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2018, ein Jahr des Umbruchs

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Digital first, heißt es immer öfter. Die Medienbranche befindet sich im Wandel. 2019 wird daher ein weiteres Jahr des Umbruchs. Zum Jahresausklang kommentiert Chefredakteur Manuel Weis die aktuelle Entwicklung.

Liebe Leser,

während in den deutschen Wohnzimmer schon der Sekt kalt gestellt wird, das Raclette auf seine Zubereitung wartet und Jörg Pilawa sich für seinen letzten TV-Einsatz des Jahres bereit hält, ist es eine gute Tradition geworden, auf die vergangenen 365 Tage, also 8760 Stunden, zurückzublicken. Selten zuvor konnte man so deutlich spüren, dass sich die komplette Medienbranche dieser Monate in einem heftigen Umbruch befindet. Die Digitalisierung betrifft zur Zeit bekanntlich viele Branchen – und lässt die Medienbranche nicht außen vor.

Das schürt Unsicherheit. Die gute Nachricht: 2018 lag der Medienkonsum der Menschen in Deutschland und das besagen gleich mehrere Studien, höher als je zuvor. Nur die Art und Weise, wie Medien konsumiert werden, hat sich verändert. Besonders junge Menschen unter 30 verhalten sich hier anders als bisher bekannt. Sie nutzen die neuen Player wie YouTube, Instagram TV, Netflix und Co. Im Vergleich zu älteren Menschen schauen sie nur noch halb so lange klassisches Fernsehen, aber: Sie schauen es noch.

Der Siegeszug von Streaming-Diensten, die ermöglichen, dass man selbst Herr über das Programm ist, ging 2018 weiter. Er hat dem Zuschauer viele Vorteile gebracht. Starre Programmpläne, Ärger über Wiederholungen oder rasche Absetzungen – all das bieten Netflix und Co nicht oder kaum. Der Siegeszug wird sich auch 2019 fortsetzen, aber für den Zuschauer wird es unbequemer. Die großen Konzerne und Medienhäuser haben natürlich Kenntnis genommen davon, dass Firmen wie Netflix echte Pionierarbeit in diesem Feld betrieben haben. Sie werden jetzt auf diesen Zug aufspringen. HBO/Turner, FOX/Disney und womöglich noch andere werden eigene Streaming-Dienste starten. Um wirklich alles von allen sehen zu können, muss der Endverbraucher künftig also weitere Abos abschließen.

Das hat den Fans in diesem Jahr schon beim Sport nicht gefallen. Die Zeiten, in denen Sky alles zeigte, sind vorbei. Drei Abos sind inzwischen für eine Rundumversorgung im Fußball nötig; eine Entwicklung, die Fans und sogar manchem Klubboss sauer aufstieß. Es ist eine Entwicklung, die sich aber wohl nicht umkehren lässt. Und ähnlich wie im Sport, könnte es sich bald auch im Fiktionalen v erhalten. In Deutschland sind die großen Medienunternehmen zur Zeit bemüht, sich gegen die Power von Netflix aufzustellen und zu wehren. Es hat ein Umdenken stattgefunden; im Linearen wie im Digitalen. Längst ist erkennbar, dass die Zuschauer neue Formate im klassischen Fernsehen deutlich seltener und langsamer annehmen als früher. Der berühmte „lange Atem“ ist mehr denn je gefragt.

Und es ist erkennbar: Die Sender schrecken heute mehr denn je vor vorschnellen Absetzungen zurück. Manchmal sind sie nicht zu vermeiden – das haben Beispiele wie «Time Battle» oder «Start Up!» gezeigt. Immer öfter aber beißen die Sender auf die Zähne, um die Zuschauer nicht zu vergrätzen. Kaum anzunehmen, dass sich ein Neustart wie «Alles oder Nichts» mit teilweise weniger als drei Prozent vor drei oder fünf Jahren über Wochen im Programm gehalten hätte. Frühere Sat.1-Soap-Versuche sind bei deutlich besseren Marktanteilen deutlich schneller aus dem Programm genommen worden. Das ist eine – für die Zuschauer – positive Auswirkung des Streaming-Trends.

Ebenfalls positiv sind die Bemühungen, wie mehr und besseres eigenes Programm zu machen. US-Ware hat sich noch mehr zu den Streamern verschoben, die großen deutschen TV-Sender setzen wieder auf Produkte „Made in Germany“. Das wird sich 2019 nochmal stärker zeigen, wenn auch ProSieben und Sat.1 die Dosis lokaler Inhalte klar erhöhen. Das verschafft den Sender mehr eigene Identität – und Programm, das sie für den Start ihrer jeweiligen Streaming-Aktivitäten brauchen.

2019 wird auch ein spannendes Kino-Jahr. Dass 2018 deutlich schlechter lief als erwartet – und rein gefühlt die ganz großen Namen fehlten, wird nicht ohne Auswirkungen bleiben. Totgeredet wurde das Kino ja schon oft, gestorben ist der Trend de facto aber nie. Und dennoch: Netflix und Co. setzen auch die Kinobetreiber unter Druck. In Zeiten, in denen top-aktuelle Spielfilme auch von der eigenen Couch aus vollkommen zeitlich flexibel angewählt werden können, sinkt womöglich die Bereitschaft zum Gang ins Kino. Die Branche hat nun 365 Tage Zeit, allen das Gegenteil zu beweisen.

2019 wird also an vielen Fronten gekämpft – ganz besonders auch im Digitalen. Es gilt, sich für ein neues Medienzeitalter zu rüsten; und diesen Megatrend will natürlich kein Medienhaus verschlafen. Quotenmeter.de wird alle Bewegungen, gut oder schlecht für den Nutzer, genau beobachten. Wir berichten aber auch weiterhin intensiv über lineares Fernsehen, das Abend für Abend weiterhin meist über 20 Millionen Menschen nutzen – oft auch noch deutlich mehr. Denn so lange einzelne Stoffe noch auf sechs, sieben oder mehr Millionen Fans kommen, dann von einem langsamen Aussterben dieses Mediums keine Rede sein.

Das Team von Quotenmeter.de dankt Lesern und allen Kunden für die Treue im Jahr 2018, wünscht einen guten Rutsch, viel Gesundheit und Erfolg und allgemein ein gutes neues Jahr, in dem wir Tag für Tag versuchen, ein gutes Produkt zu produzieren.

Ihr Manuel Weis

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