Die Kritiker

«Polizeiruf 110: Wendemanöver»

von

In einem Crossover-Zweiteiler ermitteln die Kommissare aus Magdeburg und Rostock gemeinsam an einem komplexen Fall mit zwei Morden, dessen Ursprung bis in die 90er Jahre zurückreicht.

Cast & Crew

Vor der Kamera: Claudia Michelsen, Charly Hübner, Anneke Kim Sarnau, Sylvester Groth, Andreas Guenter, Josef Heynert, Uwe Preuss, Felix Vörtler, Steve Windolf, Klaus Manchen, Cornelius Obonya, Jörg Gudzuhn, Zoe Moore, Peter Schneider, Michael Kind, Thomas Fränzel, Philipp Hochmair, Christoph Bernhard u.m.

Hinter der Kamera:
Drehbuch: Eoin Moore, Anika Wangard; Vorlage: Thomas Kirchner; Regie: Eoin Moore; Szenenbild: Florian Langmaack; Schnitt: Antje Zynga; Musik: Warner Poland, Kai-Uwe Kohlschmidt, Wolfgang Glum; Kamera: Jonas Schmager; Produktionsfirma: filmpool fiction, Saxonia Media
Der «Polizeiruf 110: Wendemanöver» vereinigt gleich mehrere Eigenschaften, die den Fall der Krimi-Reihe herausstechen lassen. Die neuesten Ermittlungen gehen nicht nur in einem Zweiteiler vonstatten, in diesem rund 170 Minuten langen Machwerk findet sich auch das allererste «Polizeiruf»-interne Crossover wieder. Obwohl der «Polizeiruf 110» nun schon seit 1971 läuft, bis 1990 noch aus der DDR kam und über vier Ableger in verschiedenen Städten verfügt, arbeiteten die Teams noch nie zusammen an einem Fall. Anlässlich des 25. Jahrestags der Wiedervereinigung müssen sich in Ostdeutschland allerdings die Teams aus Rostock und Magdeburg zusammenschließen, um zwei Morde aufzuklären, die aus mehrere Jahrzehnte alten Verbrechen resultieren.

Ein Brandanschlag auf die Firma Richter in Magdeburg fordert ein Todesopfer: Die Frau des Juniorchefs erliegt den Flammen. Zunächst deutet vieles darauf hin, dass linke Aktivisten für den Anschlag auf den Waffenexporteur verantwortlich sind. Schon bald gehen die Ermittlungen aber in eine ganz andere Richtung, als ein zweites Mordopfer in Rostock aufgefunden wird – ein Wirtschaftsprüfer, der zuletzt auch in die Geschäfte der Richter GmbH involviert war. Den Ermittlern aus Magdeburg und Rostock wird klar, dass eine Verbindung zwischen beiden Morden besteht. Bei der gemeinsamen Aufarbeitung des Falls entdecken sie, dass die Ursprünge des Falls bis zum Anfang der 90er Jahre zurückreichen, die im Zeichen der politischen und wirtschaftlichen Umbrüche nach der Wiedervereinigung standen. Die Täter scheuen sich nicht, noch mehr Personen zu beseitigen, um ihre teilweise Jahrzehnte alten Verbrechen zu vertuschen.

Oft lohnen sich Crossover-Episoden für die ausstrahlenden Sender gewaltig, da sich Fans beider Ableger dafür interessieren, wie die Teams zusammenarbeiten und miteinander auskommen. Inszenatorisch stellen solche Spezial-Folgen die Macher jedoch vor große Herausforderungen, insbesondere im Rahmen eines Zweiteilers, der es auch erst einmal schaffen muss, über drei Stunden Laufzeit eine Geschichte durchgehend interessant zu gestalten. Tatsächlich müssen sich Zuschauer konzentrieren, wenn sie beim «Polizeiruf 110: Wendemanöver» den Überblick behalten wollen. Viele Personen werden im Laufe des Falls eingeführt, häufig wird zwischen Drehorten und Städten gewechselt, zahlreiche Verbindungen gilt es im Hinterkopf zu behalten. Bringt man den erforderlichen Fokus auf, unterhält das Buch von Eoin Moore und Anika Wangard jedoch sehr gut.

