Die Kritiker

Und Hapes Geburtstagsgala schrie: Hurz!

von   |  1 Kommentar

Witzischkeit kennt keine Grenzen. Und Hape Kerkeling will «Keine Geburtstagsshow»! Wie bringt das ZDF diese zwei Grundsätze bloß unter einen Hut?

Hinter den Kulissen

  • Regie: Gero von Boehm und Hape Kerkeling
  • Produktion: Christiane von Boehm und Gero von Boehm
  • Redaktion: Nadine Berner
  • Skript: Micky Beisenherz
  • Kamera: Hannes Hubach und Alexander Hein
  • Schnitt: Andreas Tiletzek
Eine lange Showtreppe. Eine atemberaubende Moderatorin, die das Geburtstagskind und dessen Gäste in Empfang nimmt. Ein dauergrinsendes, knapp bekleidetes und dennoch ganz und gar asexuelles Fernsehballett. Ein Studiopublikum, das den unerklärlichen Drang verspürt, wie wild mitzuklatschen, sobald auch nur drei Noten gespielt werden. Selbstredend klatschen die Zuschauer außer Takt mit, alles andere wäre ja peinlich. Und weil man ja der Grandeur gerecht werden möchte, die in dem Wort 'Gala' mitschwingt, gibt es auch große, große Gefühle. Etwa in Form tränenreicher Wiedersehensfeiern auf der Showbühne. Oder mittels intimer Geschichten, die das Geburtstagskind den Anwesenden sowie den Millionen Zuschauern an den Fernsehgeräten erzählt.

Ja, Hape Kerkeling hat es als bedeutender deutscher Entertainer verdient, dass ihm ein deutscher Fernsehsender anlässlich seines Anfang Dezember stattfindenden 50. Geburtstags eine Sondersendung widmet. Immerhin ist er der Mann, der unserer Popkultur „Hurz!“, «Kein Pardon», Horst Schlämmer inklusive Schnappatmung, eine täuschend echte, dennoch falsche Königin Beatrix und vieles mehr brachte. Gleichwohl würde ihm eine dieser eingangs beschriebenen, typischen Geburtstagsshows nicht gerecht. Einerseits, weil es solche Galasendungen schon in tausendfacher Ausführung gab – und mit seiner originellen Art würde Kerkeling so eine alltägliche Show nicht stehen. Andererseits, verliefe solch eine Show eh viel zu sehr wider seiner Natur. Er, der immer wieder seine Abkehr vom Fernsehgeschäft ankündigende Entertainer und Comedian, der schon seit einigen Jahren die ganz große TV-Bühne meidet. Der sein Privatleben zwar nicht verheimlicht (man erinnere sich etwa an „Ich bin dann mal weg!“), es aber genauso wenig in hoher Frequenz und in aller Detailliertheit den Boulevardblättern zum Fraß vorwirft. Nein, wenn Geburtstagsshows immer so ablaufen müssen, wie sie halt ablaufen, dann sollte Kerkeling auch keine Geburtstagsshow bekommen. Und tatsächlich: Das ZDF zeigt zu Ehren des Sängers und Synchronsprechers «Keine Geburtstagsshow!»

In klaren Worten bedeutet dies: Die öffentlich-rechtliche Anstalt zeigt einen einstündigen Fernsehfilm im Dokumentationsstil, der die (rein fiktiven) Vorbereitungen zu einer (nicht wirklich geplanten) TV-Gala zu Ehren Hape Kerkelings einfängt. Und hinter den Kulissen dieser aufwändigen Fernsehshow geht alles schief, was nur schief gehen kann. Der Regisseur? Er ist großspurig, mit allem unzufrieden und mehr daran interessiert, der Show im Friedrichstadt-Palast seinen eigenen Stempel aufzudrücken, als daran, einen angemessenen Abend für Hape Kerkeling zu planen. Dieser hat eh überhaupt keine Lust auf diesen Schwachsinn und flieht aktuell zu Fuß vor dem ihn erwartenden Medienrummel. Sein Manager? Dem sind die Wünsche seines Klienten vollkommen gleichgültig. Wichtiger ist es diesem zwielichtigen Proleten, unter der Crew der Geburtstagsshow Abnehmer für einen in Tschechien hergestellten Energydrink zu finden. Und dann treibt sich auch noch eine eitle Journalistin im Friedrichstadt-Palast herum, die nach einer möglichst zugkräftigen Schlagzeile über Hape Kerkeling geifert.

Selbst wenn all diese exzentrischen Charakterköpfe so oder so ähnlich in der realen Welt aufkreuzen könnten (insbesondere die blonde, hochnäsige, vorverurteilende Klatschjournalistin) würde wohl niemand die Geschehnisse in «Keine Geburtstagsshow!» für echt halten. Erstens, weil durch das Aufeinandertreffen dieser drei grausigen Gestalten die gelassen präsentierte Handlung herrlich überspitzte Formen erlangt. Zweitens, weil sich Hape Kerkeling die Chance nicht hat nehmen lassen, diese drei Rollen selber zu spielen. Und es ist eine echte Wonne, den chargierenden, blendend aufgelegten Komiker neue Kunstfiguren verkörpern zu sehen.

Zusätzlich zu den zwischen Fernsehsatire und leichtfüßig-blödelnder Persiflage wechselnden Szenen im Friedrichstadt-Palast, in denen Barbara Schöneberger sich mit einer guten Prise Selbstironie selber darstellt und die bühnengeile Moderatorin gibt, umfasst «Keine Geburtstagsshow!» aber auch ernstgemeinte Segmente: In diversen Einzelgesprächen blickt Kerkeling an ihm lieb gewordenen Orten auf sein Leben und seine Karriere zurück. Diese Interviewausschnitte zeigen einen selbstkritischen, trotzdem mit seinem Lebensweg zufriedenen, nachdenklichen und mitunter nostalgisch werdenden Fast-Fünfzigjährigen. Und somit sind sie deutlich geschmackvoller, selbstreflexiver und einsichtiger als das, was eine „echte“ Geburtstagsgala bieten würde.

Fazit: Hape Kerkeling schlägt zwei Fliegen mit einer Klappe: Er watscht ein kränkelndes Entertainmentgenre ab und bietet seinen Fans dennoch die erhoffte Selbstreflexion eines Jubiläum feiernden Stars. Klasse Idee, tolle Umsetzung – wer sich stattdessen eine echte Hape-Geburtstagsshow wünscht, muss mit dem Wolf und dem Lamm auf die grüne Wiese. Hurz!

«Keine Geburtstagsshow!» ist am 30. November 2014 ab 22 Uhr im ZDF zu sehen.

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Es gibt 1 Kommentar zum Artikel
P-Joker
30.11.2014 12:27 Uhr 1
Ich habe die Sendung bereits gestern bei ZDF-Neo gesehen.

Meine Meinung dazu: Unbedingt ansehen!

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