Die Kino-Kritiker

«The Photograph» - Eine emotional unterkühlte Hochglanzromanze

von   |  1 Kommentar

Wann immer sich zwei Menschen vor der Kamera ineinander verlieben, ist die Chemie zwischen ihnen ganz entscheidend. Zwischen Mae und Michael in «The Photograph» sprühen die Funken gewaltig, doch irgendwie lassen sie den Zuschauer nicht recht an sich herankommen.

Filmfacts: «The Photograph»

  • VÖ: 10. September 2020
  • FSK: 6
  • Laufzeit: 106 Min.
  • Genre: Romanze/Drama
  • Kamera: Mark Schwartzbard
  • Musik: Robert Glasper
  • Buch und Regie: Stella Meghie
  • Darsteller: Issa Rae, LaKeith Stanfield, Chanté Adams, Y'lan Noel, Kelvin Harrison Jr.
  • OT: The Photogtaph (USA/CHN 2020)
Was ist eigentlich mit den Liebesgeschichten passiert? Mit den ganz klassischen, in denen sich Mann und Frau ineinander verlieben, das ein oder andere Problem zu überwinden haben, um am Ende gemeinsam in die Zukunft zu blicken? Früher haben Romantic Comedies den nationalen als auch internationalen Kinomarkt regelrecht überschwemmt. Doch aktuell sind kinematografische Lovestorys Mangelware; nicht einmal Nicholas Sparks liefert noch Material für seine Kinoschnulzen ab. Regisseurin und Drehbuchautorin Stella Meghie («Du neben mir») schickt in ihrem neuen Film «The Photograph» nun endlich wieder einmal zwei Liebende durch die amourösen Irrungen und Wirrungen einer neu aufkeimenden Beziehung; und umschifft dabei viele Klischees. Etwa indem sie ihre Geschichte zwar als klassischen Dreiakter aufzieht, aber darauf verzichtet, ihrem Protagonistenpärchen Mae und Michael konstruierte Steine in den Weg zu legen.

Stattdessen steht ganz allein ihr aufkeimendes Interesse aneinander im Mittelpunkt – umrahmt von gefühligem Smooth-Jazz und eingehüllt in edle Großstadtpanoramen. Weshalb Meghie für eine Geschichte, die in 80 Minuten auserzählt wäre, allerdings fast 110 Minuten braucht, erschließt sich einem nicht.



Wer war Christina Eames?


Als die berühmte Fotografin Christina Eames (Chanté Adams) unerwartet stirbt, bleibt ihre Tochter Mae Morton (Issa Rae) mit vielen Fragen zurück. Ein gefundenes Foto führt Mae auf Spurensuche in die Jugendzeit ihrer Mutter und zu einer Entdeckung, die auch Maes intensive Romanze mit dem Journalisten Michael Block (LaKeith Stanfield) beeinflusst.

Die titelgebende Fotografie beeinflusst die Leben beider Protagonisten gleichermaßen. Der Journalist Michael entdeckt das Foto im Haus eines Interviewpartners, woraufhin dieser sich Informationen über die Fotografin einholt: Christina Eames, die ihrer Tochter Mae wiederum dasselbe Foto vermacht hat, woraufhin diese beginnt, in das Leben ihrer toten Mutter vorzudringen. Beide Personen sehen in dem Bild eine Geschichte. Auf beide hat sie unterschiedliche Auswirkungen. Aber sie eint die Faszination dafür und vor allem füreinander. So ist es natürlich Storygrundlage, dass sich die Wege der beiden Menschen irgendwann kreuzen. Und da sie anhand der Fotografie ja ohnehin bereits ähnliche Interessen bekundet haben, wundert es auch nicht, dass sich zwischen den beiden eine Liebesbeziehung entspinnt.

Letztlich ist dieses Bild nicht mehr als ein McGuffin; Wenngleich Stella Meghie alles unternimmt, um es nicht so aussehen zu lassen. Mithilfe von Rückblenden versucht sie, Substanz in die Hintergrundgeschichte der Fotografin und damit auch in das Bild selbst zu bringen. Aber es gelingt nicht richtig, da die Flashbacks viel zu rudimentär ausfallen. Der Fokus liegt hier klar auf der Romanze zwischen Mae und Michael – zumindest auf dieser Ebene kann der Film punkten.