Vor allem die Zusammenführung der unterschiedlichen Ermittlerteams gelang dem Zweiteiler gut, schließlich gehen die Rostocker und Magdeburger sonst ganz unterschiedlich vor. Während das Team Bukow (Charly Hübner) und König (Anneke Kim Sarnau) in Mecklenburg-Vorpommern sonst eher nach dem Hau-Drauf-Prinzip agiert, sich dabei auch häufig in die Haare kriegt, gehen der eigenbrötlerische Kommissar Drexler (Sylvester Groth) sowie seine ebenfalls eher sensible Kollegin Brasch (Claudia Michelsen) deutlich zurückhaltender und reflektierter nach. Die Eigenarten der komplexen Geschichte führen jedoch dazu, dass die Verbrechensbekämpfer häufig von ihrem gewohnten Muster abweichen und in ermittlerischen Extremsituationen aus sich herausgehen.

Dies geschieht vor allem aufgrund der gleich in mehreren Fällen unklaren Linie zwischen Privat- und Berufsleben. Als ein ehemaliger Kollege Drexlers, der sich als mehr herausstellt als ein alter Freund, auf einem Rachefeldzug ins Visier der Ermittlerteams gerät, entstehen beim sonst so zurückgezogenen Kommissar in mehreren Situationen Gewissenskonflikte. Unterdessen lässt sich in Rostock Katrin König unvorsichtigerweise mit einem Zeugen ein, während der suspendierte Alexander Bukow, der nun wieder mit seinem kriminellen Vater im Bunde steht, plötzlich des Mordes verdächtigt wird, sodass seine Kollegen widerwillig die Fahndung nach ihm aufnehmen müssen. Gerade das verleiht dem Fall seine Attraktivität – dass die ohnehin bereits über viele Episoden hinweg sehr gut gezeichneten Ermittler-Figuren in der Crossover-Folge neue Seiten von sich zeigen.

Die Autoren entschieden sich über beide Teile hinweg für einen steten Wechsel zwischen den Schauplätzen in Rostock und Magdeburg. Diese Vorgehensweise sorgt ab dem Ende der ersten Folge für ausgezeichnete Spannung und ein hohes Tempo, das sonst vor allem innerhalb der Magdeburger Ausgaben unüblich ist. Gerade zu Beginn des Falls stellen sich die Wechsel jedoch als hinderlich heraus und unterbrechen den Erzählfluss. Während sich im Switch zwischen Rostock und Magdeburg also später eine der großen Stärken des Falls wiederfindet, dient dieser zu Beginn des Zweiteilers nur dazu, in beiden Städten chronologisch auf dem gleichen Stand zu bleiben, was die Dynamik des Narrativs leider etwas einschränkt.

Die Hauptdarsteller liefern mit ihrem Spiel gewohnt ansprechende Leistungen ab, insbesondere Charly Hübner darf als suspendierter Kommissar und wieder etwas auf die schiefe Bahn geratenes Raubein, neue Facetten seiner Rolle präsentieren. Ohnehin findet sich im Duo Hübner/Sarnau das wohl spannendste Duo der Krimi-Reihe. Die zahlreichen Nebenkriegsschauplätze der Protagonisten, unter anderem auch eine zarte Romanze zwischen dem liebenswert machohaften Kommissar Pöschel und Kommisarin Brasch, sorgen jedoch auch dafür, dass die Geschichtsstunde, die im Rahmen von „Wendemanöver“ über Wirtschaftskriminalität zu Zeiten der Wiedervereinigung erzählt wird, den Zuschauer nicht vollends zu packen weiß. Gerade beim komplexen Thema „Transferrubelbetrug“, das den Fall stets begleitet, laufen die Zuschauer aufgrund etwas zu kurz gekommener Aufarbeitung innerhalb des Zweiteilers Gefahr, selbiges nicht zu durchdringen.

So funktioniert dieser Teil der Geschichte auch nicht vollends als Vehikel des eigentlichen Kerns der Geschichte: Der historischen Schuld, die Väter ihren Söhnen in Form von Unternehmen mit krimineller Vergangenheit vererben. Diese hat, je nach Beschaffenheit der Familie, ganz unterschiedliche Folgen, was in den intensiven Verhörszenen am Ende des Falls allzu deutlich wird. Letzten Endes dürfen sich Fans der Krimi-Reihe auf eine packende «Polizeiruf»-Doppelfolge freuen, die nach einer längeren Exposition sehr gut in Fahrt kommt und in der die ohnehin tollen Figuren noch einmal neue Gesichter von sich zeigen. Der Umstand, dass mehr die Ermittlerfiguren und weniger das eigentliche Verbrechen im Zentrum der Handlung stehen, machen „Wendemanöver“ jedoch nicht zum denkwürdigen und nachklingenden Fall, den sich die Produzenten vielleicht erhofft hatten.

Das Erste zeigt die beiden Teile am 27. September und 6. Oktober 2015 jeweils ab 20.15 Uhr.

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