Serien-Update

«Doctor Who»

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Viel hat sich getan in den letzten Jahren: Mit neuem Showrunner ist «Doctor Who» deutlich düsterer und komplexer geworden. Das jedoch scheint nicht allen Zuschauern zu gefallen.

Unter Tränen hat sich der Doctor ein letztes Mal von Rose Tylor verabschiedet, die fortan auf ewig unentrinnbar in einem parallelen Universum leben wird. Doch so alleine wie er glaubt, ist er in seiner TARDIS gar nicht, denn plötzlich steht eine Frau im Hochzeitskleid bei ihm, die über ihr plötzliches Erscheinen offenbar genauso verwirrt ist wie er. So endete im August 2008 auf ProSieben mit dem Cliffhanger zum Weihnachtsspecial die zweite Staffel der 2005er-Neuauflage der britischen Kultserie. Tatsächlich sind bislang sogar drei weitere Weihnachtsspecials entstanden sowie dreieinhalb weitere Staffeln und einige Spezialausgaben in Überlänge.

«Doctor Who» ist wohl die weltweit einzige Serie, die das Kunststück geschafft hat, den Hauptdarsteller sogar mehrmals auszutauschen und jemand anderes dieselbe Rolle spielen zu lassen, ohne dass die Quoten einbrachen. So sahen die deutschen Zuschauer in der zweiten ProSieben-Staffel mit David Tennant bereits den zehnten Darsteller in der Rolle des Doctors. Wahrscheinlich ist es gerade die Freiheit der Darsteller, die Figur bei Übernahme ganz individuell zu gestalten statt sich ihren Vorgängern anzupassen, die das Format über bald fünf Jahrzehnte frisch hält.

Größere Zäsuren hat es seither aber auch neben den Rotationen im Cast gegeben. Mit Beginn der fünften Staffel der neuen Serie (der insgesamt 31.) reichte Showrunner Russell T. Davies, immer auf pompöse wie kindgerechte Unterhaltung bedacht, die Position an der Spitze der Serie an Fanfavorit Steven Moffat weiter - ProSieben-Zuschauern als Autor der herausragenden Episoden "Der Doctor tanzt" und "Das Mädchen im Kamin" bekannt. Moffat drückte der Serie seinen Stempel auf: In deutlich stärker serialisierter Form mit übergreifender Handlung und einem düsteren Flair kehrte «Doctor Who» aus einer einjährigen mit vereinzelten Specials gefüllten Pause zurück. Vor allem die Charaktere rückten viel mehr in den Vordergrund anstelle optischer Knalleffekte - was nicht heißt, dass «Doctor Who» nicht immer noch ein bonbonbuntes Fantasy-Universum zu bieten hat.

Nicht alles war gut im ersten Jahr unter Steven Moffat. Die Figuren wirkten noch nicht eingespielt, die Drehbücher der Episoden selbst - auch die aus der Feder von Moffat selbst - teilweise seltsam unkreativ. Der Handlungsbogen wurde oftmals geradezu an die Episoden angetackert statt ihn organisch in sie zu integrieren. All das wirkt nun im Jahr 2011 und der sechsten Staffel schon deutlich besser. Mit dem in den USA gedrehten zweiteiligen Auftakt, mit dem besonders BBC America auf mehr Interesse bei den US-Amerikanern stoßen wollte, wurde ein filmreifer Auftakt geschaffen, der ein hohes Tempo vorgibt, das die weiteren Folgen der Staffel gehen. Dennoch: Wer nur eine einzelne Episode antesten möchte, sollte zu "Blink" aus der dritten Staffel greifen. Dort ist der Doctor samt Begleitung zwar quasi nicht präsent, dafür ist die vom aktuellen Showrunner geschriebene Folge in Erzählung und Inszenierung ein kleines Juwel.