Eine klassische Liebesgeschichte


Es ist durchaus erfrischend, dass Stella Meghie in «The Photograph» einige klassische Genretropes außen vor lässt. Der besagte Verzicht auf künstlich herbeigeführte Konflikte gehört ebenso dazu wie das Weglassen einer klassischen „sie finden sich zwar gut, wollen jedoch nicht so recht, aber am Ende kriegen sie sich doch“-Struktur in Liebesfilmen, die zuletzt insbesondere im deutschen Romantikkino so überpräsent war. In «The Photograph» geht es einfach nur um zwei erwachsene Menschen, die Interesse am jeweils anderen entwickeln und sich schließlich aufeinander einlassen. Eine ganz und gar romantische Angelegenheit, die vor allem deshalb so authentisch wirkt, weil die Funken zwischen den beiden Hauptdarstellern nur so sprühen. Issa Rae («Die Turteltauben») und LaKeith Stanfield («Knives Out») haben eine hervorragende Chemie miteinander.

Trotzdem wirkt ihre Beziehung nicht immer auf Augenhöhe; für beide scheint die aufkeimende Liebe so etwas wie ein Katz-und-Mausspiel zu sein. Zumindest scheinen sie zu Beginn regelrecht umeinander herumzutigern und den anderen auszuchecken, sodass man ihnen entgegenrufen möchte, dass sie sich doch jetzt bitte einfach ineinander verlieben mögen. Künstliche Hinhaltetaktiken haben bei Dates noch nie funktioniert.

Sobald Mae und Michael dann auch endlich so richtig ineinander verschossen sind, gibt es für ihre Gefühle kein Halten mehr. Es macht Spaß, ihnen beim sich gegenseitigen Anschmachten zuzuschauen, doch so richtig nah kommt man den Figuren dabei nie. Das liegt auch daran, dass Stella Meghie für ihre Geschichte eine Klientel wählt, die von der Realität der meisten Zuschauer vermutlich sehr weit entfernt ist. Wann immer sich besonders schöne Menschen vor besonders schönen Hintergründen miteinander vergnügen, eröffnet sich schnell das Problem, dass die im Film verhandelten Themen eher First-World- denn Real-World-Problems sind. Genauso verhält es sich hier auch. Wenn Mae ihren Lover das erste Mal in ihrer perfekt durchgestylten Wohnung begrüßt, dann ist man im Begriff, unbedingt sofort zur Museumskuratorin umzuschulen; Offenbar lassen sich in diesem Business Unsummen verdienen. Gewiss: Auch sehr wohlsituierte Menschen haben (insbesondere in der Liebe) bisweilen ähnliche Probleme wie das gemeine Proletariat. Doch Meghie wendet zu viel Zeit dafür auf, für ihr Liebespärchen ein optimales akustisches («The Photograph» ist eine 110-minütige Jazz-Playlist) wie visuelles Hochglanz-Umfeld zu schaffen, vor dem man auch ein Musikvideo für Béyonce drehen könnte. Da bleiben die Emotionen auf der Strecke, da sich das Skript keinerlei Schwächen für die beiden Hauptfiguren erlaubt.

Weshalb die Verantwortlichen das Foto-Gimmick nicht nutzen, um insbesondere Mae noch deutlich mehr Hintergrund zuzugestehen, erschließt sich einem nicht. . Hin und wieder bekommt man zu sehen, wie unglücklich die Fotografin einst mit ihrem Leben war und wie es ihr nach und nach gelang, aus diesem Unglück auszubrechen. Direkte Auswirkungen auf die Ereignisse in der Gegenwart hat all das nicht, weshalb man kaum vom gegenseitigen Ergänzen sprechen kann – würde man es nicht immer wieder hören, würde man zwischen Christina und Mae gar überhaupt keine Verbindung herstellen können. So macht es am Ende den Eindruck, der Inhalt des von Mae zu Beginn des Films gefundenen Briefs, den ihre Mutter gemeinsam mit dem Foto für sie hinterlassen hatte, diene am Ende nur als Mittel zum Zweck respektive in diesem Fall zum Twist. Und den sieht man leider sehr früh kommen.

Fazit


«The Photograph» ist eine schön aussehende und klingende Liebesgeschichte, deren Protagonisten einem leider seltsam fernbleiben. Das Gimmick rund um eine verschiedene Zeitebenen verbindende Fotografie nutzt die Regisseurin und Autorin leider nicht aus.

«The Photograph» ist ab dem 10. September in den deutschen Kinos zu sehen.

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Es gibt 1 Kommentar zum Artikel
Sentinel2003
29.08.2020 08:11 Uhr 1
der Trailer ist doch mal gar nicht sooooo schlecht....:-)

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