
Die Geschichte spielt in der fiktiven US-Kleinstadt Paradise, wo der arbeitslose Protagonist „Dude“ (Zack Ward) mit seiner übergewichtigen, sexsüchtigen Frau in einem Trailerpark lebt. Nach einem chaotischen Tag schließt er sich seinem Onkel Dave (Dave Foley) an, dem Anführer einer Sekte. Gemeinsam planen sie einen Raubüberfall auf den Freizeitpark „Little Germany“, um an rare Sammlerpuppen zu kommen. Dumm nur, dass auch eine Terroristengruppe – angeführt von Osama bin Laden (!) – dieselben Puppen als Träger eines Vogelgrippevirus nutzen will, um die USA zu vernichten. Die ohnehin abstruse Story eskaliert in einem exzessiven Massaker, bei dem neben Taliban und Sektenmitgliedern auch Kinder und Unschuldige sterben. Die finale Pointe ist, dass Osama und George W. Bush Händchen haltend in den Atomkrieg stolpern.
Bolls Regie ist hemmungslos, respektlos und – je nach Gusto – entweder anarchisch originell oder einfach nur geschmacklos. Der Film wurde auf dem „Fantasia Festival“ uraufgeführt, erhielt in Deutschland eine FSK-16-Freigabe, wurde aber in vielen Ländern kaum oder gar nicht gezeigt. In den USA lief der Film in nur wenigen Kinos. Fernsehausstrahlungen? Kaum dokumentiert. «Postal» wurde so gut wie nie im klassischen Fernsehen gezeigt – vermutlich, weil Programmverantwortliche das Risiko nicht eingehen wollten, mit einem Film assoziiert zu werden, in dem Kinder erschossen werden und 9/11-Gags gemacht werden.
Der Film scheiterte kommerziell wie künstlerisch. Trotz eines verhältnismäßig niedrigen Budgets von geschätzten 15 Millionen Dollar konnte er an den Kinokassen kaum etwas einspielen. Auch der DVD-Verkauf blieb weit hinter den Erwartungen zurück. Selbst Uwe Boll zeigte sich in späteren Interviews enttäuscht über die mangelnde Vermarktung in den USA. „Wenn ein Film wie «Postal» keine Plattform bekommt, dann stimmt etwas nicht mit der Meinungsfreiheit“, erklärte Boll damals. Oder der Regisseur hat eben eine Wahrnehmungsverzerrung, dass niemand diesen Schund möchte.
Viele Schauspieler aus «Postal» verschwanden im B- und C-Film-Nirwana oder machten in TV-Nebenrollen weiter. Ein Karrieresprungbrett war «Postal» für niemanden. Zack Ward, bekannt aus «A Christmas Story», blieb dem B-Movie-Genre treu und ist heute auch als Regisseur und Produzent tätig. Dave Foley, einst Teil der Comedy-Truppe „Kids in the Hall“, äußerte sich nie öffentlich über «Postal». Seine Karriere verlief weiter ruhig, mit Gastrollen in Serien wie «How I Met Your Mother» oder «It's Always Sunny in Philadelphia». J.K. Simmons, der eine Minirolle als Politiker hatte, bekam für «Whiplash» den Oscar. Davor war er in «The Closer» zu sehen. Verne Troyer, der sich selbst spielt, verstarb 2018. Sein Auftritt in «Postal» blieb eine von vielen skurrilen Cameos.
Die vielleicht brennendste Frage: Wie ist es möglich, dass Uwe Boll trotz unzähliger Flops und katastrophaler Kritiken über Jahre weiter Filme drehte? Die Antwort liegt in einem damals clever genutzten Finanzloch: Boll finanzierte viele seiner Filme über das deutsche Steuermodell für Medienfonds. Verluste konnten von Anlegern steuerlich abgeschrieben werden. Solange genug Investoren daran glaubten, dass ein Film zumindest auf DVD oder im Ausland ein wenig Geld einspielt, konnte Boll weiterproduzieren.
Boll selbst sah sich stets als missverstandener Auteur – ein Kämpfer gegen Hollywood-Mainstream und kritikscheue Feiglinge. Er scheute nie den Konflikt: Kritiker lud er zum Boxkampf ein, die Presse beschimpfte er regelmäßig als „Idioten“. Seit 2016 hat er sich weitgehend aus dem Filmgeschäft zurückgezogen – auch weil das Steuerschlupfloch geschlossen wurde. Heute betreibt er ein Restaurant in Kanada und äußert sich gelegentlich via YouTube über Politik und Gesellschaft.
«Postal» ist ein filmischer Tritt gegen jede Form des Anstands. Politisch inkorrekt, schlecht inszeniert, technisch schwach – aber vielleicht gerade deshalb ein Kultfilm für Trash-Liebhaber. Die Kritiken sprechen Bände: Auf Rotten Tomatoes liegt der Film bei 7 Prozent, auf Metacritic wurde er kaum beachtet. Dennoch: «Postal» gilt als einer von Bolls „besseren“ Filmen – was eher eine Warnung als ein Lob ist.
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