Interview

‚Alice Schwarzer hatte ein Veto-Recht bei den Drehbüchern‘

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Am Mittwoch strahlt Das Erste den Zweiteiler über Alice Schwarzer aus. Für Produzenten Boris Schönfelder ist der Film über Frauenrechte ein gelungenes Kontrastprogramm zu Fußball.

Hallo Frau Weegmann, hallo Herr Schönfelder. Sie haben einen Fernsehfilm über Alice Schwarzer gedreht. Ist das ein klassisches Biopic?
Boris Schönfelder:
Es gibt sehr unterschiedliche Formen des Biopics. Unseres beschäftigt sich damit, wie Alice Schwarzer erst Journalistin wurde und dann ihren Erfolg aufs Spiel setzte, um auch Aktivistin zu werden. Im zweiten Teil geht es dann um die Anfeindungen und die Gründung der Zeitschrift EMMA.

Nicole Weegmann: Ja, es ist ein klassisches Biopic. Dabei haben wir uns auf die Zeit von 1964-1977 beschränkt, was schon ein relativ großer Bogen ist.

Der Rundfunk Berlin-Brandenburg, der Westdeutsche Rundfunk und die ARD Degeto haben das Projekt gemeinsam entwickelt. Wann haben Sie die Idee für diese Projekt gehabt und wie lange dauerte die Umsetzung?
Boris Schönfelder: Die Idee zu diesem Projekt hatte ich vor ungefähr 2 ½ Jahren. Die Autorin Silke Steiner hat dann einen ersten Entwurf geschrieben, der die Finanzierung möglich machte.

Nicole Weegmann: Ich selbst kam erst später dazu. Dramaturgisch stand zu diesem Zeitpunkt beispielsweise schon fest mit der Gründung des Emma Verlags 1977 zu enden. Die Zeit in Frankreich hingegen, Aspekte ihres Lebens, die so weniger bekannt sind, diesen Schwerpunkt in Teil 1 haben wir später noch gesetzt.

Das Drehbuch kam von Daniel Nocke und Silke Steiner. Wie viel Mitspracherecht hatte schlussendlich auch Alice Schwarzer?
Boris Schönfelder:
Alice Schwarzer hatte ein Veto-Recht bei den Drehbüchern. Dies war nicht geschmäcklerisch, sondern auf die Fakten bezogen. Bei der Auswahl der drei Hauptdarsteller haben wir sie konsultiert. Sie ist hierbei unseren Vorschlägen gefolgt.

Nicole Weegmann: Bei den Dreharbeiten war sie nicht beteiligt, kam nur einmal zu Besuch. Auch den Schnitt haben wir ihr nicht gezeigt.

Nina Gummich durfte die junge Alice Schwarzer spielen. Sozusagen ein Volltreffer?
Boris Schönfelder:
Nina Gummich war für uns schon beim Casting ein Volltreffer, sie war am besten vorbereitet, hat Alice Schwarzer unglaublich intensiv studiert und sieht der jungen Alice mit ein wenig Styling sogar sehr ähnlich.

Nicole Weegmann: Wir haben sehr umfangreich gecastet. Dabei war Nina schon bei den Probeaufnahmen eindeutig herausragend. Sie ist ein Glücksfall für das Projekt.

Das Erste strahlt die zwei Spielfilme aus – in Konkurrenz zur Fußball-WM. Glauben Sie, dass der Sendeplatz die richtige Wahl ist?
Boris Schönfelder:
Jeder macht am Ende, was seine Aufgabe ist und tut das nach bestem Wissen und Gewissen. Die Programmierung des Zweiteilers ist Sache der ARD. Fest steht, dass sich nicht alle Menschen für Fußball interessieren, die WM in Katar ist wegen der Menschenrechtsverletzungen höchst umstritten. «Alice» zeigt den Kampf um Frauenrechte, Mitsprache und Gleichberechtigung und ist damit ein gelungenes Kontrastprogramm.

Alice Schwarzer äußerte sich, dass Sie Ihren Spielfilm hervorragend fand. Wie fühlt man sich als Regisseurin und Produzent?
Boris Schönfelder: Ich habe als Produzent Alice Schwarzer ein Angebot gemacht und ein Versprechen abgegeben, dass wir diesen Film im Streben nach Authentizität herstellen wollen. Natürlich freut es einen dann, wenn das Subjekt des Films sich erkannt fühlt.

Nicole Weegmann: Es ist schön, dass sie dem ambivalenten Bild, das ich von ihr zeichnen wollte, einen wahrhaftigen Kern zuspricht und mitgeht. Auch den Zeitgeist zu treffen war mir wichtig. Da sie selbst dabei war ist ein Lob von dieser Seite natürlich super.

Frau Schwarzer hat viele Stationen in Ihrem Leben bereist. Konnten Sie alle wichtigen Stationen abbilden?
Boris Schönfelder:
Wie ich schon an anderer Stelle sagte, haben wir uns auf einen Ausschnitt aus Alice Schwarzers Leben konzentriert, den wir für besonders erzählenswert hielten. Diesen Ausschnitt haben wir auch im Hinblick auf die in unseren Augen wichtigsten Stationen ihres Lebens gewählt.

Nicole Weegmann: Die «Panorama»-Szene konnten wir leider nicht unterbringen. Tatsächlich haben wir extrem viel in die beiden Filme gepackt, Einiges dabei sehr knapp erzählt, aber die Erzählzeit hat bei weitem nicht für alles gereicht. Allein aus der Panorama Sache könnte man einen ganzen 90 Minüter herstellen.

Blicken wir ein wenig zurück. Hat Frau Schwarzer auch Ihr Leben verändert, Frau Weegmann?
Nicole Weegmann:
Selbstverständlich hat Alice Schwarzer mit dem, was sie und andere Frauen in den 70er Jahren für Frauen wie auch Männer bewegt haben, maßgeblich dazu beigetragen, dass wir gesellschaftlich heute da stehen wo wir sind. Mich als Filmregisseurin etablieren zu können, gehört beispielsweise dazu.

Wird bei «Alice» auch das Thema Steuerhinterziehungen angesprochen?
Boris Schönfelder:
Nein, das sind private Dinge, die uns nicht so sehr interessiert haben. Uns hat die Frontfigur der deutschen Frauenbewegung interessiert, ihr Weg, ihre Kämpfe und warum sie so wahrgenommen wurde, wie sie wahrgenommen wurde.

Nicole Weegmann: Unsere Geschichte endet 1977.

Sie teilen sicherlich nicht alle Aussagen Schwarzers. Beispielsweise wurde erst vor wenigen Wochen Sascha Lobo der Negativpreis „Sexist Man Alive“ verliehen, weil er die Prostitution verharmlost habe. Sehen Sie das ähnlich? Oder ist das Thema zu komplex?
Boris Schönfelder:
Alice Schwarzer spielt auch heute noch in vielen gesellschaftlichen Debatten eine Rolle, das war allerdings nicht unser Fokus.

Nicole Weegmann: Mit Sascha Lobos Aussagen zur Prostitution habe ich mich nicht so beschäftigt, aber, was Alice Schwarzer betrifft, denke ich, dass es mit Sicherheit noch weiteren Erzählstoff gäbe. Gerade auch über Entwicklungen und Kontroversen der letzten Jahre.

Vielen Dank für das interessante Gespräch!

«Alice» wird am Mittwoch, den 30. November, ausgestrahlt. Selbstverständlich ist der Film dann auch in der Mediathek enthalten.

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