Die Kritiker

«Jerks»: Unverhohlene, egomanische Dickschädel suchen Bestätigung

von

Die erste Eigenproduktion des Video-on-Demand-Anbieters maxdome bietet allen «Pastewka»-Fans, die auf Entzug sind, lang erwarteten Nachschub in Sachen gekonnter Promi-Fremdscham.

Cast & Crew

  • Regie: Christian Ulmen
  • Darsteller: Christian Ulmen, Fahri Yardim, Emily Cox, Pheline Roggan, Collien Ulmen-Fernandes, Nils Dörgeloh, Larissa Rieß, Sido und viele mehr
  • Produktion: Ben Zwanzig, Casper Christensen, Frank Hvam, Carsten Kelber, Karsten Roeder
  • Drehbuch: Johannes Boss, Murmel Clausen
  • Kamera: Florian Licht
  • Schnitt: Marty Schenk, Christian Ulmen und andere
  • Produktionsstudio: Talpa Germany
«Jerks» – übersetzt: Wichser. Oder, wenn es nicht wortwörtlich und zugleich vulgär sein soll: Idioten, Trottel, Knilche, Dämlacke, Saftsäcke. So oder so, es läuft darauf hinaus, dass der Serientitel wenig schmeichelhaft mit den Hauptfiguren der maxdome-Eigenproduktion umgeht. Anders hätten sie es jedoch auch nicht verdient: In bester «Pastewka»-Manier spielt Regisseur, Produzent und Hauptdarsteller Christian Ulmen hier eine überspitzte, fiktive Version seiner selbst – und die ist nicht gerade umgänglich.

Mit über 40 Jahren noch immer nicht erwachsen im Kopf. Stur. Ichbezogen. Wenig einfühlsam. Und dann zu allem Überfluss noch mit dem unglücklichen Talent dazu gesegnet, sich unwissentlich aus dezent unangenehmen Situationen heraus volles Rohr in ausgewachsene Fremdschameskapaden zu steuern. Und wo Bastian Pastewkas Serien-Ich wenigstens ein Stubenhocker und Einzelgänger war, manövriert die «Jerks»-Form Ulmens ihr Umfeld im Tandem mit ihrem besten Kumpel in die schiere Verzweiflung.

Denn «Tatort»-Sidekick Fahri Yardım ist keinen Deut besser als Christian. Schlimmer noch: Er stiftet ihn auch noch zu weiteren Unsinnsaktionen an. Etwa, indem er vorschlägt, dass sie sich ihren Freundinnen gegenüber einfühlsam zeigen, um an deren Masturbationskurs teilnehmen zu dürfen – damit sie endlich mal wieder ein paar Geschlechtsteile zu Gesicht bekommen …

Zwar ist Sex nicht das alleinige Thema dieser Talpa-Germany-Produktion, allerdings zieht es sich wie ein roter Faden durch die Reihe. Fahri erklärt einem pubertierenden Jungen, wie man sich selbst befriedigt. Christian entdeckt auf einer öffentlichen Toilette zufällig, an welchen Druckerzeugnissen sich Rapper Sido so aufgeilt. Und es wird darüber diskutiert, wie falsch es wäre, Sex mit einer Komapatientin zu haben.

Fernsehfreunde, die schon mit der spröde vermittelten, neuen deutschen Fremdschamkomik eines «Stromberg» oder «Pastewka» nichts anfangen können, werden sich daher mit «Jerks» besonders schwertun. Wem die Büro-Mockumentary und die Sat.1-Promisitcom jedoch nicht konsequent genug waren, oder wer einfach nur mehr von diesem Humor haben will und dabei kein Problem mit derberen Themen hat, hat mit «Jerks» das perfekte Serienfutter gefunden: Ulmen schickt sich und sein bestens aufgelegtes, hauptsächlich aus Freunden und guten Bekannten bestehendes, Ensemble mit versierter Hand dahin, wo die Fremdscham so sehr weh tut, dass sie direkt die Lachmuskeln malträtiert.

Dass die laut Ulmens Aussage aus wahren Anekdoten gewachsenen «Jerks»-Storys sich nicht rasch totlaufen, ist nicht nur der knackigen Laufzeit jeder einzelnen Folge (jeweils unter 30 Minuten) sowie der beiläufigen Bandbreite an Alltagsbeobachtungen zu verdanken, sondern auch der scheinbaren Leichtigkeit, mit der Ulmen und Yardım ihren Saftsäcken noch immer eine sympathische Naivität mitgeben: Sie meinen es ja alles gar nicht böse, sie sind nur vollkommen unfähig, würdevoll aus den skurrilen Situationen rauszukommen, in die sie lachend gestolpert sind.

Neben den Hauptdarstellern überzeugen unter anderem eine pointiert auftretende Collien Ulmen-Fernandes (in der «Jerks»-Serienrealität Ulmens Ex), eine bodenständige und dennoch gewitzte Emily Cox (als Ulmens Neue) sowie Gaststarts wie Karsten Speck, Jana Pallaske und Sido, die allesamt sich selbst willig auf den Arm nehmen. Eingerahmt durch ein unaufdringliches, das Geschehen dennoch effektiv unterstreichendes Berlin-Lokalkolorit marschiert «Jerks» direkt aus dem Startblock nach ganz vorne in der Riege aktueller deutscher Comedyserien. Da hat sich das lange Warten auf die erste VoD-Serie Deutschlands gelohnt. Und wer auf trocken-charmanten Fremdschamwitz keine Lust hat, wartet einfach auf die Nächste. Das Rennen ist ja nun eröffnet.

«Jerks» steht maxdome-Kunden ab dem 26. Januar 2017 zum Abruf bereit. ProSieben zeigt die Serie ab dem 21. Februar immer dienstags gegen 23.15 Uhr.

Kurz-URL: qmde.de/90787
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