Die Kritiker

«Unterm Radar»

von

Ein Film über Terrorprävention und staatliche Überwachung. Und dann zeigt er auch noch Haltung. Trotzdem ist «Unterm Radar» leider misslungen...

Cast & Crew

Vor der Kamera:
Christiane Paul als Elke Seeberg
Heino Ferch als Heinrich Buch
Inka Friedrich als Ulla Bittner
Matthias Matschke als Tom Henskind
Fabian Hinrichs als Richard König
Carolina Vera als Leila Onger
Hans-Werner Meyer als Ferdinand Hochheim

Hinter der Kamera:
Produktion: enigma film
Drehbuch: Henriette Buegger
Regie: Elmar Fischer
Kamera: Sten Mende
Produzenten: Nicole Swidler und Fritjof Hohagen
In Berlin fliegt ein Linienbus in die Luft. Ein Terroranschlag. Mehrere Tote sind zu beklagen. Das Land steht unter Schock.

Das BKA hat erstklassige Aufnahmen von den Momenten vor der Tat. Hauptsächlich deswegen, weil einige ihrer Beamten undercover am Ort des Geschehens waren und dort Verdächtige beschattet hatten. Unter anderem auch die unscheinbare 21-jährige Marie Seeberg, die schon vor langer Zeit ins Visier der Ermittler geraten war. Sie soll nicht nur enge persönliche Verbindungen ins islamistische Milieu gehabt haben, sondern auch selbst unter anderem durch eine Reise nach Pakistan radikalisiert worden sein.

Ihre Mutter, die erfolgreiche Richterin Elke Seeberg (Christiane Paul), fällt freilich aus allen Wolken, als ein SEK ihre Wohnung hochnimmt und sie stundenlang verhört wird. Der ihr präsentierte Status quo: Ihre Tochter ist auf der Flucht und brandgefährlich. Elke soll dem BKA bei der Großfahndung helfen.

Zu diesem Zweck verwanzt der hochrangige BKA-Beamte Richard König (Fabian Hinrichs) auch ihre Wohnung. Ohne richterlichen Beschluss. König wird uns als seltsamer Typ vorgestellt. Er hat einige Zeit in Washington gearbeitet. Was er da genau gemacht hat, weiß niemand. Jedenfalls ist er Feuer und Flamme für die „amerikanischen“ und „britischen“ Methoden in der Terrorbekämpfung und will sie lieber heute als morgen auch in Deutschland angewandt sehen. Heinrich Buch (Heino Ferch), ein leitender Beamter des BKA, ist da anderer Auffassung.

«Unterm Radar» schafft etwas, das wenige temporeiche deutsche Fernsehfilme schaffen: einen starken Spannungsbogen mit einer tatsächlich völlig unerwarteten Wendung in der Mitte. Das kann man diesem Film gerne hoch anrechnen.

Trotzdem ist er in vielerlei Hinsicht ein typisch deutscher Problemfilm. Mit den ebenso typischen Defiziten. Eines seiner schlimmsten liegt in seiner nicht unbedingt intelligenten Haltung. Eineinhalb Stunden lang will «Unterm Radar» eine stringente Argumentation gegen die „amerikanische“ (oder besser: angelsächsische) Methode der massenweisen Datensammlung und -auswertung, sowie der dortigen Gepflogenheiten in der Terrorprävention sein. Das ist legitim, auch wenn man dieser Skepsis oder Ablehnung ja nicht zustimmen muss.

Diese Skepsis oder Ablehnung entbehrt ja auch nicht (oder zumindest: nicht so ganz) nachvollziehbarer, valider Gründe und Sorgen. Dieser Film präsentiert sie jedoch nur halbgar – und dramaturgisch oft zu suggestiv und überstrapaziert, – während er den nicht minder sinnigen (angelsächsischen) Gegenargumenten erstaunlich wenig Substanzielles entgegenzusetzen hat. „Wir machen’s wie die Amis? Das ist doch absurd!“, poltert ein rauchender Heinrich Buch ob Richard Königs „neuer“ (also amerikanischer) Logik. „Ja, es ist absurd. Aber es geht halt nicht anders.“ Vom skeptischen Buch kommt dann nicht mehr viel. Außer platten Kalendersprüchen („Du kannst Unrecht nicht mit Unrecht begegnen!“), die angesichts der Tragweite der dargestellten Ereignisse eher wie eine Kapitulation klingen. Und das wollte «Unterm Radar» ja sicherlich verhindern.

Wer einschlägige (angelsächsische) Produktionen, etwa die Serie «24», kennt, weiß, wie es besser geht. Jack Bauer ist zwar eine heroische, aber nicht minder kontroverse Figur, der man bei seinen Entscheidungen folgen kann, aber nicht muss. Doch er ist ein starkes Argument in einem politischen Diskurs. «Unterm Radars» krude Einlassungen sind dagegen plumpe Wachrüttelversuche, gemischt mit etwas Populismus. Alle positiv besetzten Figuren vertreten dieselbe Auffassung. Man muss ihnen folgen, sonst ist man für einen der Bösen. Die Sympathien der breiten Masse mag man damit hinter sich haben. Die argumentative Überlegenheit nicht unbedingt.

Das Problem dieses Films liegt gar nicht so sehr an seinen (relativ wenigen) dramaturgischen Unzulänglichkeiten. Darstellerisch ist er zudem mit Christiane Paul, Heino Ferch und Fabian Hinrichs sehr gut aufgestellt. Auch wenn Hinrichs aufgrund seines einnehmenden, überzeugenden Spiels klar jede seiner Szenen dominiert.

Das Problem liegt in seiner unbeholfenen Haltung, seinem Suchen nach einfachen, bequemen, allgemeingültigen Lösungen für komplexe, vielschichtige Probleme in Spannungsfeldern von sich widerstreitenden Interessen. Boah, die Amis. Boah, die Briten. Boah, die Datensammelei. Boah, die permanente Überwachung.

Doch diese Themen verdienen eine intellektuell angemessenere Darstellung. Eine diskursive. Eine streitbare. Eine, die nicht nur für billige Plattitüden Position bezieht. Eine unbequeme. Und nicht nur ein stumpfes Nachplappern aufgebauschter Halbwahrheiten und unrealistischer apokalyptischer Szenarien.

Das Erste zeigt «Unterm Radar» am Mittwoch, den 14. Oktober um 20.15 Uhr.

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