Hingeschaut

«Wer weiß denn sowas?»: Rückfall in die Vorabend-Ödnis

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Nachdem die ARD zuletzt auf einem guten Weg schien, der Bedeutungsarmut auf dem 18-Uhr-Sendeplatz zu entrinnen, ist ihr neuestes Quiz wieder ein erheblicher Rückschritt.

Wer in den vergangenen sieben Wochen um 18 Uhr das Erste Deutsche Fernsehen gezielt oder zufällig eingeschaltet hatte, musste sich verwundert die Augen reiben. Entgegen diverser Marktanalysen, die dem durchschnittlichen Zuschauer am Vorabend einen exzessiven Drang nach Entschleunigung und kognitiven Ruhephasen unterstellen, platzierte der öffentlich-rechtliche Sender dort mit «Gefragt - Gejagt» ein Format, das überaus rasant daherkam, Kandidaten wie Zuschauer mit Tempo und Anspruch forderte und mit den "Jägern" Menschen in den Mittelpunkt stellte, die weniger durch einen unablässigen Drang nach verbaler Selbstdarstellung denn durch ein äußerst breites Wissensspektrum auffielen - und nicht selten unnahbar bis arrogant wirkten. Mit diesem mutigen Schritt verzeichnete der Sender seine größten Erfolge seit vielen Jahren auf diesem Slot, weshalb man hätte denken können, dass er diese klaffende Lücke auf dem deutschen Fernsehmarkt weiter schließen wollen würde. Offensichtlich gingen die Überlegungen der Programmverantwortlichen jedoch in eine andere Richtung...

Denn der Neustart «Wer weiß denn sowas?» ist ein Quiz, das sich schon von seiner Grundkonzeption her an eine gänzlich andere Zielgruppe richtet. Statt überwiegend normaler Menschen aus der Mitte der Gesellschaft stehen hier wieder Promis im Mittelpunkt des Interesses, genauer gesagt zwei Promi-Duos, die jeweils von Elton und Bernhard Hoecker angeführt werden. Statt mehrerer Schnellrate- und Multiple-Choice-Runden mit einem engen Zeitkontingent werden nun gerade einmal zwölf (bzw. mit Finalrunde 13) Fragen in rund 45 Minuten Netto-Sendezeit gestellt - womit also nun im Durchschnitt über drei Minuten vergehen, bis eine Frage dann mit zugehörigem Promi-Gerede sowie einem zusätzlichen Einspiel-Film oder Studio-Experiment aufgelöst wird. Statt des Duell-Charakters Kandidat gegen Jäger steht hier der Spaß im Zentrum des Interesses, die Fragen fungieren gefühlt eher als Stichwortgeber für flapsige Sprüche und Promi-Anekdoten.

Klingt nun alles nicht gerade so, als müsse sich der Zuschauer auf eine allzu große Rasanz einlassen - und das wäre noch eine weit untertriebene Formulierung für die schier endlosen Diskussionen, die zu überstehen sind, bevor die Teams einmal eine Kategorie gewählt, die Frage vorgelesen bekommen und dann auch noch beantwortet haben. Man mag dem Geplapper, das von Seiten des Moderators wie von den Fernseh-Gesichtern ausgeht, freundlich einen gewissen Unterhaltungswert beimessen, in seinem Ausmaß jedoch strengt es schon binnen einer Ausgabe zunehmend an. Eine Dramaturgie ist nicht zu erkennen, die Fragen werden ziellos und spannungsarm runtergebetet, dem Publikum vor dem Fernseher dürfte es in den meisten Fällen reichlich schnuppe sein, welches Promi-Team gewinnt - zumal man nicht den Eindruck hat, dass es den Protagonisten diesbezüglich grundlegend anders geht.

