Hingeschaut

«Rach tischt auf» punktet auf Anhieb

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Großer Aufwand für eine gute Show: Der Einstand des ehemaligen RTL-Restauranttesters beim ZDF verlief zufriedenstellend. Defizite gab es hinsichtlich Spontaneität und Interaktion mit dem Publikum.

Rachs Werdegang bei RTL

  • 2005: «Teufels Küche» (als Promi-Coach)
  • 2005-2013: «Rach, der Restauranttester»
  • 2010-2012: «Rachs Restaurantschule»
  • 2013: «Rach deckt auf
Im Dokusoap-Aufgebot von RTL wirkte Sternekoch Christian Rach in den vergangenen Jahren immer mehr wie ein Fremdkörper: Machten die meisten Formate dieser Zunft negative Schlagzeilen mit zum Teil menschenunwürdigen Produktionsbedingungen und zweifelhaften Formen der televisionären Inszenierung, konnte er sich seinen seriösen Ruf weitgehend erhalten und präsentierte im Sommer des vergangenen Jahres mit «Rach deckt auf» sogar erstmals eine zumindest partiell investigative Verbraucherschutzsendung. Parallel dazu entdeckte auch das öffentlich-rechtliche Fernsehen das Thema Lebensmittel und Verbraucherschutz immer mehr für sich und feierte damit in den vergangenen Jahren einige beachtliche Erfolge. Insofern war der im Spätsommer verkündete Senderwechsel Rachs eine logische Schlussfolgerung aus der Ännaherung beider Parteien in der jüngeren Vergangenheit. Bereuen dürfte man in Mainz diesen Schritt nicht, denn die Premiere von «Rach tischt auf» verlief voll und ganz nach Plan - an einigen Stellen vielleicht sogar etwas zu sehr.

Bemerkenswert an der neuen Sendung ist, dass der Moderator erstmals in einem richtigen Studio vor Publikum sendet und seine Weisheiten nicht exklusiv für das Kamerateam zum Ausdruck bringt. Das ist ungewohnt für Zuschauer wie Moderator, da letzterer die Kamera sucht wie ein geltungssüchtiger C-Promi auf dem roten Teppich. Wohl auch deshalb stellt man ihm die dauerplappernde Andrea Kiewel sowie den hauseigenen Natur-Experten Dirk Steffens an die Seite, die als Assistenten und Ansprechpartner Rachs fungieren und gemeinsam mit ihm durch die zahlreichen Studio-Aktionen führen sollen. In der Praxis geht Steffens fast vollständig unter, während Kiewel ihre verbale Inkontinenz einmal mehr nicht in den Griff bekommt und sich ein ums andere Mal in den Vordergrund drängt. Einerseits etwas mühsam für den Zuschauer, andererseits kann Rach somit mit seiner belehrenden Rhetorik und seiner sympathischen Ausstrahlung punkten - was ihm bei einer anderthalbstündigen Aufzeichnung sehr zugute kommt.

Es werden zahlreiche Statistiken zum Konsumverhalten der Deutschen vorgetragen, man bekommt Informationen zu etlichen Lebensmitteln und Herstellungsweisen in der Nachrungsmittelindustrie und auch die allseits beliebten Tests kommen natürlich nicht zu kurz. Mit anderen Worten: Ein revolutionäres Meisterwerk ist das Gesehene gewiss nicht. Doch die Mischung aus Information und Unterhaltung stimmt und es ist ganz offenkundig, dass die Verantwortlichen für die Sendung einen ungleich höheren Aufwand betrieben haben als bei den meisten Vertretern dieses Genres. In zahlreichen Einspielfilmchen gehen Rach, Kiewel und Steffens beliebten Volksirrtümern auf den Grund, im Studio wiederum ist über die 90 Minuten verteilt eine beachtliche Menge an Lebensmitteln vorzufinden. Warum? Weil es dem Team um Christian Rach nicht reicht, schlicht den Pro-Kopf-Verbrauch eines Lebensmittels zu nennen - nein, die Menge an Zucker muss in eine Säule gekippt werden, Bauern karren die Menge an Kartoffeln ins Studio und auch der Verbrauch von Kohlenhydraten, Obst und Gemüse wird visuell untermalt.

Ob sich dieser organisatorische und finanzielle Aufwand in jeder Situation letztlich auch wirklich rentiert, ist fraglich. Er verschafft dem Betrachter in jedem Fall Respekt vor der Leistung der Verantwortlichen - und kaschiert überdies auch etwas, dass man das in seiner Aufmachung und Farbgebung stark an «Pelzig hält sich» erinnernde Studio ansonsten kaum zu nutzen weiß. Das Publikum vor Ort ist zwar physisch vorhanden und wird auch häufig von der Kamera eingefangen, in den Ablauf der Show integriert wird es allerdings kaum. Kiewel, Rach und Steffens wirken noch zu sehr mit sich und den auswendig gelernten Moderationstexten beschäftigt, als dass ein mögliches interaktives Element zustande kommen könnte.

Der Ablauf ist prinzipiell ebenfalls sehr statisch gehalten, da man sich stets zwischen Studio-Teil und voraufgezeichneten Einspielfilmchen abwechselt, doch da die Clips durchgehend unterhaltsam und kurzweilig sind, fällt dies alles letztlich nicht negativ ins Gewicht. Es ist zwar etwas schade, wenn man eine Gruppe aus Grundschülern und Vorschulkindern in der Sendung sitzen hat und diese dann bis auf zwei Alibi-Fragen gar nicht ins Geschehen involviert, doch getreu dem Motto "aus dem Auge, aus dem Sinn" hat man dieses kleine Ärgernis auch schon wieder verdrängt, sobald das nächste Filmchen über den Bildschirm flimmert und über Lachs, Gemüse oder ähnliche Dinge informiert.

Insgesamt ist «Rach tischt auf» zwar mit Sicherheit noch keine perfekte Primetime-Sendung, doch sie beschert dem ZDF-Neuzugang dennoch einen Einstand nach Maß. Das Jahrhunderte alte Prinzip "unterhalten und belehren" beherzigt sie über die gesamte Laufzeit hinweg und setzt es mit großer Freude und mindestens ebenso großem Aufwand in die Tat um, ohne die Fernsehwelt revolutionieren zu wollen. Die Moderationskünste von Christian Rach bergen zwar noch Luft nach oben, doch dank zahlreicher Studio-Aktionen und der (von Seiten einiger ehemaliger Weight-Watchers-Werbefiguren etwas übereifrigen) Unterstützung fällt dies kaum negativ auf. Der Sprung von Köln nach Mainz war ohnehin kein wirklich großer, da er sich inhaltlich kaum neu orientieren muss. Wenn es dennoch einer Bestätigung bedurft haben sollte: Ja, Rach kanns auch bei den Öffentlich-Rechtlichen.

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