Auch wenn die Qualität der aktuellen Folgen viel gelobt wird, scheint vielen Briten das leichtfüßige, kurzweilige und zuweilen bis an die Schmerzgrenze des Bombasts übertriebene «Doctor Who» aus der Zeit von Russell T. Davies besser gefallen zu haben. An die Einschaltquoten seines Vorgängers kommt Moffat jedenfalls nicht mehr heran. Für das stärkste Serienvehikel im BBC-Programm neben den Soap Operas reicht es dennoch und so ist es kein Wunder, dass die mehrfach preisgekrönte Serie kürzlich für eine weitere Staffel verlängert wurde.



Es war ein richtig radikaler Umbruch, den Steven Moffat mit ans Set brachte. Der Hauptdarsteller ausgestiegen, einen festen Companion gab es schon seit einem Jahr nicht mehr, die TARDIS oder zumindest ihre Inneneinrichtung war im Weihnachtsspecial spektakulär in Schutt und Asche gelegt worden. So kam neben Moffat und einem neuen Raumschiff-Set mit Retro-Flair auch ein neuer zweiköpfiger Cast in die Serie. Besonders Doctor-Darsteller Matt Smith hatte ein schweres Erbe anzutreten als Nachfolger des zum Schluss hin zwar leicht polarisierenden, im Großen und Ganzen aber ungemein beliebten David Tennant. Alle Tennant-Fans konnte Matt Smith sicherlich nicht bekehren, aber schauspielerisch überzeugte der junge Darsteller als Jahrhunderte alter Reisender auf Anhieb.

Auch Kompagnon Karen Gillan als Amy Pond hob sich schnell wohltuend von ihren Vorgängerinnen ab, indem ihrer Rolle ein sehr selbstbestimmter und -bewusster Charakter gewährt wurde. Mit Amy, die bei ihrer zweiten Begegnung mit dem Doctor als sogenanntes Kissogramm arbeitet, brachte Moffat einen unterschwelligen Hauch von Sexualität in die Serie, wo zuvor höchstens kitschige Gefühlsduselei herrschte. Dadurch, dass Moffat sein Publikum um einiges ernster nahm, gerieten auch die Figuren nun deutlich realistischer. Auch bei ihren weiteren Entwicklungen wurden mutige neue Wege eingeschlagen. Amy heiratet, wird in der sechsten Staffel sogar schwanger.

Noch ist nicht alles Gold in der Ära Steven Moffat. Besonders in Staffel fünf war einiges an Ideenrecycling angesagt, was leider auch in der Entmystifizierung der Weinenden Engel aus "Blink" mündete. Auch der rote Faden um den Riss in der Realität pflegte sich eher holprig als geschmeidig in die Staffel. Die zwei größten Entwicklungen während der Staffel waren einfach an den Schluss der beiden Zweiteiler angehängt und sorgten für einen sehr abrupten Wechsel mitten in den Geschichten, was besonders "Flesh and Stone" enorm schadete, da der stark begonnene Zweiteiler am Schluss völlig zerrupft wirkte. Auch die Auflösung im Staffelfinale gelang nicht hundertprozentig.

Mit der aktuellen Staffel hat Moffat sich und seinen Zuschauern noch mehr zugemutet. Ein halbes Dutzend Storybögen kreuzen sich einander in der Serie. Die Beziehung zwischen dem Doctor und River Song, das Timelord-Baby von Amy und Rory, die Entführer des Kindes, der Tod des Doctors in der Zukunft. Selbst für erfahrene Zuschauer wird es langsam zur Herausforderung, der Serie noch komplett folgen zu können. So steht zu hoffen, dass einige der Handlungsbögen mit den im Herbst kommenden restlichen Folgen der Staffel endgültig aufgelöst werden, um wieder etwas Luft zu verschaffen. Denn rückblickend muss man sowieso sagen: So gut die aktuelle Staffel sein mag - an Episodenhighlights wie "Das Mädchen im Kamin" oder "Blink", die binnen 45 Minuten ihre Charaktere etablieren, ihre Geschichten ausbreiten und kunstvoll auflösen, kommen die neuen Folgen im einzelnen einfach nicht heran.

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