Auch die Fragen kommen nicht wirklich innovativ daher und verfolgen eher das Ziel, ebenso skurriles wie unnützes Wissen zu testen - wobei die primäre Ausrichtung wohl eher sein dürfte, dass die Ratefüchse die Antworten auf die Fragen eben nicht wissen, damit sie zwei bis drei weitere Minuten Sendezeit durch zumeist zwecklose teaminterne Beratungen füllen. Gerne gesehen sind offenbar auch Fragen nach der Häufigkeit von Orgasmen oder Nippelspannern, damit neben zahlreichen flachen Witzchen auch ein paar schlüpfrige Witzchen von Seiten der Promis eingestreut werden können. Irgendwie wollen die äußerst trägen 50 Minuten ja schließlich gefüllt werden.

Allzu viel wollten die Programmverantwortlichen offenkundig auch nicht in das Preisgeld der Show investieren, denn die (realistisch kaum erreichbare) Höchstsumme liegt bei arg dürftigen 6.000 Euro, die charmanterweise an das Studio-Publikum gehen. Zu Beginn der Sendung müssen sich die rund 100 Studio-Kandidaten hinter einem der beiden Promi-Teams platzieren; setzen sie sich hinter das siegreiche Team, geht das erspielte Geld an sie - also zumindest ein Bruchteil dieses Geldes, denn die Gewinnsumme wird durch die Zahl der Zuschauer geteilt. Insofern dürften die gut 118 Euro, die bei der Premiere an insgesamt 38 Menschen gingen, schon ein vergleichsweise hoher Wert sein. Trotz des mickrigen Sümmchens liegt hier beinahe schon die größte Stärke dieses Konzepts, denn die Aussicht auf ein klein wenig Geld veranlasst die Menschen im Studio zu einem vergleichsweise hohen Aktivitätsgrad. Die Finalrunde (eine ganz gewöhnliche Multiple-Choice-Frage, die von beiden Teams beantwortet werden muss) hingegen versprüht den Charme einer in die Jahre gekommenen Raufasertapete.

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Habe es (noch) nicht gesehen.
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Alles in allem wäre also die passendere rhetorische Frage für den Sendungstitel «Wer will denn sowas sehen?» gewesen. Doch vielleicht gibt es sogar die für die Programmverantwortlichen befriedigende Antwort, dass «Wer weiß denn sowas?» von einem Teil jener Menschen gesehen wird, die auch gerne die ARD-Standard-Quizshows zur Primetime verfolgen. Ähnlich träge schleppt sich der Neustart jedenfalls dahin, ähnlich anspruchslos und mit schalen Promi-Gags gespickt möchte er kurzweilige Unterhaltung erzeugen, ähnlich wenig stört er beim Kochen, Bügeln oder Essen. Hätte zuvor «Gefragt - Gejagt» nicht gezeigt, dass man auch und gerade mit einem substanziellen, zielorientierten und schnellen Quiz am Vorabend Erfolge verzeichnen kann, wäre dieses laue Quiz-Lüftchen wohl weitaus weniger ärgerlich und enttäuschend gewesen, das Moderator Kai Pflaume und Co. in die deutschen Wohnzimmer pustet.

So jedoch vermisst man schon jetzt das Team um Alexander Bommes - und auch Jörg Pilawas «Quizduell», das zumindest das TV-Publikum einbezogen und ein wenig mehr Dynamik aufgewiesen hat. Gut möglich, dass die ARD ihren frisch etablierten Quiz-Formaten mit Profil einen Bärendienst mit dieser televisionären Luftnummer erweist. Die Zuschauer, die «Gefragt - Gejagt» lieben gelernt haben, dürften mit dem neuesten Quiz-Experiment jedenfalls kaum warm werden - soll es also zum Erfolg werden, müssten wohl zunächst einmal wieder andere Menschen erschlossen werden. Fraglich, ob das gelingt. Und noch fraglicher, ob man sich als Fan guter und abwechslungsreicher Quiz-Shows ein Gelingen wünschen sollte.

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