vier Meter große Frau und ein Kirchenchor ausreichend Hinweis darauf liefern würden.
ProSieben-Stellungnahme bezüglich des Fahrraddiebstahl-Einspielers bei «Late Night Berlin»:
Die «STRG_F»-Reportage behandelt die "Ein Comedyeinspieler einer Comedysendung ist teilweise geschauspielert"-Enthüllungen mit demselben Ernst, mit derselben empörten Haltung, wie in vergangenen Ausgaben Nazi-Terror, Spannervideos auf öffentlichen Toiletten, die Methoden der Wettmafia und sogenanntee "Rachepornos" thematisiert wurden. Das ist eine beschämende Schere zwischen Erkenntnis und Aufbereitung, die man sich erspart hätte, wäre das Thema innerhalb der funk-Netzwerkfamilie zum Beispiel zu Walulis weitergereicht worden.

Denn die Walulis-Redaktion hätte mit ihrer selbstironischen, lockeren Haltung ein viel besseres Video über Joko, Klaas und die fiktionalisierende Produktionsfirma Florida machen können – eines, das die Sache nicht größer macht als sie ist. Man hätte wahrscheinlich schlicht frühere Florida-Aktionen, die sehr ehrlich und mit Meta-Humor auf ihre Überspitzung hingewiesen haben, mit den nun kritisierten Beiträgen verglichen. Daraufhin hätte man wohl Fragen aufgeworfen, ob Comedy-Einspieler denn real sein müssen, sobald sie sich Stilmittel authentischer Beitragsformen bedienen, und ob «Duell um die Welt» auch spannend wäre, würde man sich solche inszenatorischen Freiheiten sparen.

Ende im Gelände – man hätte das Problem mit angemessenem Aufwand behandelt. Aber das hätte natürlich nicht derartige Wellen geschlagen – rein aufmerksamkeitsökonomisch betrachtet, hat funk alles richtig gemacht. In Sachen Integrität muss man sich derweil wohl mindestens so sehr an die Nase packen wie die «STRG_F»-Gang es von Joko und Klaas verlangt …

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Es gibt 4 Kommentare zum Artikel
Nr27
13.03.2020 19:51 Uhr 1
Man muß nur während einer Show der beiden bei Twitter reinschauen, um zu erkennen, daß sehr vielen Zuschauern sehr bewußt ist, daß da natürlich nicht alles dokumäßig zugeht ...



Insofern stimme ich dem Artikel vollumfänglich zu (und bin nicht mal wirklich ein Fan von Joko und Klaas, auch wenn ich immer wieder mal gerne reinschaue - in der Regel bis zur nächsten Werbung).
LittleQ
14.03.2020 12:12 Uhr 2
Ich finde es schon seit langem total affig, wie ständig diese Fake-Vorwürfe in den Raum gestellt werden. Buhu...im Fernsehen ist also gar nicht alles echt? So eine Überraschung. Schon immer wurde fürs Fernsehen gestellt und getrickst...ob in den Talkshows in den 90ern, in Formaten wie TV Total, in DSDS und natürlich auch bei Joko und Klaas. Schaut sich doch keiner ernsthaft Late Night Berlin oder sogar Duell um die Welt an und glaubt, dass man da echte Sachen sieht?

Sind die Deutschen generell doof oder einfach nur naiv?

Will die Sachen sehen, weil sie unterhaltsam sind. Ich finde die DUDW Clips einfach super produziert und einfach mega spannend gemacht. In den letzten Jahren teilweise etwas aufgesetzt, aber dennoch gut.

Was an der Enthüllungsstory so enthüllend ist, verstehe ich dann auch nicht.

Wenn jetzt noch jemand enthüllt, Wrestling sei nicht echt, dann haut es mich natürlich noch ganz com Stuhl!
second-k
16.03.2020 00:22 Uhr 3
Dann bitte aber auch präzisieren:

Was an DSDS war oder ist getrickst? Meinst du irreführende Darstellungen durchs Schneiden bei den aufgezeichneten Sendungen? Denn das Prinzip, dass dort Leute Lieder nachsingen und per Zuschauervotum bewertet werden, ist ja - bei aller Inszenierung des Ganzen - kein Trick.

Wo wurde bei TV Total getrickst? Meinst du gestellte Interviews („Erstwählerchecks“, die Einspieler mit diesem Seniorenpaar)?



Abgesehen davon, dass die Sendungen diese gestellten Elemente überhaupt nicht nötig hatten/hätten, ist auch diese Irreführung des Zuschauers meiner Meinung nach nicht hinnehmbar (möglicherweise habe ich andere zentrale Inhalte dieser Sendungen vergessen, auf die das ähnlich zutrifft sind). Dass es sich um das Medium Fernsehen, das natürlich per se reichhaltige Möglichkeiten der Täuschung bietet, und um rein kommerzielle Privatsender handelt, legitimiert eine Täuschung des Zuschauers noch lange nicht. Man sollte sich damit nicht zu schnell abfinden, finde ich.



Wie es bei den ganzen 90-er-Jahre-Talkshows war, weiß ich gar nicht: Im Abspann von „T.V. Kaiser“ stand was von „Buch“, „Schauspielern“ usw., und in den Abspannen der „Scripted Reality“-Shows steht ja immerhin auch kurz erwähnt, dass es sich um Schauspieler handelt. Die Ansprüche der Öffentlichkeit ändern sich insofern, als es durch das Internet mehr Austausch über Sendungen gibt und sozusagen eine größere Transparenz erzeugt wird. Damit müssen sich Fernsehproduzenten nun mal auseinandersetzen. Vielleicht ist es andererseits auch nur der Anspruch mancher Medienmacher und weniger Zuschauer, nicht der großen Masse, wenn man zum Beispiel in Betracht zieht, dass die ersten Castings von DSDS, die das ja betrifft, schon seit langem höhere Quoten haben als die Livesendungen...
CaptainCharisma
16.03.2020 08:47 Uhr 4


Du hast mich zwar nicht angesprochene, hätte aber dennoch ne Meinung dazu. Und wie gesagt, es ist eine Meinung, die ich jetzt auch nicht belegen kann. Aber wie mich sind Sachen wie DSDS oder auch der ganze Klum Schmu, komplett inszeniert. Jedes Jahr, zu gleichen Zeit, sieht man beim Zappen, oder auf dem Email Portal, die immer gleichen Sendungsfetzten. Es wird geheult, es wird gezickt, es gab einen Unfall, der Rettungshubschrauber muss kommen, die Klum ist krank, die Klum hat sich was gebrochen. Und jedes Jahr sind diese Elemente so ausgeprägt, dass internetweit darüber berichtet wird.



Ähnliches bei DSDS. Man baut jedes Mal Elemente ein, damit lang und breit auf all möglichen Informationellen berichtet wird. Der Kriminalfall, der Drogenfall, der irre Freak, der Bekloppte, Bohlen wird mal wieder bedroht usw.



Beide Formate sind für mich eigentlich recht gute Beispiele, wie traurig das dt. Privatfernsehen ist.

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