Wes Anderson, bekannt für seine einzigartige Herangehensweise an Filmprojekte, hat sich erneut von einem Werk des renommierten britischen Schriftstellers Roald Dahl inspirieren lassen. Schon mit dem Animationsfilm "Der fantastische Mr. Fox" aus dem Jahr 2009 bewies Anderson sein Talent, Dahls Geschichten auf die Leinwand zu bringen. Dieses Mal hat er sich von der Kurzgeschichte "The Wonderful Story of Henry Sugar" inspirieren lassen, die 1977 veröffentlicht wurde und in Deutschland unter dem Titel "Ich sehe was, was du nicht siehst" bekannt ist.
Doch ist der Film des Kultregisseurs Wes Anderson tatsächlich ein Höhepunkt in dessen Karriere?
Die Handlung im Überblick
Der Protagonist, Henry Sugar (Benedict Cumberbatch), verkörpert einen wohlhabenden Mann, der mit zunehmendem Alter von Langeweile geplagt wird. Die eintönige Existenz des reichen Dandys erfährt eine unerwartete Wendung, als er von einem außergewöhnlichen Guru namens Imdad Khan erfährt, gespielt von Ben Kingsley. Die Faszination von Sugar wird geweckt, als er hört, dass Khan in Mumbai die erstaunliche Fähigkeit besitzt, mit geschlossenen Augen zu sehen.
Im Verlauf von Aufzeichnungen, die von dem mysteriösen Mr. Khan hinterlassen wurden, erfährt der Zuschauer von dessen Jugend im Dschungel, wo er von einem spirituellen Lehrer die Gabe erlernte, ohne den Gebrauch seiner Augen zu sehen. Das weckt nicht nur das Interesse von Henry Sugar, sondern inspiriert ihn dazu, sein inneres Auge zu stärken. Über Monate hinweg unterzieht sich Sugar den beschriebenen Methoden, um schließlich die neu erworbene Fähigkeit dazu zu nutzen, beim Glücksspiel zu betrügen und seinen Reichtum weiterzuvermehren. Einzig bei Slots im Kasino wird er mit seiner neuen Fertigkeit wohl kaum punkten.
Allerdings stellt der neue Reichtum Sugar nicht zufrieden, und er erkennt, dass es an der Zeit ist, sein ungewöhnliches Talent für wichtigere Zwecke einzusetzen. Diese Erkenntnis markiert einen Wendepunkt in der Handlung, da der Protagonist beginnt, sein außergewöhnliches Sehvermögen für einen höheren Zweck zu nutzen.
Ein Theatererlebnis auf der Leinwand
Der 40-minütige Film, als Teil der Roald-Dahl-Offensive von Netflix, bietet einen faszinierenden Einblick in die künstlerische Vision von Wes Anderson und setzt die Messlatte hoch für kommende Verfilmungen. Durch die Erzählfunktion, die von verschiedenen Figuren übernommen wird, entfaltet sich die Geschichte in mehreren ineinander verschachtelten Ebenen.
Bereits in Andersons vorherigem Film "Asteroid City" liebäugelte der Regisseur mit theatralischen Elementen, die er geschickt in sein neuestes Werk integriert. Der Film erinnert an eine moderne Bühneninszenierung, bei der Monologe direkt an das Publikum gerichtet werden und die vierte Wand durchbrochen wird. Anderson nutzt geschickt Theatermethoden, indem er Requisiten reicht, Figuren in den Kulissen platziert und Effekte wie das Entfernen von Make-up in die Handlung einbezieht.
Anderson schöpft aus dem Vollen, inszeniert mit Werktreue zum Ursprungstext und lässt sogar Roald Dahl höchstpersönlich (gespielt von Ralph Fiennes) auftreten. Die humorvolle und dennoch nachdenkliche Weisheit, die zwischen den Zeilen des Films schimmert, macht "Ich sehe was, was du nicht siehst" zu einem herausragenden Werk.
Trotz anfänglicher Erscheinung als schelmenhaftes Schauspiel offenbart der Film eine erstaunlich nachdenkliche Tragikomik. Die Euphorie über das Sehen ohne Augen wird mit einem tristen Blick auf die Welt konfrontiert. Anderson gelingt es, kleine philosophische Denkstücke in hinreißende Tragikomik zu tauchen, die nachhallt.
Fazit
"Ich sehe was, was du nicht siehst" steht zweifellos als Höhepunkt in Wes Andersons Karriere. Mit beeindruckender Werktreue, ästhetischen Spielereien und einem brillanten Umgang mit den Mechanismen seiner Kunst verhandelt der Film das titelgebende Sehen auf faszinierende Weise. Andersons Talent zeigt sich in der Fusion von Film und Theater, in der Begrenzung des Blicks und in der Darstellung von überraschenden Facetten der menschlichen Existenz. Ein virtuoses Meisterwerk, das nicht nur Fans des Regisseurs, sondern auch Liebhaber anspruchsvoller Filme begeistern wird.
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